I Einführung


Das Problem der See- und Ladungstüchtigkeit ist bereits alt. Hier ein Auszug aus einem Buch eines englischen Kaufmannes von 1622, indem es, übersetzt, heißt:

    "Die Personen auf einem Schiff müssen wie folgt ordnungsgemäß sein, obwohl sie in verschiedenen Sprachen verschiedene Namen haben, sind sie doch alle vom gleichen Zweck. Der Kapitän des Schiffes, der Lotse, der erste Offizier, der Zimmermann, der Bootsmann, der Zahlmeister, der Chirurg, der Koch und der Schiffsjunge. Der Rest kommt unter den Namen Seemänner, alle diese unterscheiden sich in Heuer und Gebühren in allen Ländern. Der Master unternimmt es also durch eine Charterparty einen ausreichenden Lotsen und alle die anderen genannten Offiziere und Seeleute zu finden, Masten, Segel, Seile, Taue, Anker und Feuer, Salz, Wasser und alle anderen notwendigen Dinge auf seine Kosten bereitzustellen."

Und dann heißt es später noch

    "und es zählt als Schuld des Kapitäns, wenn er das Schiff in die See bewegt, entweder ohne einen geschickten Lotsen, oder ohne ausreichende Ausrüstung und Notwendigkeiten nach den üblichen Klauseln der Charterpartie."

In einem solchen Fall entgeht dem Kapitän auch der Versicherungsschutz, wie es später im Text heißt.

Was zeigt uns also dieser knapp 400 Jahre alte Text? Er stellt klar, dass es nicht ausreichend ist, wenn der Kapitän einfach ein im Wasser schwimmendes Schiff für den Transport zur Verfügung stellt. Er hat darüber hinaus dafür zu sorgen, dass das Schiff ausreichend bemannt und ausgerüstet ist. Tut er dies nicht, so entgeht ihm, falls das Schiff oder die Ware verloren geht, der Versicherungsschutz; das war vor 400 Jahren so und hat sich seitdem nicht mehr grundsätzlich geändert.

Eigentlich ist die Anforderung, ein Schiff zum Transport einzusetzen, dass den Anforderungen der Reise gewachsen ist, selbstverständlich. In den Frühzeiten des Seehandels verstand sich dies von selbst, da die Kaufleute die eigenen Waren auf dem eigenen Schiff transportierten und diese Waren bei der Seereise begleiteten. Dementsprechend stellten die Kaufleute zu ihrem eigenen Schutz sicher, dass das Schiff möglichst gut auf die Reise vorbereitet war. Im Laufe der Jahrhunderte differenzierten sich die Rollen im Seehandel jedoch weiter aus.

Die tatsächlichen Probleme sind in der Seefahrt weltweit dieselben: Wind, Wellen und Piraten unterscheiden nicht nach der Nationalität. Gleiche Probleme führen zu ähnlichen Lösungen, so dass sich die Kaufmannsbräuche im Mittelalter weiter und weiter ausbreiteten und zu weltweit recht einheitlichen Gesetzen und Regelungen führten. Auf deren Basis war es dann Anfang des 20. Jahrhunderts möglich, internationale Konventionen zu schaffen, die mittlerweile fast allgemein gültig geworden sind. Im Text wurden eben schon die Hager-Regeln genannt, auf diese wird später noch zurückzukommen sein.

Daraus folgt, dass die Ausführen zur See- bzw. Ladungstüchtigkeit nicht nur für das deutsche Recht, sondern auch in wesentlichen Teilen für bspw. das englische Recht gelten. Denn das Seerecht ist in wesentlichen Teilen kodifizierter, also in Gesetzesform gegossener, Handelsbrauch.

Im Laufe der Zeit kam es zu einem erheblichen Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Schiffseigentümers und denen der Ladungseigentümer. Während der eine daran interessiert war, möglichst geringe Ausgaben für den Unterhalt des Schiffes tätigen zu müssen, kam es dem anderen darauf an, dass das Schiff möglichst sicher war. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts war die Entwicklung soweit gediehen, dass die Schiffseigentümer sich im weiten Umfang von jeglicher Haftung in den Frachtverträgen freizeichneten. Damit war die Haftung vertraglich ausschlossen. So heißt es in einem juristischen Lehrbuch von 1929:

    "Schon seit dem Mittelalter werden durch die Frachtverträge und Konnossemente die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten in besonderer Weise vertragsmäßig geregelt. Der Schwerpunkt liegt dabei in den so genannten Freizeichnungen, durch welche der Reeder von seinen gesetzlichen Pflichten mehr oder weniger entbunden wird. Unter den Freizeichnungen aber kommen in erster Linie diejenigen in Betracht, welche die Haftung für Verlust und Beschädigung des Gutes betreffen. Der beherrschende Einfluss des englischen Seefrachtverkehrs hat sich dabei in der neuen Zeit unheilvoll bemerkbar gemacht. Die Freizeichnungen gehen weit über das zulässige Maß hinaus. Die Befrachter müssen sich Ihnen unterwerfen, da sie der mächtigen Interessengruppe der großen Reedereien nicht gewachsen sind."

Es heißt später,
    "Es wird stets für Nordamerika ein Ruhmesblatt in der Rechtsgeschichte sein, dass es hier durch seine Gesetzgebung eingeschritten ist, durch die so genannte Harter Act vom 13. Februar 1893 und die Revised Administration Shipping Bill vom 17 September 1916. Seitdem sind unablässig Bestrebungen zu einer internationalen Regelung im Gange gewesen, welche endlich zu einem internationalen Abkommen geführt haben, welches aber noch nicht ratifiziert worden ist; die so genannten Hager-Regeln.
    Der Grundgedanke ist folgender: Zwangshaftung des Reeders für die Seetüchtigkeit des Schiffes und sorgfältige Ladungsbehandlung (kommerzielles Verschulden), keine Haftung des Reeders für das nautische Versehen seiner Schiffsbesatzung (nautisches Verschulden)."

Diese Unterscheidung zwischen nautischem und kommerziellem Verschulden wird uns noch mehrfach begegnen.



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