1  Untersuchung der Lastannahmen
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1.2 Kurvenfahrt

Bei einer engen Kurvenfahrt treten ähnliche Vorgänge auf wie bei einer Vollbremsung. In der stationären Phase der Kurvenfahrt ist die Ladefläche seitlich um einen Wankwinkel geneigt. Ein rascher Aufbau der Fliehkraft bis zu ihrem Maximalwert führt zu einer Wankschwingung mit Amplituden, die dem stationären Wankwinkel überlagert sind. Die ladeflächenparallele Querkraft auf die Ladung setzt sich daher zusammen aus:

  • Fliehkraftkomponente aus Kurvenfahrt,
  • Hangabtrieb infolge geodätischer Ladeflächenneigung,
  • Trägheitskraft infolge Tangentialbeschleunigung aus einer Wankschwingung.

Auch hier wird die von der Ladung auf die Ladefläche wirkende Normalkraft aus zwei Ursachen verringert, nämlich durch die infolge der Ladeflächenneigung

  • nach oben gerichtete Vertikalkomponente der Kurvenfliehkraft,
  • verringerte Normalkomponente der Gewichtskraft.

Bild 3: Kurvenfahrt mit ungünstiger Straßenneigung b

Anders als in Längsrichtung wird hier die Fliehkraft im geodätischen Bezugssystem horizontal angesetzt, also nicht parallel zur Straßenneigung. Somit hat die Straßenneigung durch den Hangabtrieb einen direkten Einfluss auf die Komponenten der Fliehkraft, die auf die Ladung wirken.

Bild 4: Kurvenfahrt auf ebener Straße mit 0,42 g Fliehbeschleunigung und
0,54 g maximaler Querbeschleunigung, maximale Wankamplitude = 5,8°.

Bild 4 zeigt die numerische Lösung der Bewegungsgleichungen über einen Zeitraum von 6 Sekunden. Die auf die Ladung wirkenden Kräfte sind in Einheiten von g umgerechnet dargestellt worden.

Die maximale Fliehbeschleunigung ist mit 0,42 g bewusst so gewählt worden, dass sich nach dem Abklingen der Wankschwingungen eine stationäre Querbeschleunigung von 0,50 g einstellt. Durch die erste Wankamplitude ergibt sich dadurch eine maximale Querbeschleunigung von 0,54 g. Dieser Wert wächst, wenn man die Schwellzeit verkürzt oder die Dämpfung der Wankschwingungen verringert.

Weitere simulierte Kurvenfahrten mit anderen Federwerten der Ladefläche sowie günstiger und ungünstiger Kurvenneigung der Straße zeigen vergleichbare Verläufe. Es lassen sich folgende, allgemeine Erkenntnisse ableiten:

  • Die allgemein akzeptierte Annahme einer Querbeschleunigung von 0,5 g zur Bemessung der Ladungssicherung gegen Rutschen zur Seite darf nicht so interpretiert werden, dass dieser Wert allein der Fliehkraft zugeschrieben werden dürfe. Vielmehr müssen zwischen 20 und 30% dieses Wertes dem Hangabtrieb aus Ladeflächenneigung und den Tangentialkräften aus überlagerten Wankschwingungen reserviert bleiben.
  • Die Ladeflächenneigung ist in stationärer Kurvenfahrt auch noch nach dem Abklingen der Wankschwingungen vorhanden und steuert knapp 20% zur Querbeschleunigung bei.
  • Die Querkraftzuschläge aus Hangabtrieb und Tangentialkraft haben nichts mit dem sogenannten Wankfaktor zu tun, der in der VDI Richtlinie 2700 Blatt 2 gefordert wird. Der Wankfaktor berücksichtigt dynamische Kippmomente, während die genannten Zuschläge im Schwerpunkt angreifende Kräfte sind.
  • In günstig ausgebauten Kurven (Straßenneigung zum Kurvenmittelpunkt hin) wird der Hangabtrieb durch die Straßenneigung teilweise kompensiert. Bei ungünstiger Straßenneigung tritt das Gegenteil ein.
  • Steifere Ladeflächenaufhängungen führen wie schon bei der Vollbremsung zu geringeren Wankwinkeln und damit zu einer Annäherung der Querkräfte an die reinen Fliehkräfte.
  • Langsameres Einleiten der Kurvenfahrt mit Schwellzeiten deutlich über zwei Sekunden lassen die überlagerten Wankschwingungen bei ausreichender Dämpfung bedeutungslos werden, weil die anfänglichen Amplituden in den Bereich der noch ansteigenden Fliehkraft fallen.
  • Die Normalkraft aus einer betrachteten Ladungseinheit ist größenordnungsmäßig um 5% verringert. Das wirkt sich sowohl auf die Reibung als auch auf die Standfestigkeit negativ aus.


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