2.1 Physikalische Grundlagen


2.1.3 Reibung

Die Reibung zwischen Ladung und Ladefläche ist ein wesentlicher Bestandteil jeder guten Ladungssicherung. Bei Niederzurrungen hat auch die Reibung zwischen Ladung und Zurrmittel eine gewisse Bedeutung, wird aber nicht direkt rechnerisch berücksichtigt.

Reibung ist eine passive Kraft. Im Ruhezustand ist keine Reibung vorhanden. Aber sowie eine äußere Kraft an der Ladung angreift und sie auf der Ladefläche verschieben will, setzt die sogenannte Haftreibung als Gegenkraft ein. Das beginnt nach einem seitlichen Versatz der Ladungseinheit von nicht wahrnehmbaren Bruchteilen eines Millimeters, also praktisch sofort.

Diese Gegenkraft der Haftreibung passt sich der äußeren Kraft stets genau an. Anders ausgedrückt, es wird vom maximalen Haftreibungsvermögen nur genau soviel „abgerufen“, wie die äußere Kraft fordert. Wird jedoch der Maximalwert dieser Haftreibung überschritten, beginnt die Ladung zu gleiten. Die „Verzahnung“ der Reibflächen bricht ziemlich plötzlich weg und dann wirkt nur noch die sogenannte Gleitreibung als nahezu konstante Gegenkraft verzögernd auf die Bewegung der Ladung.

Diesen Vorgang kann man mit einem einfachen Versuch anschaulich demonstrieren. Ein fester Gegenstand liegt auf einem Brett und dieses Brett wird einseitig langsam angehoben. Bei einem bestimmten Winkel ist der Hangabtrieb geringfügig größer als die maximale Haftreibung und der Gegenstand beginnt zu rutschen.


Abbildung - LSBH

Abbildung 2.5: Reibung auf einer schiefen Ebene [H. Kaps]

Die Gleitreibung ist generell etwas kleiner als die maximal mögliche Haftreibung und hat, anders als die Haftreibung, in der gegebenen Situation einen ziemlich konstanten Wert. Die Gleitgeschwindigkeit hat dabei entgegen der häufig vertretenen Annahme keinen nennenswerten Einfluss auf die Größe der Gleitreibungskraft. Wenn die Ladung nach einem kurzen Gleitweg wieder zum Stehen kommt, z.B. weil vorhandene Zurrmittel durch das Rutschen der Ladung gedehnt wurden und Kraft aufgenommen haben, geht die Gleitreibung wieder übergangslos in Haftreibung über. Die kann jetzt aber durchaus kleiner sein als ihr maximal möglicher Wert und auch kleiner als die während des Rutschens wirkende Gleitreibung. Ein typisches Beispiel hierfür wird in Kapitel 2.3.4 gezeigt.

Merke: Wenn die Ladung nicht (mehr) rutscht, wird vom Haftreibungsvermögen nur so viel abgerufen, wie es das Kräftegleichgewicht erfordert.

Wichtig und nützlich ist, dass Reibung in alle Richtungen wirken kann, also immer gegen die gerade angreifende äußere Kraft bzw. Bewegung gerichtet ist. Das macht sie für die Ladungssicherung so wertvoll.

Die Größe der maximalen Haftreibung und auch die Größe der Gleitreibung kann man mit einfachen Mitteln abschätzen. Beide richten sich nach der Kraft, mit der die Ladung auf die Ladefläche drückt, also im einfachsten Fall nach ihrem Gewicht, und nach einem Reibbeiwert, der von den Eigenschaften der aufeinander ruhenden oder gleitenden Flächen abhängt. Reibbeiwerte für Haft- und Gleitreibung gibt es für die gängigen Materialpaarungen in zahlreichen Tabellen in Handbüchern, Richtlinien und Normen. Ob diese Tabellenwerte allerdings für den aktuellen Beladungsfall zutreffen, hängt von weiteren Umständen ab, auf die weiter unten kurz hingewiesen wird.

Reibbeiwerte werden mit dem griechischen Buchstaben μ (sprich: mü) abgekürzt. Zur Unterscheidung von Haft- und Gleitreibbeiwert wird noch ein Index angehängt, der allerdings nicht weltweit einheitlich ist. Die europäische Norm DIN EN 12195-1 in der nicht mehr gültigen Fassung von 2004 verwendete folgende Abkürzungen:

   Haftreibbeiwert μS (S steht für statisch)

   Gleitreibbeiwert μD (D steht für dynamisch)

Die neue Fassung dieser Norm von 2011 unterscheidet für die praktische Anwendung nicht mehr zwischen diesen beiden Werten, sondern sieht für Niederzurrungen gemittelte Werte μ für die gängigen Materialpaarungen vor, die zwischen Haftreibbeiwert und Gleitreibbeiwert liegen. Für Direktzurrungen müssen diese Beiwerte mit einem Faktor zwischen 0,75 und 1,0 multipliziert, also verkleinert werden. Die Norm enthält ferner in einem Anhang die Beschreibung praktischer Verfahren zur Bestimmung des gemittelten Reibbeiwerts μ.

Zur Bestimmung der Reibung rechnet man also:

Reibung = Gewicht · μ [daN]

Beispiel: 

Gewicht einer Ladungseinheit ist 1500 daN, Reibbeiwert μ = 0,4

Rechnerische Reibung = 1500 · 0,4 = 600 daN

Diese Kraft darf als Beitrag zu den Sicherungskräften berücksichtigt werden.

Der in Abb. 2.5 dargestellte Winkel, bei dem die Haftreibung gerade überwunden wird, erlaubt es, den aktuellen Haftreibbeiwert auf einfache Weise zu bestimmen.

   μ = tanα

Der Winkel α wird gemessen und der Tangens mit einem Taschenrechner gefunden. Eine andere Möglichkeit besteht in der Messung der Strecken a und b. Dann gilt:

   μ = a / b

Nun zu den praktischen Umständen, welche die vorgegebenen Reibbeiwerte beeinträchtigen können: Die in der Norm DIN EN 12195-1:2011 angegebenen Reibbeiwerte gelten für saubere Ladeflächen (besenrein), trocken oder nass, aber frei von Reif, Eis, Schnee, Öl oder Fett. Ist die Ladefläche nicht besenrein oder mit Reif, Eis, Schnee, Öl oder Fett verunreinigt, so darf als rechnerischer Reibbeiwert höchsten 0,2 verwendet werden. Hier besteht also ein Anlass und auch die Verpflichtung der verantwortlichen Personen, für eine entsprechend gesäuberte und vorbereitete Ladefläche zu sorgen.

Werden zur Vergrößerung der Reibung rutschhemmende Matten oder vergleichbare Materialien verwendet, so soll eine Bescheinigung über den zutreffenden Reibbeiwert vorgelegt werden können. Dieser in der Regel höhere Reibbeiwert darf natürlich nur dann angewandt werden, wenn die Ladung durch die rutschhemmende Matten reibungstechnisch vollständig von der Ladefläche getrennt ist, d.h. an keiner Stelle mit einem Teil von geringerem Reibbeiwert aufliegt.