1  Untersuchung der Lastannahmen
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1.5 Wankfaktor

Der Wankfaktor ist durch die VDI-Richtlinie 2700 eingeführt worden und steht für die "Berücksichtigung von dynamischen Kippmomenten durch eine instationäre Seitenneigung bzw. durch Winkelbeschleunigungen aus Wankschwingungen des Fahrzeugs um seine Längsachse". Diese Beschreibung ist eindeutig und vollständig. Es geht um dynamische Kippmomente.

Das quasistatische Kippmoment auf eine Ladungseinheit ergibt sich aus der Kraft Fx bzw. Fy, die in ihrem Schwerpunkt angreift, multipliziert mit dem Abstand d dieses Kraftvektors von der wirksamen Kippachse (Bild 7 links). Die Kraft Fx bzw. Fy ist auch die Kraft, die bei der Sicherung der Ladung gegen Rutschen berücksichtigt werden muss.

Dynamische Kippmomente in Längs- bzw. Querrichtung ergeben sich aus der Rotationsträgheit der Ladungsmasse gegenüber den Winkelbeschleunigungen durch Nick- bzw. Wankschwingungen. Diese führen zu einem "dynamischen" Drehmoment an der betreffenden Ladungseinheit, welches von der Lage von Kippachse und Ladungsschwerpunkt unabhängig ist (Bild 7 rechts). Für die Größe diese Zusatzmoments gilt:

Querrichtung:      Längsrichtung:

Das Rotationsträgheitsmoment J um eine Achse durch den Schwerpunkt kann für quaderförmige, homogene bzw. hohle Ladungseinheiten angenähert bestimmt werden durch:

      




Bild 7: Statisches und dynamisches Kippmoment

Die anzuwendende VDI-Richtlinie 2700, Blatt 2 fordert zur Sicherung kippgefährdeter Ladungseinheiten einen Zuschlag von 0,2 g zur seitwärts gerichteten Beschleunigungsannahme von 0,5 g. Der Wankfaktor wird ausdrücklich nicht zur Prüfung und Bemessung der Sicherung gegen Rutschen dieser kippgefährdeten Ladungseinheiten verwendet.

Zur Überprüfung der angemessenen Größenordnung dieses Wankfaktors wird die Rotationsträgheit einer kippgefährdeten Ladungseinheit (h ³ 2 × b) von maximaler Höhe (Straßenverkehr: h = 3 m) in einen Zuschlag w zur Querbeschleunigung umgerechnet.

Bild 8: Zur Umrechnung des Rotationskippmoments in einen Wankfaktor

Kippmoment aus Rotationsträgheit:


Äquivalentes Kippmoment:
 
 

Beschleunigungszuschlag homogen:       

Beschleunigungszuschlag hohl:               



Die einzusetzende Winkelbeschleunigung aus Wankschwingungen bzw. Nickschwingungen kann aus den beschriebenen Simulationsrechnungen abgeschätzt werden. Da diese Simulationen allesamt als grenzwertig angesehen werden können, sind die Ergebnisse für den genannten Zweck brauchbar.

Vollbremsung, Kurvenfahrt und Spurwechsel zeigen Maximalwerte der Winkelbeschleunigungen von 0,5 s-2 oder weniger (3). Nur das Ausweichmanöver zeigt deutlich größere Werte von bis zu 1,3 s-2. Dabei ist aber zu beachten, dass diese hohen Winkelbeschleunigungen wegen der Phasenverschiebung durchweg zusammen mit verhältnismäßig kleinen Fliehkräften auftreten, so dass die wirksamen Querbeschleunigungen noch weit unter 0,5 g bleiben. Die Notwendigkeit eines größeren Wankfaktors wird dadurch kompensiert.

Rechnet man großzügig mit Winkelbeschleunigungen bis 1 s-2, so rechtfertigt dies einen Beschleunigungszuschlag für die Kippsicherung von 0,064 bis 0,115 g. In den überaus meisten Fällen von Vollbremsungen, Kurvenfahrten oder Spurwechseln würde jedoch die Hälfte davon ausreichend sein. Hier besteht noch Bedarf an Messungen in der Praxis.

Bild 9: Winkelbeschleunigungen von Nick- bzw. Wankschwingungen

Der neuere Entwurf der DIN EN 12195-1 (01/2009) verlangt zur Kippsicherung nicht standfester Ladungseinheiten nur die Annahme von 0,6 g als Querbeschleunigung, also einen Zuschlag von 0,1 g. In Längsrichtung des Fahrzeugs findet der Wankfaktor keine Anwendung.

Die Erkenntnis aus den vorstehenden Überlegungen lautet: Die Annahme von 0,1 g als angemessenen Beschleunigungszuschlag für die Kippsicherung kippgefährdeter Ladungseinheiten kann unterstützt werden. Der Zuschlag sollte jedoch auch für die Kippsicherung solcher Ladungseinheiten in Längsrichtung verwendet werden.


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