Gefahrenabwehr in der Seeschifffahrt –
Auswirkungen auf das Transportmittel Schiff
Vortrag von Herrn Dietrich Dabels, Verband Deutscher Reeder


Mit dem 11.09.2001 wurde nicht nur die Erkenntnis gewonnen, dass ein Staat, ungeachtet seiner militärischen Stärke, durch Terrorismus verwundbar ist, sondern auch eine weltweite neue Sicherheitsdoktrin ausgelöst. Während zuvor im Luftverkehr Schutzmaßnahmen gegenüber Flugzeugentführungen und im Seeverkehr ähnliche Maßnahmen im Bereich der Kreuzfahrtschifffahrt sowie im Bereich besonderer Gebiete gegenüber der Piraterie getroffen wurden, wurde nun ein Gefahrenabwehrsystem entwickelt, das vollkommen auf die Schifffahrt als Garant zur Vermeidung von terroristischen Übergriffen setzt.

Die USA stellten die Weltgemeinschaft vor die Wahl, entweder ihren Forderungen und Vorstellungen hinsichtlich eines terroristischen Bekämpfungsregime nach zu kommen oder sie würden einseitige Maßnahmen treffen. Die International Maritime Organisation hat darauf Ende 2001 einen Vorschlag der USA aufgenommen und diesen zum heutigen ISPS-Code weiter entwickelt. Um nun innerhalb kürzester Zeit internationale Regelungen global implementieren zu können, hat sich die IMO den SOLAS-Vertrag zu Nutze gemacht und via der SOLAS die neuen Gefahrenabwehrmaßnahmen zum 12.12.2004 verabschiedet.

Neu und beinahe revolutionär ist die Ausdehnung des SOLAS Geltungsbereiches auf landseitige Teilbereiche. SOLAS ist ein internationaler Schiffsicherheitsvertrag und kein Regelwerk für den Bereich der Häfen. Mit der neuen Regel SOLAS XI-2, erfolgt jedoch eine Einbeziehung jener Hafenanlagen, die eine Schnittstelle zwischen Schiff und Hafen bilden. In welcher Art und Weise die Schnittstelle zu definieren ist, obliegt den einzelnen Hafenstaaten.

Mit den Gefahrenabwehrmaßnahmen wird die Zielvorstellung verfolgt, dass das Transportmittel Schiff nicht zum Träger terroristischer Aggression missbraucht werden kann und somit kein Terrorist das Schiff als Waffe oder als Transportmedium für Waffen verwendet. Damit dieses Ziel erreichbar wird, ist eine Einbeziehung der Schnittstelle zur landseitigen Ladungsumschlaganlage notwendig. Die wesentlichen Maßnahmen liegen im Bereich der Zugangs- und Ladungskontrolle. Während die Zugangskontrolle zumeist physisch erfolgt, wird die Ladungskontrolle in den Häfen mehr oder weniger durch eine Papierkontrolle abgedeckt.

Die Kontrollmaßnahmen sind vielschichtig und binden mehrere Personen und Organisationen ein, wie privates Wachpersonal, Terminalmitarbeiter, Besatzungen und Behörden. Zugangskontrollen finden zum Einen an Bord der Schiffe, aber auch im Eingangsbereich der Hafenanlage sowie innerhalb der wasserseitigen Hafenflächen statt.

Neben den genannten Maßnahmen sind Weitere zu implementieren, die sich aus einer durchzuführenden Risikobewertung ergeben. Kerninstrumente der Gefahrenabwehrmaßnahmen sind Risikobewertung und Gefahrenabwehrplan. Während die Risikobewertung die Art und Weise, aber auch die Intensität der Abwehr erkennbar macht, beschreibt der Gefahrenabwehrplan die Umsetzung der zuvor herausgefundenen Maßnahmen. Der Gefahrenabwehrplan legt zu dem Verantwortlichkeiten innerhalb der Hafenanlage und der Schifffahrtsunternehmen fest, so dass durch klare Strukturen auch klare Kompetenzabgrenzungen hergestellt werden.

Damit die in der SOLAS beschriebenen Gefahrenabwehrmaßnahmen inhaltlich gebührend umgesetzt werden können, bedarf es einer Reihe von Kompetenzträgern, d. h., geschultes Personal. Drei Funktionsträger sind eingeführt worden und zwar diejenigen, die für eine sachgerechte Aufrechterhaltung der Maßnahmen erstrangig verantwortlich sind. Auf dem Schiff gibt es zukünftig den Ship Security Officer (SSO) und in dem Schifffahrtsunternehmen den Company Security Officer (CSO). Als Pendant in der landseitigen Hafenanlage wurde der Portfacility Officer (PFSO) eingeführt.

Neben der Ausbildung dieser drei Personengruppen, wird es als Notwendigkeit erachtet, dass sämtliches Personal, das in irgend einer Weise mit dem Ladungsumschlag und -transport beschäftigt ist, einer Sensibilisierung unterzogen wird. Neben diesen operativen Maßnahmen wurden auch technische Anforderungen verpflichtend, wie beispielsweise ein weltweit operierendes Alarm- und Schiffserkennungssystem.

Erst seit dem Sommer 2003 waren in Deutschland die Unternehmen soweit in die Lage versetzt worden, dass sie ihre Risikobewertungen aufnehmen und ihre Gefahrenpläne erarbeiten konnten. Ein früherer Termin war aufgrund fehlender behördlicher Strukturen nicht möglich. Auch mussten erst einmal Handlungsleitfäden geschaffen werden, nach denen sich die Unternehmen richten konnten. Mit dem Beginn des Jahres 2004 fanden dann die ersten Gefahrenabwehr-Planprüfungen und Anerkennungen statt, wobei das Gros der Pläne zum jetzigen Zeitpunkt ansteht.

Anders als den Hafenanlagen, obliegt es den Schifffahrtsunternehmen, ob sie ihre Risikobewertungen und die Erstellung ihrer Gefahrenabwehrpläne selber durchführen oder extern bearbeiten lassen. Auf jeden Fall sind innerhalb der vergangenen Monate erhebliche Aufwendungen generiert worden, die sich zum Ende dieses Jahres auf ca. EUR 55 Mio. belaufen werden.

Neben einer Vielzahl anderer Probleme, die hier noch kurz angezeigt werden, ist auch die Insellösung innerhalb der sogenannten "Supply Chain" zu betrachten.

Es ist augenscheinlich, dass die Zielvorstellung "Vermeidung terroristischer Aktivitäten im Zusammenhang mit Verkehrsträgern" nur dann erreicht werden kann, wenn diese vom Anfang der Beförderungskette an verfolgt wird. Diese Gesamtbetrachtung ist nicht gegeben, jedenfalls nicht zur Zeit. Hinsichtlich internationaler Gefahrguttransporte sind entsprechende UN-Vorschläge erarbeitet worden, die auch ab dem 01.01.2005 Eingang in die einschlägigen Vorschriften finden werden. Ausgespart ist bislang jeder andere Transport von Gütern, wenn er nicht per See oder mit dem Flugzeug durchgeführt wird. Die EU-Kommission hat zur Abdeckung dieser Lücke ein Diskussionspapier herausgegeben, mit dem, unter Einbeziehung der betroffenen Wirtschaftskreise, ein Gefahrenabwehrsystem für die gesamte Beförderungskette entwickelt werden soll. Aus Sicht des Verbandes Deutscher Reeder ist diese Diskussion nicht nur wertvoll sondern auch zwingend erforderlich.


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Welche Probleme stellen sich nun der Seeschifffahrt, die kurz vor dem 01.07.2004 steht und nach diesem Datum die IMO-Maßnahmen umgesetzt haben muss?

Es sind im Wesentlichen zwei generelle Problembereiche. Einmal die personelle Ausstattung der verantwortlichen Behörden und zum Anderen die Umsetzungsaktivitäten der Häfen. Die deutsche Seeschifffahrt kann mit Fug und Recht von sich sagen, dass sie ihren Job gemacht hat. Der Mangel liegt an den nicht ausreichenden personellen Ressourcen seitens der prüfenden Institutionen. Durch die Kurzfristigkeit in der Umsetzung, kommt eine Antragsflut an zu prüfenden Gefahrenabwehrplänen auf einen sehr engen Zeitraum zu, für den dann kein entsprechendes Gegengewicht gestellt werden kann. Doch was passiert mit den Schiffen, die alles umgesetzt, d. h., die ausgebildet, die zusätzliche technische Einrichtungen angeschafft und die erhebliches Kapitel aufgewendet haben, wenn sie nicht rechtzeitig zertifiziert werden?

Einsatzverbot im internationalen Handelsverkehr!

Der zweite Bereich bezieht sich auf einen lückenlos sicheren Handelsweg. Dadurch, dass Schiffe einem Hafen nachweisen müssen, in welchen der letzten 10 Häfen sie zuvor gewesen waren, kommen gravierende Hindernisse auf, sollte nämlich einer dieser Häfen nicht die SOLAS-Anforderungen erfüllt haben. Zur Zeit wird im Rahmen der IMO eine Datenbank errichtet, die widerspiegelt in welchen Ländern die Gefahrabwehrregelungen erfüllt werden und wo nicht. Diese Datenbank füllt sich allerdings nur schleppend und es ist nicht ersichtlich, ob nach dem 01.07.2004 alle Häfen den Anforderungen entsprechen werden. Letztlich wird es vermutlich dazu kommen, dass bestimmte Häfen nicht mehr angelaufen werden, insbesondere dann, wenn der Zielhafen in den USA liegt. Doch auch Hafenstaaten, die seitens IMO unbedenklich sind, können als unsicher eingestuft werden und zwar dann, wenn sie in einer US-Kontrolle nicht ausreichend nachweisen können, dass die getroffenen Maßnahmen ausreichend sind. Die US Coast Guard baut gegenwärtig Kontroll-Kommandos auf, die Häfen begutachten werden, die für die Vereinigten Staaten von Relevanz sind.

Letzte internationale Umfragen belegen, dass die Seeschifffahrt ihren Verpflichtungen hinsichtlich der Risikobewertungen und der Ausbildung von verantwortlichem Personal zu 100% nachkommen wird. Eine erfolgreiche Erstellung von Gefahrenabwehrplänen wird nahezu abgeschlossen werden, aber eine Zertifizierung, d. h., eine Verifizierung der Maßnahmen an Bord der Schiffe, ist – aus den bereits genannten Gründen – mit einem Fragezeichen zu versehen.

Generell stellen sich abschließend Fragen, wie:

Wer übernimmt die Kosten bei Schiffsausfällen nach dem 01.07.2004?
Können Charterer das Einlaufen in nicht zertifizierte Häfen verlangen?
Was passiert, wenn
die Umlaufzeit eines Liniendienstes durch eine in der Gefahrenabwehr begründeten Verzögerung erheblich verlängert wird und nachhaltig negativ auf die weiteren logistischen Verbindungen Einfluss nimmt?
Was passiert mit dem Schiffspersonal, wenn dieses als gefährlich eingestuft wird?
Wer trägt die zusätzlichen Kosten für einen erhöhten Dokumentationsbedarf?

Es stellen sich aber auch Fragen wie: Wie kann ich mein Risiko abdecken? Ist es noch versicherbar?

Dieses Jahr – insbesondere der Sommer – wird interessant werden, denn nur die Praxis wird zeigen können, inwieweit die Gefahrenabwehrmaßnahmen greifen und inwieweit sie Komplikationen hervorrufen.

VDR
D. Dabels
(10.05.2004)





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