3.4 Direktsicherung


3.4.2 Erforderliche Vorspannkraft

Über die erforderliche oder anzustrebende Vorspannkraft von Direktzurrungen kursieren in der Praxis widersprüchliche Ansichten. Zunächst einmal sollen alle genormten Zurrmittel mit einem Etikett (Gurte) oder einem Anhänger (Ketten, Drahtseile) versehen sein mit u.a. der Angabe der Vorspannkraft STF, die mit dem zugehörigen Spannmittel erreichbar sein soll. Diese Werte sind nach den genannten Normen:

      bei Zurrgurten zwischen 0,1 und 0,5 LC,
      bei Zurrketten mindestens 0,25 LC bis 10 mm Kettenstärke und 0,15 LC darüber,
      bei Zurrdrahtseilen mindestens 0,25 LC.

Die Richtlinie VDI 2700, Blatt 2, führt zu dieser Frage aus, dass direkt sichernde Zurrmittel mit „normaler Handkraft“ vorgespannt werden sollten, also bis zu der Vorspannung, die mit SHF = 50 daN und dem zugehörigen Spannmittel laut Etikett oder Anhänger erreicht werden kann. Dabei soll jedoch höchstens so weit vorgespannt werden, dass im Auslegungslastfall mit einer gewissen Ladungsverschiebung ein Kräfteabbau bis Null auf der einen Seite und ein Kräfteaufbau bis höchstens LC auf der anderen Seite eintritt. Bei einer zu beiden Seiten in allen Belangen symmetrischen Zurrung ist das genau dann der Fall, wenn die Vorspannkräfte auf beiden Seiten 50% LC betragen. Bei asymmetrischen Zurrungen muss die Vorspannkraft auf beiden Seiten geringer sein, damit im Lastfall LC nicht überschritten wird. Das ist bezogen auf die statische Gleichgewichtsbetrachtung völlig korrekt. Praktisch wird man mit der üblichen Ausrüstung an Zurrgurten oder Ketten und den zugehörigen Spannmitteln kaum eine Vorspannkraft von 50% LC erreichen können.

In zahlreichen Aufsätzen und Werbebroschüren findet man jedoch den warnenden Hinweis, dass Direktzurrungen, im Gegensatz zu Niederzurrungen, nur „handfest“ vorzuspannen seien. Daraus ziehen Praktiker den naheliegenden Schluss, dass Direktzurrungen weniger stark als Niederzurrungen vorgespannt werden sollen, und sie tun es dann auch. Ob die Formulierung „handfest“ eine Fehlinterpretation der „normalen Handkraft“ aus der VDI-Richtlinie ist, oder ob der verbreitete Irrglaube dahinter steckt, dass jegliche Vorspannung in einem Lasching bereits etwas von seinem Haltevermögen „verbraucht“ oder ob Hersteller von sensiblem Zurrmaterial befürchten, dass mit aufgesetzten Verlängerungshebeln zuviel an Vorspannkraft aufgebracht werden könnte, spielt hier keine Rolle.

Die pauschale Formulierung „handfest“ ist irreführend und wenig zweckdienlich.

Der Wahrheit am nächsten kommt man nur mit einer dynamischen Betrachtung eines extremen Lastfalles, also einer Vollbremsung oder einem harten Lenkeinschlag. Dabei zeigt sich, was bereits in Kapitel 2.3.4 ausführlich dargestellt worden ist. Für Direktzurrung gilt:

„Steife“ Ladungseinheiten benötigen kurze Laschings mit guter Vorspannkraft, nachgiebige Ladungseinheiten brauchen lange Laschings mit wenig Vorspannkraft.

Der von der Richtlinie VDI 2700, Blatt 2 gesteckte Rahmen der Vorspannkraft von maximal 50% LC sollte dabei nicht überschritten werden.