6. Straßenfahrzeuge und austauschbare Ladungsträger




Jeden Tag sendet der Rundfunk Dutzende von Verkehrsmeldungen, die vor heruntergefallener Ladung warnen. Jedes Hindernis auf Straßen ist eine Gefahr:

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Abbildung 6.14: Abfalltüte [W. Strauch] Abbildung 6.15: Pappschachtel [W. Strauch]

Bei Tageslicht kann einer Abfalltüte auf freier Strecke noch rechtzeitig ausgewichen werden. Bei Nacht ist das deutlich schwieriger. Für Motoradfahrer sind schon kleinere Gegenstände zur Todesfalle geworden. Nicht immer kann derjenige rechtzeitig bremsen, dem plötzlich eine größere Pappschachtel vor das Fahrzeug fällt. Für Motorradfahrer kann das tödlich sein.

Können Fahrzeugführende immer schnell genug reagieren, wenn bei einer Kurvenfahrt plötzlich Wellzementplatten den Aufbau eines vorausfahrenden Lastkraftwagens zerstören und auf die Straße fallen?


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Abbildung 6.16: Bei einer Kurvenfahrt von ca. 30 km/h „abgeräumter“ Aufbau und Ladung [W. Strauch]

Die Ladungssicherungsmängel sind hier in Hinblick auf Personenschäden glimpflich ausgegangen. Andere Szenarien mag man sich nicht vorstellen.

Folgeschäden durch den Einsatz wenig oder ungeschulten Personals und nicht geeigneter Fahrzeuge sowie durch mangelnde Ladungssicherung werden unterschätzt. Aussagekräftige Statistiken gibt es nur für Teilbereiche. Diese sprechen allerdings eine deutliche Sprache.

Es geht hier nicht um „Peanuts“. Beispielsweise berichtete der Weserkurier am 20.08.2012 über ein Stahlbauteil von 110 t Masse, das bei einem Lkw-Wendemanöver verloren wurde. Laut Polizeiangaben betrug der Sachschaden 500 000 Euro.

Bei Verkehrskontrollen wird regelmäßig ein hoher Prozentsatz der Fahrzeuge und/oder ihrer Ladungssicherung beanstandet. Im Schnitt liegen die Werte um 70%. In Einzelfällen sind die Quoten sogar höher. Schlagzeilen über solche Fälle sind gang und gäbe.

Am 18. Mai 2013 berichtete der Weserkurier unter folgendem Titel „Aus dem Verkehr gezogen“ über eine Polizeikontrolle auf der A1, bei der die Beanstandungsquote 83% betrug.

Der Autor war selbst bei vielen Polizeikontrollen dabei. Es gab Tage, an denen es an allen Fahrzeugen etwas zu beanstanden gab. Kein Fahrzeug durfte ohne Nachbesserungen weiterfahren.

Extremes menschliches Leid und immense volkswirtschaftliche Schäden ergeben sich aus Unfällen mit Personenschäden – besonders schlimm sind die mit Toten. So berichtete dpa über einen Fall in Griechenland, bei dem 21 Jugendliche getötet wurden. Ungesicherte Spanplatten prallten seitlich in die Fenster eines entgegenkommenden Schulbusses. In dem Artikel heißt es wörtlich: „ … einige der Opfer wurden durch die scharfen Kanten der Pressplatten regelrecht enthauptet…“.

Nur zufällig waren im folgenden Fall keine Toten zu beklagen:


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Abbildung 6.17 – 18: Spanplatten fallen aus Sattelkraftfahrzeug auf S-Bahn-Gleise [GDV]

Unfälle und Schäden können nur verhindert werden, wenn die Betroffenen die wesentlichen Vorschriften über Straßenfahrzeuge, die Eigenart und Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen und austauschbaren Ladungsträgern, deren Aufbauten und Sicherungseinrichtungen kennen und damit richtig umgehen können.

Weltweit gibt es eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und internationalen Vereinbarungen, die sich auf Bau, Betrieb, Führung und Nutzung von Straßenfahrzeugen einschließlich der austauschbaren Ladungsträger beziehen. Auch in Hinblick auf die Verhütung von Unfällen, der „accident prevention“ ist das der Fall. Wer Beförderungen im Ausland organisiert, abwickelt oder dort Straßenfahrzeuge einsetzt, muss sich vorher entsprechend informieren.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden in diesem Handbuch nur deutsche bzw. relevante europäische Bestimmungen zitiert.

In den folgenden Abschnitten zu diesem Kapitel wird häufiger aus der Straßenverkehrs-Zulassungs-Verordnung (StVZO), der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der Unfallverhütungsvorschrift Fahrzeuge (GUV-V D 29) sowie den bei uns oder EG-weit geltenden technischen Regeln und Normen zitiert. Die Ausführungen der StVZO beziehen sich auf den Stand vom 13.01.2010 und die der „StVO“ auf die Neufassung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367)“, die am 1.4.2013 in Kraft gesetzt wurde. Bei den Normen wird die jeweilig zitierte Ausgabe angegeben. In Klammern (..) sind die Absätze jeweiliger Paragraphen widergeben. Hochgestellte Ziffern 1,2 kennzeichnen die jeweiligen Sätze. 1) hochgestellte Ziffern mit Klammer verweisen auf Fußnoten. Der Vorrang der deutschen Vorschriften ergibt sich z.B. aus der StVZO:

§ 31d Gewichte, Abmessungen und Beschaffenheit ausländischer Fahrzeuge

(1) 1Ausländische Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger müssen in Gewicht und Abmessungen den §§ 32 und 34 entsprechen.


Allerdings ist in § 21a die „Anerkennung von Genehmigungen und Prüfzeichen auf Grund internationaler Vereinbarungen und von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften“ geregelt.

Im Abschnitt III der StVZO werden Bau- und Betriebsvorschriften behandelt. § 30 regelt die Beschaffenheit von Fahrzeugen. Absatz (1) zielt auf den Schutz von Menschen und Sachen ab, Absatz (2) auf den der Straßen:

(1) 1Fahrzeuge müssen so gebaut und ausgerüstet sein, dass

1. ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt,

2. die Insassen insbesondere bei Unfällen vor Verletzungen möglichst geschützt sind und das Ausmaß und die Folgen von Verletzungen möglichst gering bleiben.

(2) 1Fahrzeuge müssen in straßenschonender Bauweise hergestellt sein und in dieser erhalten werden.


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Abbildung 6.19: [Klaus Brändle]

Fahrzeugrahmen können zu schwach konstruiert sein oder  durch Überlastung brechen. Ursächlich kann jedoch auch mangelnde Konservierung oder Wartung sein. Zu Behinderungen, Belästigungen oder gar Schädigungen Anderer kommt es, wenn ein Fahrzeug liegen bleibt oder mitten auf der Fahrbahn zusammenbricht.

Die Aufnahme wurde anlässlich einer Polizeikontrolle aufgenommen.


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Abbildung 6.20: Eingeklemmter Fahrer [Polizeifoto]

Den verlangten Insassenschutz nach § 30 (1) Punkt 2 StVZO hat auch die DIN 75410-2 und 3 als Zielsetzung. Die Norm stellt Mindestanforderungen und Prüfungen für Rückhalteeinrichtungen in Pkw, Pkw-Kombi und Kastenwagen fest, „um die Insassen vor sich verschiebender Ladung zu schützen“.

Entweder ist in dem Foto die Rückhalteeinrichtung nicht ausreichend stark bemessen, das Fahrzeug überladen oder die Ladung nicht entsprechend gepackt und gesichert gewesen.

Mit dem Ziel um die Insassen vor sich verschiebender Ladung zu schützen“ unterstellt die Norm indirekt, das regelmäßig gegen § 22 StVO verstoßen wird. In Absatz (1) Satz 1 heißt es darin u.a.:Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen…können“.

Die Forderung der StVZO § 30 Absatz (2) nach straßenschonender Bauweise bedingt, dass je nach zu befördernden Massen entsprechende Fahrzeuge eingesetzt werden. Einzelheiten über zulässige Achslasten und Gesamtgewichte sind in Kapitel 6.2.4 genannt.


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Abbildung 6.21: Spezialtransporter [W. Strauch]

Bei Beförderung schwerer Lasten ist die Anzahl der Achsen so zu bemessen, dass die Straßen und Brückenbauwerke nicht überlastet werden. Durch spezielle Technik kann sichergestellt werden, dass die Räder jeder Achse die Lasten gleichmäßig auf die Straße verteilen.

Ergänzende Maßnahmen zur Schonung der Straßen und Bauwerke sind u.a. das Einhalten von Abständen zu anderen Fahrzeugen, die Reduzierung der Geschwindigkeit und die Einhaltung eines entsprechenden Reifendrucks.

Die Unfallverhütungsvorschriften weisen ausdrücklich darauf hin, dass bestimmte Fahrzeuge auch EG-konform gekennzeichnet oder ausgerüstet sein müssen. § 4 bezieht sich auf Fahrzeuge mit Betriebserlaubnis. U.a. heißt es: „Der Unternehmer darf diese Fahrzeuge erstmals nur in Betrieb nehmen, wenn ihre Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie durch eine EG-Konformitätserklärung nach Anhang II sowie das EG-Zeichen nach Anhang III der Richtlinie nachgewiesen ist. Fahrzeuge müssen zusätzlich entsprechend § 30 dieser Unfallverhütungsvorschrift (…mit Unterlegkeilen…) ausgerüstet sein.“

§ 1 der StVO nennt Grundregeln für das Verhalten im Verkehr:

(1) 1Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) 1Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.


Wer durch mangelnde Sorgfalt bei der Auswahl des Fahrzeugs oder durch mangelnde Ladungssicherung Gegenstände und Ladung auf der Fahrbahn verteilt, handelt nicht „rücksichtsvoll“, sondern schädigt und gefährdet andere:


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Abbildung 6.22: Schlecht gesicherte und dadurch verlorene Strohballen blockieren eine Kreuzung [W. Strauch]

Die Gefahren für Leib und Leben durch fehlende oder mangelnde Sicherungen werden zu häufig unterschätz:


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Abbildung 6.23 – 24: Selbstgefährdung“ durch mangelnde Ladungssicherung [Polizeifotos]

Sicherheitsgurte können Leben und Gesundheit von Fahrzeugführenden und Mitfahrenden schützen:

StVO § 21a Sicherheitsgurte, Schutzhelme

(1) 1Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein.


Der Schutz vor mitgeführten Ladungsteilen kann nur durch sachgerechte Verladung und Sicherung erreicht werden.

Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels vermitteln Grundkenntnisse über

  • die Systematik der Straßenfahrzeuge;
  • Abmessungen, Achslasten, Gesamtgewichte und Lastverteilungspläne:
  • Lastauflagen von Straßenfahrzeugen;
  • Ladeflächenbegrenzungen und Sicherungssysteme;
  • Austauschbare Ladungsträger

In allen Bereichen wird auf die Wichtigkeit bereit zu haltender Informationen und die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Bauteilen verwiesen. Die Auswahl und der Einsatz von Straßenfahrzeugen sowie deren Überprüfung und Eignung für spezielle Transportaufgaben soll dadurch unterstützt und erleichtert werden.

Da nicht überall die erwünschten Kennzeichnungen von Fahrzeugen, wichtiger Bauteile und Ausrüstungsgegenstände vorgenommen werden kann, wird folgendes angeregt:

In Anlehnung an die früher praktizierte Unterbringung von „schriftlichen Weisungen“ in einer Tasche an der Rückseite der orangefarbenen Gefahrgutwarntafeln, könnte ein besonderer Aufbewahrungsort an den Kraftfahrzeugen oder Anhängern vorgehalten werden, in dem entsprechende Unterlagen für Beteiligte verfügbar sind.

Das Belade- und Sicherungspersonal hätte so auch bei Abwesenheit des Fahrers auf wichtige Informationen Zugriff. Das können Daten über Ladelängen, Breiten, Gewichte, gleichmäßige Bodenbelastbarkeit, mögliche Punktbelastungen, Belastbarkeit von Ladeflächenbegrenzungen wie Bordwände und Rungen usw. sein. Aber auch wichtige Bedienungshinweise, Zurrpläne u.ä. könnten darin aufbewahrt werden. Zeitverzögerungen wegen sonst erforderlicher Rückfragen könnten so entfallen.

In den Abschnitten des Kapitels wird aus den wichtigsten Normen, technischen Regeln, Straßenverkehrs- und Unfallverhütungsvorschriften zitiert. Der folgende Merksatz sollte beachtet werden:

Merksatz: Normen und Vorschriften bieten nur dann eine Gewähr zum Schutz von Menschen und Sachen, wenn alle Beteiligten sie kennen und befolgen und somit verantwortungsvoll handeln und ihre Pflichten erfüllen.