3.5 Komplexe Sicherungsanordnungen


3.5.1 Statisch unbestimmte Direktzurrungen

Werden Zurrmittel verschiedener Elastizität, unterschiedlicher Abmessungen und unterschiedlicher Wirkrichtungen eingesetzt, so ist die Beanspruchung der einzelnen Mittel statisch unbestimmt und richtet sich allein danach, wie jedes Sicherungsmittel durch die Bewegung oder Verformung der Ladungseinheit seinerseits verformt wird. Es ist in so einem Fall unzulässig, in eine Kräfte- oder Momentenbilanz für jedes dieser Sicherungsmittel die volle zulässige Belastbarkeit LC einzusetzen.

Will man die Belastung der einzelnen Zurrmittel unter der Bedingung finden, dass keines von ihnen höher als mit seiner zulässigen Belastung LC beansprucht wird, so muss man das „empfindlichste“ Zurrmittel bestimmen, welches mit der geringsten Ladungsbewegung seine zulässige Belastung LC erreicht. Zunächst wird die notwendige Längenänderung ΔL für das Erreichen von LC für jedes Zurrmittel bestimmt. Die Formel hierfür lautet:

  

Zur Umrechnung von Längenänderung ΔL in hierzu notwendigen Rutschweg der Ladung ΔX bzw. ΔY werden Näherungsgleichungen verwendet, da es hier nicht auf letzte Genauigkeit ankommt. Sie lauten:

  

In die vorangehende Gleichung eingesetzt, erhält man das zugehörige ΔX bzw. ΔY für jedes der betrachteten Zurrmittel.

  

Der kleinste Wert ΔXmin bzw. ΔYmin stellt die Ladungsbewegung dar, welche das empfindlichste Zurrmittel an seine Belastung LC bringt. Die wirksamen Belastungen FW der übrigen Zurrmittel erhält man durch Umkehrung der verwendeten Gleichungen:

  

Dieser allgemein anwendbare Rechenprozess wird an einem einfachen Beispiel demonstriert.

Beispiel: 

Eine schwere Ladungseinheit wird gegen Rutschen in Fahrtrichtung mit sechs Direktzurrungen gesichert (Abb. 3.19). Diese Zurrungen setzen sich aus drei Typen zusammen, die sich in ihren Längenkomponenten unterscheiden. Die Zurrmittel sind Gurte mit einer zulässigen Belastbarkeit LC = 1000 daN und einer normierten Federkonstanten DN = 25000 daN. Die Berechnung wird mit einem Tabellenkalkulationsprogramm durchgeführt.


Abbildung - LSHB

Abbildung 3.19: Statisch unbestimmte Direktzurrung [H. Kaps]

Die Tabelle in Abb. 3.20 zeigt die Ergebnisse unter der Voraussetzung, dass in allen Gurten die gleiche Vorspannkraft von 400 daN aufgebracht worden ist. Die Laschings vom Typ 1 erreichen ihre zulässige Belastung von 1000 daN schon bei einer Längsbewegung der Ladungseinheit von ΔX = 0,055 m. Diese Strecke reicht nur aus, um die Belastung der Laschings des Typs 2 auf 614 daN und derjenigen des Typs 3 auf 697 daN ansteigen zu lassen. Die Sicherungswirkung liegt damit deutlich unterhalb des möglichen Maximums, das sich erzielen ließe, wenn alle sechs Laschings ihr LC von 1000 daN erreichen könnten.


Abbildung - LSHB

Abbildung 3.20: Belastungsverteilung bei gleichen Vorspannkräften [H. Kaps]

Gibt man den Laschings des Typs 1, die als erste die zulässige Belastung erreichen, weniger Vorspannung und den übrigen mehr, so kann die „Ausbeute“ an Sicherungswirkung verbessert werden. In Abb. 3.21 ist das geschehen, allerdings mit der unvermeidlichen Folge, dass die Ladungseinheit unter diesen Umständen eine Strecke von ΔX = 0,077 m rutschen muss, um die Laschings des Typs 1 auf ihre zulässige Belastung von 1000 daN zu bringen. Die übrigen Laschings erreichen mit einer etwas höheren Vorspannkraft immerhin rund 80% und 92% ihrer Kapazität.


Abbildung - LSHB

Abbildung 3.21: Belastungsverteilung bei angepassten Vorspannkräften [H. Kaps]

Wer diese etwas zeitaufwendige Berechnung nicht auf sich nehmen will, sollte in der Kräftebilanz die Laschings nicht mit ihrem vollen LC-Wert, sondern mit einem deutlich verringerten Wert einrechnen. Dadurch vergrößert sich die Anzahl der erforderlichen Laschings und ihre durchschnittliche Belastung sinkt. Die Gefahr einer Überlastung der empfindlicheren Laschings wird gebannt. Zusätzlich sollten die empfindlichen Laschings weniger Vorspannkraft als die anderen erhalten.

Merke: Statische Unbestimmtheit in einer Direktzurrung kann immer dann auftreten, wenn mehr als zwei Zurrmittel pro Beanspruchungsrichtung angebracht sind. Es ist dann ratsam, in einer Sicherungsbilanz Reserven vorzuhalten und den Zurrmitteln, die als erste die volle Belastung bekommen, weniger Vorspannkraft zu geben.