Phänomen "Tigerkidnapping" – Schadenbild und Versicherungslösungen

Vortrag von Herrn Peter Bensmann, Hansekuranz Kontor GmbH & Co. KG, Münster



Inhaltsverzeichnis


 Hansekuranz Kontor und ihre Produkte

 Tiger Kidnap

 Prävention

 Global Protect Versicherungsschutz

 Krisenmanagement







Hansekuranz Kontor und ihre Produkte

Die Hansekuranz Kontor ist ein Assekuradeur mit dem Spezialgebiet Krisenmanagement. Die folgenden vier Produkte werden angeboten:




HK Global Protect ist eine Lösegeldversicherung.

HK Global Sea Protect versichert Risiken der Piraterie (heutzutage meist Schiffsentführungen durch schwerkriminelle Täter mit Lösegeldforderung).

HK Deviation Protect ist eine "Umleitungsversicherung", die greift, wenn der Kapitän eine Umleitung fahren muss, z. B. aufgrund einer Erkrankung eines bewaffneten Mitglieds des Sicherheitspersonals.

ERGO Spezialschutz Balance Protect versichert traumatische Ereignisse. Kernstück ist die sehr kurzfristige Bereitstellung von sog. Akut-Trauma-Psychologen nach einem versicherten Ereignis.


Das Produkt Global Protect versichert auch Schäden, die durch Tiger Kidnap entstehen.




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Tiger Kidnap

Der Begriff Tiger Kidnap hat insofern mit einem Tiger zu tun, als dass sich Täter sozusagen anschleichen, das Opfer beobachten und dann im passenden Moment zuschlagen. Im Prinzip ist Tiger Kidnap die klassische Entführung, um Lösegeld zu erpressen.

Weltweit sind verschiedene Arten von Entführungen zu verzeichnen, von denen Tiger Kidnap nur einen Teil darstellt. Dazu gehören:

Entführung
Express Kidnap – Express-Entführungen in Großstädten, bei denen das Opfer 24 Stunden festgehalten wird und dann wieder freigelassen wird. Die Täter tragen sehr häufig Polizeiuniformen, sind bewaffnet und nehmen die Brieftasche bzw. Wertsachen des Opfers an sich. Dabei zwingen sie das Opfer, die PIN ihrer Kredit- und EC-Karte herauszugeben.
Virtuelles Kidnap – dabei wird das Opfer nicht wirklich entführt, sondern unter einem Vorwand für einen bestimmten Zeitraum weggelotst. Gegenüber den Kollegen/Partnern/Familienmitgliedern wird aber eine Entführung behauptet, um schnell Lösegeld zu erpressen. Der "Entführte" kommt nach einiger Zeit zurück und wundert sich über die Aufregung.
Räuberische Erpressung
Freiheitsberaubung
Tiger Kidnap / Häusliche Entführung


Tiger Kidnap kommt auch im Valorenbereich vor. Dabei wird beispielsweise ein Juwelier gezwungen, dem Täter Ware aus dem Tresor auszuhändigen, da seine Frau entführt wurde und bedroht wird.


Die globale Risikolage solcher Entführungen wird auf Risikokarten dargestellt:




Statistische Aussagen zu Entführungen, speziell im Valorenbereich, sind rar. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) unterteilt die Fälle in verschiedene Kriminalitäten bzw. Delikte (Erpressung/Freiheitsberaubung/Bedrohungen) in Deutschland:




Zwischen 2010 und 2012 ist jeweils eine Steigerung zu verzeichnen. Betrachtet man nur die Erpressungen (Bedrohung kombiniert mit einer Forderung), so sind allein im Jahre 2012 9920 Fälle zu verzeichnen.

Auf die räuberische Erpressung heruntergerechnet, ergeben sich folgende Zahlen für 2012. Die Juweliere sind Bestandteil der ersten Gruppe (erste Säule) "Zahlstellen/Geschäfte":




Wohnungen sind ebenfalls von Tiger Kidnap betroffen, die HK spricht in dem Fall von häuslicher Entführung. Diese kommt besonders im Bankgewerbe vor, wo häufig Familienmitglieder von z. B. Bankdirektoren entführt werden.


Unterschied Kidnap vs. Tiger Kidnap

Der Unterschied kann wie folgt zusammengefasst werden:

Kidnap:
Entführung einer Person mit dem Ziel, eine Forderung durchzusetzen
Tiger Kidnap:
Entführung einer Person oder eines wertvollen Gegenstandes, die zum Erpressen einer Handlung von einer dritten Person auf Weisung des Täters dient




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Prävention

Opferprofil und Konsequenzen

Zum Schutz vor Kidnap/Tiger Kidnap ist das Hauptaugenmerk auf die Prävention zu legen.

Nicht jeder Juwelier stellt ein ideales Opfer für einen Täter dar. Interessant sind für die Täter diejenigen Juweliere, die Zugang zu den Wertgegenständen haben und Familienangehörige oder andere ihnen sehr nahestehende Personen haben.

Versetzen in die Täterperspektive – Opferprofil:

– Ein Opfer mit Zugang zu Wertgegenständen
– Ein Opfer mit nahen Familienangehörigen
– Die Polizei darf nicht über den Sachverhalt informiert werden
Vorbeugemaßnahmen müssen also im privaten und beruflichen Bereich getroffen werden.


Im privaten Bereich (zu Hause) sollten folgenden Vorbeugemaßnahmen beachtet werden:

Identifizieren Sie Besucher, bevor Sie die Tür öffnen
Lassen Sie die Fenster geschlossen
Ziehen Sie die Vorhänge zu, bevor Sie nachts Licht anmachen
Zäune und Hecken am Vordereingang sollten niedrig (Überblick), am Hintereingang hingegen hoch sein (Privatsphäre)
Behalten Sie junge Kinder im Blick
Informieren Sie Personen, die Kinder beaufsichtigen, über das Risiko
Licht kann abschrecken!

– Nutzen Sie timer- oder sensorgesteuerte Lichter
– Lassen Sie ein Alarmlicht an der Eingangstür an
– Halten Sie Taschenlampen bereit
Kontrolle über die Schlüssel ist unverzichtbar:

– Erlauben Sie keine Duplikate ohne Ihre Zustimmung
– Wenn ein Schlüssel verloren geht, wechseln Sie das Schloss
– Verstecken Sie niemals einen Schlüssel draußen (Fußmatte, Blumentopf usw.)

Tiger Kidnap findet fast ausnahmslos abends (nach Feierabend), nachts oder an Wochenenden bzw. Feiertagen statt.

Viele der oben aufgeführten Maßnahmen sind allgemein bekannt, dennoch werden sie leicht vergessen. Krisenmanagement und Prävention beginnen im Kopf und verlangen auch keinen finanziell hohen Aufwand.

Ein Juwelier sollte nach Möglichkeit niemals den gleichen Weg zur Arbeit nehmen. Sein Handeln sollte möglichst wenig kalkulierbar sein.

Vorsicht ist auch bei der Ankunft an Flughäfen geboten, wenn sich der Handelsreisende abholen lässt. Der bestellte Taxifahrer oder Fahrdienst-Mitarbeiter steht dann mit einem Namensschild am Ausgang. Täter nutzen dies bisweilen aus: Sie überfallen zuvor den Abholer und stellen sich mit dem entwendeten Schild an den Ausgang, das Opfer steigt daraufhin ahnungslos ins Fahrzeug wird dann entführt.

Die einfachste Vorbeugemaßnahme ist in diesem Fall die Vereinbarung eines Codeworts mit dem Abholer.

Weitere Tipps für das Verhalten auf Reisen/Dienstreisen, speziell im Ausland:

Vermeiden Sie in Hotels Zimmer über dem 6. Stock, denn Feuerleitern reichen in der Regel nur bis zum 6. Stock.
Vermeiden Sie Zimmer, die nach vorne rausgehen. Terroristische Angriffe auf Hotels werden nie von hinten durchgeführt, da seitens der Täter Medienwirksamkeit gewünscht wird.
Lassen Sie sich immer zwei Zimmerschlüssel/-karten geben. Sonst verbleibt in vielen Hotels die andere Schlüsselkarte beim Empfang/Portier, was sich Täter zunutze machen können. Unter einem Vorwand erbitten sie dann den Schlüssel, um z. B. "mal eben" ein Geschenk o. ä. im Zimmer zu hinterlassen. Zumindest in manchen Ländern funktioniert dieser Trick spätestens dann, wenn der Täter dem Portier ein großzügiges "Trinkgeld" anbietet. Sind aber bereits zwei Karten ausgestellt, bekommt der Portier eine Meldung vom System und muss nachfragen.

Wer oft in Krisenländern unterwegs ist, sollte bestimmte Dinge für den Ernstfall zuvor festlegen. Die HK hat Fragebögen entwickelt, die ausgefüllt und im Safe oder an einem sicheren Ort im Büro zu anderen wichtigen Sicherheitsdokumenten gelegt werden sollten. In diesem Fragebogen werden z. b. auch regelmäßig benötigte Medikamente eingetragen. Im Falle einer Entführung muss der Entführer davon wissen, denn er hat wenig Interesse an einer toten Geisel.

Ebenso wird nach internationalen Familienverhältnissen gefragt, und auch nach einem festgelegten Sprecher in der Familie, der im Entführungsfall als Vermittler dienen soll.

Bei einer Entführung wird immer ein Lebenszeichen des Entführten gefordert. Daher sollten in dem Dokument mehrere private "Sicherheitsfragen" und die dazugehörigen Antworten hinterlegt werden, wie z. B. die Lieblingsband als Zwölfjähriger. Im Entführungsfall kann dann die Polizei/Familie vom Täter diese Antworten verlangen, die dieser aber nur vom (lebenden) Opfer erfahren kann. Zudem weiß das Opfer dann, dass sich jemand um seinen Fall kümmert.


Verhalten im Ernstfall

Konsequenzen des Handels abwägen
Nahestehende können über vorher abgesprochene Passwörter über die Lage informiert werden
Aufmerksamkeit können Sie durch Variation der Sie/Du Verwendung erreichen. Wenn das Opfer auf Befehl des Entführers im Juweliergeschäft anruft, um z. B. Geld/Schmuck aus dem Tresor zu holen, und dabei seine Mitarbeiter siezt (statt wie gewöhnlich duzt), werden diese hellhörig. Dieses Verfahren sollte mit den Mitarbeitern zuvor abgesprochen sein.
Nicht den Helden spielen!
Folgen Sie den Anweisungen – Wertgegenstände sind ersetzbar, Menschenleben nicht!
Wenn es hilfreich erscheint, die Polizei einschalten.




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Global Protect Versicherungsschutz

Die HK bietet mit dem Produkt Global Protect eine Lösegeldversicherung. Auslöser dieses Schutzes sind:

Entführung (erpresserischer Menschenraub)
Freiheitsberaubung
Erpressung, gegenüber

– Personen
– Sachen/Sachwerten
– Vermögenswerten


Zur Erinnerung: Eine Erpressung besteht immer aus einer Drohung und einer Forderung. Tiger Kidnap stellt gemäß dieser Definition eine Erpressung dar.

Global Protect – versicherte Kosten:

Ersatz von Lösegeld inklusive:

– Sachwerten
– Vermögenswerten
Psychologische und ärztliche Behandlung (Opfer, aber ggf. auch Familienangehörige)
Lohnfortzahlungen für das Opfer
Gehälter für Ersatzpersonal (Auch nach der Freilassung kann das Opfer meist nicht umgehend wieder arbeiten)
Überstunden
Kosten für zusätzliche Sicherheitskräfte
Honorare für Dolmetscher (Täter sprechen nicht unbedingt deutsch)
Reisekosten
Tod / Invalidität
Belohnungen
Betriebsunterbrechung
Bedrohungskosten




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Krisenmanagement

Noch einmal: Krisenmanagement beginnt im Kopf. Ein großer Teil ehemaliger Opfer sagt hinterher: "Ich hatte ein schlechtes Gefühl." Leider hatten sie dieses Gefühl aber nicht ernst genommen. Daher: Hören Sie auf Ihr Gefühl! Nehmen Sie auch Gefühle von Kindern ernst!

Bestimmte Verhaltensweisen und Situationen in einem Entführungsfall lassen sich auch trainieren.

Unter Umständen haben Sie es in einem Entführungsfall mit weiteren "Gegnern" neben dem Täter zu tun. Dies kann die Öffentlichkeit (Presse/Medien) sein, in manchen Ländern mit viel Korruption bisweilen auch die Polizei. Zudem kann die Polizei u. U. auch andere Interessen haben als das Opfer und dessen Angehörigen. Während letztere zu allererst das Opfer wohlbehalten zurückhaben möchten, will die Polizei u. U. primär den Täter fassen. Aus diesen Gründen ist ein Krisenstab, der mit verschiedenen Kompetenzen besetzt ist, notwendig und hilfreich.

Das Krisenmanagement umfasst folgende Punkte:



  Prävention     Notfallhilfe     Nachbereitung
Ausführliche Beratung Sicherheits- und Lagezentrum mit 24h-Hotline, Erreichbarkeit 365 Tage Freund-Feind-Analyse
Entwicklung bzw. Überarbeitung eines individuellen Konzeptes Koordination mit der Polizei / den Behörden Revision der Konzepte
Realisierung des Maßnahmenkataloges bzw. Krisenplanes Sofortreaktion der Berater auch im Ausland    
Ausbildung und Coaching der Beteiligten folgen im 2. Step        


Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Tiger Kidnap leider eine zunehmende Rolle in der Kriminalität spielt. Die Prävention und das Beachten sowie Umsetzen von Sicherheitsmaßnahmen stellen wirksame Gegenmaßnahmen dar. Krisenmanagement und Prävention beginnen im Kopf!





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