Laderaummeteorologische Untersuchungen und Beratungen des Deutschen Wetterdienstes

Vortrag von Herrn Rolf-Werner Baak, Deutscher Wetterdienst, Geschäftsfeld Seeschiffahrt, Hamburg

Stichwortverzeichnis

Seewarte, Seewetteramt   Ventilierte Container
Extremwerte   Schweißwasserschäden
Meßkampagne   Lüftungsberatung
Hygroskopische Ladungen   Temperaturen
Feuchte, Taupunkt   Heizfläche
klimatologische Angaben   Route Nordatlantik
Gefahrenzonen   Kondenswasser (Containerschweiß)
Standard-Container   Eisbildung
Route China – Europa   Ladungsschweiß





Seit den 30er Jahren wird das Problem der Schadenverhütung beim Überseetransport auch vom Wetterdienst als Herausforderung verstanden. Von der damaligen Seewarte wurden verschiedene Meßreihen auf Reisen in alle Welt gesammelt, physikalische Zusammenhänge erkannt und allgemeine Empfehlungen ausgearbeitet. Sie bildeten die ersten wissenschaftlich gesicherten Grundlagen der Schadenverhütung und gingen als Bestandteil des Lehrfachs Meteorologie in die nautische Ausbildung ein.

Historie
Abbildung 1
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist diese Tradition vom Deutschen Wetterdienst, Seewetteramt Hamburg, wiederbelebt worden. Damit wurde Deutschlands Export-Boom der 50er und 60er Jahre unterstützt. Veröffentlichungen aus dieser Zeit, die vielfach heute noch Gültigkeit haben, tragen die Namen Macht, Bullig und Höller, später kamen Grünewald, Zöllner, Puls und Cuno hinzu. Für Interessenten historischer Daten, die sich auf den Standort Hamburg beziehen, habe ich eine Tabelle zusammengestellt (siehe Abbildung 1).


Ende der 60er Jahre wurde der Container in die Transportkette eingeführt. Die Idee des geschlossenen Behälters von Haus zu Haus hatte viele Vorteile – die meteorologisch bedingten Probleme bei einigen Warengruppen nahmen aber eher zu als ab. Die Ursachenerforschung ging weiter, insbesondere im Zuge einer immer umfangreicher werdenden Spezialisierung der Verladungen.

Konventionelle, d. h. nicht containerisierte Verschiffungen gibt es nach wie vor. Geändert haben sich Art und Mengen der Transportgüter, ihre Fahrtgebiete und die Schiffsgrößen und -geschwindigkeiten, um hier nur die wichtigsten Faktoren zu nennen.

Nicht geändert haben sich die meteorologisch bedingten Gefahrenzonen: Zum Beispiel Hitze im Roten Meer, kaltes Auftriebswasser an verschiedenen Küsten, die kräftigen Gegensätze einiger Strömungssysteme; beispielsweise Golf- und Labradorstrom. Wir wollen die innerkontinentalen Strecken nicht vergessen: Die Extremwerte von Hitze oder Kälte liegen dort! Bei Betrachtung der gesamten Transportkette können also eine Vielzahl von Belastungen zusammenkommen. Grund genug, sich mit dem Thema hier und heute zu beschäftigen.

Wenden wir uns zunächst einzelnen Elementen zu und klären einige Begriffe und Einflüsse, die zu Schäden führen können.

Beim Begriff der Temperatur müssen wir als erstes klären, welche Größe gemeint ist. Allgemein wird damit die Lufttemperatur in Verbindung gebracht, also der im Schatten gemessene Wärmezustand der freien Atmosphäre, hier auf 2m über Grund bezogen. Diese Spezifikation zeigt bereits, daß es außerdem noch andere Temperaturbegriffe gibt. Die Wassertemperatur zum Beispiel, die sich auf die obere Schicht eines Gewässers bezieht sowie die Bodentemperatur, welche 5cm über dem Erdboden gemessen wird. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Erdbodentemperatur in verschiedenen Tiefen, die für die Landwirtschaft von Bedeutung ist. Insbesondere für den Transportsektor wichtige Temperaturen sind zum Beispiel die Oberflächentemperatur von Behältern, Decksteilen oder Ladungen und die Innentemperaturen im Luftraum von Containern, Lade- oder Lagerräumen.

So verwirrend die Begriffe zunächst sein mögen, ihre Unterscheidung ist eine Voraussetzung für eine effektive Beurteilung. Die genaue Kenntnis von Außen- und Innentemperaturen und ihrer jeweiligen Feuchtegrößen in Bezug auf die Ladungstemperatur ist z. B. ein Entscheidungskriterium für Lüftungsmaßnahmen bei konventioneller Verschiffung. Wir kommen später noch darauf zurück.

Als nächstes wird oft die Frage nach den Extremwerten gestellt. Meist interessieren die maximalen Temperatur-Werte, die zum Beispiel auf einer Reise von Europa nach Fernost auftreten können.

Doch welche Größe ist nun gemeint?

Oft stellt sich heraus, daß sich die Frage meist auf die Warentemperatur selbst bezieht, oder es wird unterstellt, daß die Bedingungen von außen ebenso für innen gelten. Ein Irrtum, wenn folgende Punkte in die Überlegung mit einbezogen werden:

Steht der Container an jener Deckseite, auf der die Sonne direkt einstrahlen kann?
Fährt das Schiff den Wind aus?
Können Unterdeckverladungen garantiert werden?
Wie sieht es mit Zwischenhäfen und an Umladestationen aus; Lagerung im Freien oder in der Halle?
Wie lange dauern Abfertigungszeiten?

Viele Fragen, die sich alle auf mögliche Temperaturbelastungen während einer einzigen Verschiffung auswirken. Meist ist es sinnvoller, die Frage umgekehrt zu stellen:

"Meine Farben dürfen nicht wärmer als 35°C werden, kann ich sie ganzjährig nach Nordamerika versenden?"

Solche Aussagen sind nur möglich, wenn es Meßreihen gibt, die für Vergleichszwecke herangezogen werden können. Umfangreiche Untersuchungen an Standard-Containern hat der Deutsche Wetterdienst in den Jahren 1987 bis 1992 durchgeführt. Dabei wurden Belastungsprofile über lange Zeiträume aufgenommen und ausgewertet. Unterschiedlicher Anstrich, mal braun, mal weiß, und verschiedene Beladungen zeigten interessante Ergebnisse.

So erreichte die Dachtemperatur eines weißen Containers an einem windschwachen Strahlungstag im Hochsommer Werte um 42°C, während an einem vergleichbaren Tag beim braunen Anstrich über 53°C gemessen wurden (Stundenmitteltemperatur). Die höchsten Außentemperaturen lagen bei 29°, bzw. 28°C (Stundenmittel der Lufttemperatur). Für den Innenraum werden die Temperaturbedingungen im wesentlichen durch die frei disponierten Außenflächen wie Dach und Wände geprägt, die als Heizflächen dienen: An ihnen erfolgt die Umwandlung kurzwelliger Sonnenstrahlen in langwellige Wärmestrahlen. Es liegt auf der Hand, daß auch die Innentemperaturen im weißen Behälter günstiger ausfielen als im braunen. Nun hat diese Erkenntnis für die Praxis leider wenig Anwendungsmöglichkeiten, da reinweiße, neuwertige Container kaum auf Dauer anzutreffen sind. Normaler Gebrauch macht aus jedem weißen Container in Kürze einen tendentiell braunen, strahlungstechnisch betrachtet.

Ein größeres Potential zur Vermeidung hoher Umgebungstemperaturen liegt in der Einschränkung der Stauhöhe der Ladung begründet. Unterhalb von etwa 50cm unter dem Dach reduzieren sich die hohen Temperaturen des unmittelbaren Dachbereichs, die Unterschiede in der Mitte unseres zu dieser Zeit leeren Testcontainers waren aber immer noch respektabel: weiß etwa 33, braun 43°C. Zusätzlich geht damit eine zeitliche Verschiebung des Maximums nach hinten einher, das heißt, je niedriger man sich im Container befindet, desto kleiner wird das Maximum und desto später trifft es im Tagesverlauf ein.

Die Abbildung 2 zeigt Temperaturkurven im braunen Container mit einer Teilbeladung. Messungen belegen, daß sich innerhalb der Ladung die Amplitude der Ladungstemperatur sogar umkehren kann, das heißt, mittags kann es dort am kühlsten, nachts am wärmsten sein. Das betrifft vor allem Ladungen mit hoher Wärmekapazität, wie Papierprodukte. Ein ähnlicher Effekt, wie bei Lagerung in Dachnähe, tritt auch in Wandnähe auf. Ein schmaler Abstand von etwa 2cm zwischen Wand und äußerer Lage genügt, um den täglichen strahlungsbedingten Temperaturspitzen ihren größten Einfluß zu nehmen.
Diagramm 1

Abbildung 2


Der zeitliche Verlauf wird hier (Abbildung 3) dargestellt. Wir schauen seitlich in den Container hinein und blicken auf vertikale Temperaturverteilungen in seinem Innern. Die beiden linken Profile zeigen uns zum Morgen einen nahezu ausgeglichenen Verlauf, an allen Meßpunkten ist es um die 4 bzw. um die 8°C kalt. Im Tagesverlauf wird es deutlich wärmer – es ist ein Strahlungstag, was an der Heizfläche DACH deutlich zu erkennen ist – und das Profil zeigt eine markante Temperaturerhöhung, insbesondere im oberen Bereich.

Diagramm 2

Abbildung 3


Wie heiß kann es denn überhaupt werden? In der Literatur geistern zum Beispiel die berühmten Spiegeleier herum, die auf aufgeheizten Autoblechen oder Steinen in der Wüste gebraten worden sind. Auch wenn dazu "nur" etwa 80°C nötig sind, dürften solche Werte in der Praxis des Seetransportes nur sehr kurzzeitig vorkommen, etwa im Persischen Golf oder seiner Umgebung.

Unsere eigenen Messungen bezüglich der höchsten Oberflächentemperatur zeigen ihr Maximum bei 65°C an einer "Black-Box". Sie ist eine Hilfskonstruktion aus Holz, von mattschwarzer Farbe, mit einem Meßfühler unmittelbar unter der sonnenbeschienen Fläche.

Fast 66°C wurden bei einer eigenen Meßreihe als Containerdachtemperatur in Freetown gemessen, das auf etwa 8° Nordbreite liegt. Andere seriöse Angaben setzen ihr Limit bei etwas über 70°C, ungünstigenfalls bei 78°C an. Aber da wir hier an meßtechnische Grenzen des Nachweises stoßen, sollten wir das Feilschen um die letzten Zehntel vermeiden.

Wichtiger ist allemal, das Profil der Innentemperatur zu kennen, d. h. die Verteilung von Temperatureinflüssen auf die eingelagerten Waren, wie vorhin skizziert. Dabei ist es zunächst nebensächlich, ob es sich um Lagerhallen, Container oder Schiffsladeräume handelt. Neben der Heizfläche, der Raumtemperatur und dem Lagerort spielen Verpackung, Masse der Ware und ihre wärmephysikalischen Eigenschaften eine Rolle, wenn man die Temperaturbelastung an einer bestimmten Stelle ermitteln will.

Bei der Vielfalt von Möglichkeiten dieser Faktoren sind genaue Aussagen oft schwierig. Wenn man die tatsächlichen Werte wissen will, die innerhalb der Verpackung, also beispielsweise an einem Paar Schuhe, an einer Platine oder an einem Kanister Farbe bzw. Chemikalien auftreten, kommt man um eine Einzelfall-Meßkampagne kaum herum. Auch hier kann das Geschäftsfeld Seeschiffahrt helfen und diese Reise meßtechnisch begleiten und auswerten. Auch im nachhinein machen solche Messungen Sinn, z. B. in Lagerhallen, wenn die Bausubstanz nicht verändert wurde.

Zurück zu konkreten Fällen. Im Folgenden wird eine Auswahl von Daten präsentiert, die der Deutsche Wetterdienst auf Meßreisen aufgezeichnet hat und die für bestimmte Fahrtgebiete typisch sind.

Diagramm 3

Abbildung 4
Bei einer Reise von China nach Europa sind Messungen in einem Decks-Container (20ft, Standard) mit Weinflaschen in Kartons durchgeführt worden.


Er war mit einem Flat-Container überstaut, war also nicht voll der Bestrahlung ausgesetzt. Da es sich um eine Winterreise handelt, geht es "von kalt nach warm nach kalt", wie der Verlauf der Außenbedingungen zeigt. Tägliche Temperaturspitzen zeigt der Meßfühler an der Südwand – also an der der Sonne zugewandten Seite – und jener Meßfühler im Luftraum über den Kartons. Dieses Luftvolumen ist sehr klein gewesen, seine Temperaturamplitude deshalb groß. Ein ganz anderes Bild zeigt der Ladungsfühler etwa in der Mitte des Containers. Bei dieser Kurve kommt die große Trägheit der Erwärmung und Abkühlung der Weinflaschen zum Ausdruck. Abschnittsweise lassen sich Temperaturgradienten ermitteln, die sich als Hilfe auch für ähnliche Verladungen anwenden lassen.

Die geringe Temperaturänderung bei dieser kompakten Ware würde noch geringer ausfallen, wenn es sich z. B. um den Transport von Schüttgütern handelte.

Das nächste Beispiel bezieht sich auf den Nordatlantik, während einer Sommerverschiffung von Farben in Kanistern. Hier gab es Grenzwerte, die eingehalten werden sollten, der obere lag bei 35°C. Der 40ft-Container ging von Wuppertal nach Farmingdale auf Long Island bei New York, Verschiffungshafen war Bremerhaven.

Diagramm 4

Abbildung 5


Die Temperaturkurven deuten an: Der Container steht an Deck und ist den Strahlungseinflüssen ziemlich direkt ausgesetzt. 1995 hatten wir zur Zeit der Verschiffung tatsächlich einen schönen Sommer, der an diesen Temperaturspitzen gut zu erkennen ist. Die höchsten Belastungen ergaben sich beim Vor- und Nachlauf, während auf der Überfahrt des Nordatlantiks die kühlsten Bedingungen auftraten. Glücklicherweise gab es von Bord des Schiffes offizielle Wetterbeobachtungen, so daß die Außenwerte gut dokumentiert wurden. An Land erfolgte eine Rekonstruktion der Werte aus Messungen von Stationen der Umgebung.

Wie sieht es nun mit der Einhaltung der 35°C-Obergrenze aus?

Die Temperaturkurven zeigen, daß an der äußeren Lage der Farbkanister dieser Wert öfter überschritten wurde, aber immer nur kurzfristig. Es ist nun Aufgabe des Herstellers, zu beurteilen, ob der hier aufgezeigte Kurzzeiteffekt zu einer Qualitätsminderung seiner Farbe führen kann oder nicht.



Kommen wir zum dritten Beispiel, zu hygroskopischen Ladungen, d. h. Waren, deren Eigenfeuchte im Austausch mit der Feuchte der Umgebung steht. Es geht hier um Rohkakao aus Westafrika, der im Februar/März nach Hamburg verschifft wurde. Dabei kamen verschiedene Containertypen zum Einsatz, und der Deutsche Wetterdienst hatte die Möglichkeit, die theoretisch bekannten Unterschiede in der Praxis zu überprüfen. An dieser Stelle möchte ich die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten hervorheben, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben.

Es handelte sich auf dieser Reise um Ventilierte, Super-ventilierte und Standard-Container an und unter Deck, wobei die Laderäume auf See permanent mechanisch belüftet wurden (Abbildung 6).

Diagramm 5

Abbildung 6


Der Temperaturverlauf eines an Deck stehenden Containers zeigt das vorhin erwähnte Maximum eigener Messungen in Freetown in Abbildung 7. Der höchste Stunden-Mittelwert von etwa 63°C ist durch das echte momentane Maximum der Dachtemperatur von 65.7°C ergänzt worden. Am Nachmittag wurde der Container dann durch einen anderen überstaut, so daß von diesem Zeitpunkt an keine außergewöhnlich hohen Werte mehr gemessen wurden, wie der flache weitere Kurvenverlauf zeigt. Im Verlauf der Reise ab Freetown wurde es täglich kälter; nach dem Löschen in Hamburg traten sogar Minustemperaturen auf. Zu dieser Zeit waren die Randpartien des Kakaos immer noch 16 bis 18°C warm. Damit kommt die nächste Größe in die Diskussion, die Feuchte und ihre Auswirkungen, hier das Kondenswasserproblem, ausgelöst durch das im Kakao gebundene Wasser. Wieso Wasser im Kakao?

Diagramm 6

Abbildung 7


Um die Dimensionen deutlich zu machen, hier ein paar einfache Zahlen: Bei einem Wassergehalt von 8%, mit dem Kakao allgemein noch als verschiffungsfähig angesehen wird, sind in einem 20ft-Container etwa 1000 Liter Wasser im Kakao enthalten! Eine sogenannte Sorptionsisotherme beschreibt, wie sich der Wassergehalt eines hygroskopischen Stoffes mit der Temperatur ändert. Dieses Thema ist im Rahmen dieser Veranstaltung bereits von Herrn Professor Scharnow behandelt worden, deshalb möchte ich mich nur auf die Auswirkungen konzentrieren, die auf Grund des Transports von warm nach kalt entstehen.

Auch bei der Feuchte gibt es verschiedene Begriffe, die einer kurzen Erklärung bedürfen. Allgemein meint man damit die relative Luftfeuchte, also ein Verhältnis, keine absoluten Angaben. Es wird aus der tatsächlich vorhandenen zur maximal möglichen Feuchte gebildet. Als universelle Größe ist sie gut geeignet, eine Vorstellung von trocken oder feucht zu geben. Sobald wertemäßige Aussagen gefordert werden, ist die Absolute Feuchte ein wichtiger Begriff. Sie wird in Gramm Wasser(dampf) pro Kubikmeter ausgedrückt und ist temperaturabhängig: Warme Luft nimmt mehr Wasser auf als kalte.

Wenn die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist, hat sie logischerweise 100% relative Feuchte. Weiteren Wasserdampf kann dieses imaginäre Luftpaket nicht aufnehmen, es würde als Kondensat ausgeschieden. Diesen Prozeß findet man zum Beispiel in der freien Atmosphäre bei der Wolkenbildung, in Bodennähe auch als Ursache zur Nebelbildung bei nächtlicher Abkühlung. Das entstehende Kondensat kann so klein sein, daß es schwebt oder sich an kalten Flächen absetzen, dabei entsteht der Tau, womit wir beim Taupunkt angelangt sind. Bei 100% relativer Feuchte ist der Taupunkt gleich der Lufttemperatur. Einige Prozesse lassen sich mit dem Taupunkt, der als Hilfsgröße errechnet wird, anschaulich darstellen. Dazu gehört auch die Bildung von Kondenswasser beim Transport von hygrospkopischen Gütern. Was passiert nun in den Containern, die mit den Kakaosäcken in Abidjan für Hamburg beladen wurden?

Das Klima ist dort tropisch, tagsüber herrschen im Februar etwa 32°C, nachts um 21°C, in Hafennähe bei einer Wassertemperatur von 27°C auch etwas mehr. Dort lagerte der Kakao. Nach Umladung in die Container stellten sich Gleichgewichtswerte von etwa 31°C bei 78% relativer Feuchte ein, was einem Taupunkt von 26.5°C entspricht.

Wenn im Laufe der Reise die Temperatur unter diesen Wert sinkt, beginnt die Kondensation, z. B. an der Dachfläche oder an den Wänden. Bei unserer Seereise setzt die Abkühlung moderat ein, aber es gibt auf dem ersten Abschnitt in Landnähe durchaus schon kritische Phasen beim Standard-Container an Deck, wie uns die Abbildung 8 zeigt: die Dachtemperatur lag zeitweise in der Nähe des Taupunktes der Innenraumluft.

Diagramm 7

Abbildung 8


Acht Tage nach dem Beladen waren die ersten sichtbaren Spuren von Kondenswasser zu erkennen, denn der Container war für diese Untersuchung zugänglich gemacht worden. So konnte neben der Kontrolle der Meßgeräte auch eine tägliche Beobachtung der Kondenswasserbildung vorgenommen werden, ein interessanter Anblick.

Tag für Tag wurden die Tröpfchen größer, einen Eindruck vermittelt das Foto (Abb. 9), mit Meßeinrichtung. Das Herabtropfen begann am 11. Reisetag seit dem Beladen, dabei befand sich das Schiff in der südlichen Biskaya. Ab Bremerhaven, wo ein sonntäglicher Ruhetag eingelegt wurde, verschärfte sich die Kondenswassersituation, die Außentemperaturen lagen hier nur noch um 5°C.

Temperaturmessung

Abbildung 9


Beim Öffnen der Container in Hamburg kam dann das ganze Ausmaß des Schadens ans Licht: Die Standard-Container hatten massive Schweißwasserschäden, d. h. durch Kondenswasser benäßte Säcke der oberen Lage und der Seitenlagen, während die unter Deck gefahrenen Container deutlich weniger Wassertropfen zeigten.

Die Bilanz war wie zu erwarten: Die superventilierten Container, speziell für die Kaffeefahrt konstruiert, waren entsprechend trocken. Restliche Kondensation wurde von dem hygroskopischen Deckenanstrich aufgesogen.

An diesem Ergebnis wird deutlich, daß es durchaus technische Maßnahmen gibt, um Kondenswasserschäden zu verhindern oder wenigstens zu minimieren. Beim Kaffee- bzw. Kakao-Transport besteht eine erprobte Möglichkeit darin, die Ladung zu durchlüften, was auf dem Weg von den Tropen in gemäßigte Breiten bedeutet, ihre Temperatur zu senken und einen kleinen Teil ihrer Feuchtigkeit abzuführen. Das Verfahren ist erfolgreich, aber kostenaufwendig.

Deshalb wird seit Jahren versucht, günstigere Transportmöglichkeiten zu erarbeiten, die den Standardcontainer als Basis nutzt. Ohne Hilfsmittel geht das nicht. Dazu zählen zum Beispiel die Trockenmittel, die hygroskopischer Ladung beigegeben werden und Kondenswasser verhindern sollen. Auch auf unserer Kakaoreise wurde ein handelsübliches Granulat in der empfohlenen Menge einigen Containern beigegeben. Die Feuchteaufnahme funktionierte auch prinzipiell – aber Kondensation und in ihrer Folge einen Schweißwasserschaden gab es trotzdem bei dieser Reise.

Um zu verhindern, daß das Kondensat überhaupt auf die Ladung tropft, wird oft eine Abdeckung der oberen Lage mit einer Art Packpapier praktiziert. Bei kleineren Mengen von Kondenswasser reicht das Verfahren allgemein aus, aber wer kennt schon vor der Verladung den Umfang des Risikos?

Alternativ könnte eine zweite Ebene unter dem Dach helfen, das Kondensat aufzufangen, abzuleiten oder zu speichern. Die Industrie hat verschiedene Modelle entwickelt. Im Rahmen der Erprobung einer neuartigen Vliesmatte wurde ein Standversuch im Hamburger Hafen im Winter 1995 durchgeführt, an dem auch der Deutsche Wetterdienst beteiligt war.

Dazu wurde ein Standardcontainer mit nassen Holzpaletten beladen, um auf einfache Weise ein hygroskopisches Gut zu simulieren. Der Wetterablauf war günstig: Wechselnde Phasen ohne ausgeprägte Perioden mit Frost. Um die Wirksamkeit der Matte beurteilen zu können, war es wichtig, einen Nachweis der Kondenswasserbildung zu erbringen. Ein spezieller Sensor ist dazu in der Lage.

Das folgende Bild zeigt einen interessanten Abschnitt aus der Meßreihe. Nachts ist Luftfrost bis etwa -6°C zu erkennen, während das Dach um -7.5°C kalt war. Dabei gibt es natürlich kein Kondenswasser – sondern Eis. Tagsüber kletterten die Lufttemperatur auf etwa 11.6°C, die Dachtemperatur auf 13.5°C. Was ist jetzt mit dem Kondenswasser? Der Sensor zeigt es uns durch Kästchen auf der Abbildung: Während der morgendlichen Erwärmungsphase schmilzt das Eis an Dach und Wänden – irgendwann nach dem Mittag ist der Zustand "Wasser" wieder erreicht. Gleichzeitig setzt schon die Abkühlungsphase des Daches ein.

Diagramm 8

Abbildung 10


Die Dachtemperatur unterschreitet den Taupunkt der Innenluft, und es kommt zu weiterer Kondenswasserbildung. Zu dieser Zeit ist mit dem Abtropfen auf die Ladung zu rechnen, also eine Schadensbildung möglich. Sinkt die Dachtemperatur weiter unter Null, setzt mit zwei bis drei Stunden Verzögerung der Gefrierprozeß ein, das Kondenswasser wird zu Eis – kein Abtropfen mehr. Dieser Prozeß kann sich bei frühlingshaften oder herbstlichen Hochdruckwetterlagen über mehrere Tage hinziehen, wenn der Container im Freien steht.

Die aufgespannte Matte erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen. Sie nahm während dieses Versuches etwa 13 Liter Kondensat auf, das sonst auf die Ladung getropft wäre. Damit war ihre maximale Aufnahmekapazität nur zu etwa einem Drittel ausgelastet.

Dieses Beispiel zeigt uns, daß es technische Lösungsansätze zur Schadensvermeidung auch für Standard-Container gibt. Die Rentabilität dieser Möglichkeiten ist ein wichtiges, aber ein anderes Kapitel, das an dieser Stelle nicht weiter behandelt wird.

Bei einer Prüfung der Schadensverhütung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten sollten die Dienstleistungen des Deutschen Wetterdienstes mit in die Überlegungen einbezogen werden. Wie wir gesehen haben, können Messungen und ihre fachliche Interpretation zur Schadensaufklärung beitragen. Planungen werden einfacher, wenn man zum Beispiel die Temperaturbelastungen auf einer geplanten Route kennt. Dazu können klimatologische Angaben einen ersten Ansatz bieten. Das Geschäftsfeld Seeschiffahrt kann Ihnen diese Informationen für alle relevanten Elemente zusammenstellen, und zwar weltweit. Dazu zählen nicht nur die bekannten Klimatafeln, die die mittleren Zustände an einem Ort beschreiben, sondern auch statistische Angaben über Seegebiete.

Wer sich für Wind- oder Wellenverhältnisse, also den Seegang, interessiert, bekommt ebenso Auskunft wie Speditionskaufleute, die die erwähnte Analyse der Temperaturverhältnisse entlang einer bestimmten Route brauchen.

Die Abbildung 11 zeigt mittlere Lufttemperaturen auf einer Standardroute von der Deutschen Bucht zum Persischen Golf. Pro Blatt sind diese Werte jeweils für sechs Monate als farbige Kurven dargestellt. Andere Routen, z. B. nach Nord- oder Südamerika, liegen ebenfalls vor, und spezielle Abschnitte können jederzeit zusammengestellt werden. Angaben zu Extremwerten der Lufttemperatur sind in gleicher Darstellungsform möglich.

Diagramm 9

Abbildung 11


Für Landtransporte werden die Klimadaten von Stationen entlang der Route herausgesucht und zu einer Tabelle zusammengefaßt. Eine Kombination beider Angebote deckt den vollständigen interkontinentalen Weg von Haus zu Haus ab.

Kommen wir als nächstes zur Lüftungsberatung. Wir haben vorhin beim Kakaotransport gesehen, daß bei einer kontrollierten Durchlüftung der Ladung ebenfalls Schäden vermieden werden können. Das Verfahren ist nicht neu und galt seit altersher bei konventioneller Verschiffung von hygroskopischen Gütern. "Bei schönem Wetter – Luken auf", das war ein Grundsatz aus frühen Tagen, als es kaum mechanische Lüftungen an Bord gab. Heute kann man gezielt ventilieren, sowohl technisch wie auch konzeptionell; das bedeutet hier: wann ist es sinnvoll, wann schädlich. Dazu muß man seine Ladung kennen und einige Daten ihres Zustandes, also Temperatur und Feuchte. Zu einer Beurteilung brauchen wir erstens die Temperatur der Ladung selbst, zweitens die Temperatur und Feuchte der Laderaumluft und drittens die gleichen Angaben für die Außenluft. Das Equipment dafür ist einfach und sollte eigentlich an Bord jeden Handelsschiffes vorhanden sein: Schleuderthermometer trocken/feucht, Stechthermometer und ein paar Tabellen und Diagramme.

Diagramm 10

Abbildung 12


Jeder Nautiker der alten Schule wird beim Thema Ladungspflege gelernt haben, mit diesen Dingen umzugehen. Aber dieses Wissen ist längst nicht mehr als selbstverständlich vorauszusetzen. Ich möchte auf diese Erfahrung nicht weiter eingehen, auch nicht auf das Ausfüllen von Diagrammen zur Lüftungsberechnung. Es hat sich gezeigt, daß es heute sinnvoller sein kann, diese Angaben von Land aus zu steuern und zwar mittels eines rechnergestützen Programms.

Die Vorgehensweise ist simpel: Das Schiff führt täglich mindestens einmal die erwähnten Messungen aus und übermittelt die Daten an den Deutschen Wetterdienst. Dort werden die Angaben mit der entsprechenden Software ausgewertet und der gegenwärtige optimale Lüftungszustand ermittelt. Anhand der aktuellen Wetterlage und der voraussichtlichen Entwicklung über die nächsten 24 bis 48 Stunden auf der gefahrenen Route wird dieser ggf. modifiziert und als Lüftungsempfehlung an das Schiff übermittelt.

Am Ende der Reise werden alle Daten und ihre abgeleiteten Größen in einer Tabelle zusammengefaßt und mit den abgegebenen Empfehlungen an den Auftraggeber geschickt. Dieser hat nunmehr eine komplette Dokumentation aller Lüftungsdaten einer Reise von einer amtlichen Stelle.

Eine solche Zusammenstellung vom Deutschen Wetterdienst kann im Streitfall eine wesentliche Argumentationshilfe sein, um Forderungen seitens des Empfängers entgegenzutreten.

Zum Abschluß möchte ich einen komplexen Fall vorstellen, bei dem eine rechtzeitige laderaummeteorologische Beratung wahrscheinlich den Schaden zumindest hätte vermindern können. Es ging um Hilfslieferungen von kanadischem Mehl an afrikanische Staaten – im Nordwinter. Die Voraussetzungen waren derart ungünstig, daß es zu massivem Ladungsschweiß kam, der zu einem immensen Schaden führte. Stellen Sie sich den kanadischen Winter vor, minus 20°C sind dort ganz normal, Schnee und Sturm, und in dieser Zeit wurden mehrere Stückgutschiffe mit Tausenden von Mehlsäcken beladen. Über den St. Lorenzstrom erreichten die Schiffe den Atlantik und bald danach deutlich wärmere Zonen.

Andere Schiffe hatten etwas günstigere Abgangshäfen, wie zum Beispiel Baltimore. Aber auch dort war es winterlich kalt, und nach einer Woche Fahrt wurden praktisch tropische Temperaturverhältnisse erreicht. Den meteorologischen Verlauf einer solchen Reise dokumentiert die folgende Abbildung. Während es außen heiß und feucht war, stiegen die Temperaturen im Laderaum nur sehr langsam an. Etwa sechs Wochen nach Baltimore wurden in Mombasa 15°C im Unterraum gemessen, doch dieser Wert lag weit unter dem Taupunkt der Luft im Hafen, der sich um 20°C bewegte. Die Folge war eine starke Kondensation an der Oberfläche der Säcke, Lage für Lage. Die Durchnässung führte zum Bruch der Verpackung, wenn die Mehlsäcke bewegt wurden.

Diagramm 11

Abbildung 13


Das Mehl verteilte sich in den Laderaum. Um es heraus zu bringen, mußte es an Ort und Stelle in neue Säcke umgeschaufelt werden, die erst besorgt werden mußten. Auf diese Weise kamen enorme Kosten zusammen, denn auch die Liegezeiten der Schiffe verlängerten sich entsprechend.

Hätte eine Lüftungsberatung hier helfen können? Ja, aber nur bedingt. Denn die Lüftung eines Blockstaus ist nicht sehr wirkungsvoll, man hätte bei der Beladung anders vorgehen müssen. Wenn es sich nicht um zeitlich festgelegte Hilfslieferungen handelt, sollte die Verschiffung ggf. in eine günstigere Jahreszeit verlegt werden.

Dieses Beispiel zeigt, daß die Problematik von solchen oder ähnlichen Verladungen leicht unterschätzt werden kann. Eine vorherige Risikoabschätzung, auch mit Hilfe des Deutschen Wetterdienstes, hätte den Versicherungen viel Geld gespart.

dwd.jpg (18577 Byte)


Auskünfte, Gutachten und Beratungen des Deutschen Wetterdienstes, Geschäftsfeld Seeschiffahrt, basieren auf:

weltweiten meteorologischen Beobachtungsdaten von Land und See
klimatologischen Werten aller wichtigen Orte weltweit
Analysen verschiedener meteorologischer oder klimatologischer Größen
weltweiten Prognosen im kurzzeitigen und mittelfristigen Bereich
eigenen Meßreihen, die ständig ergänzt werden
experimentellen Untersuchungen unter Laborbedingungen und im Feldversuch
historischen Grundlagen
hoher Fachkompetenz

Auch wenn sich die Logistik im Laufe der Zeit gewandelt hat: Schadenverhütung geht uns alle an und bleibt ein aktuelles Thema. Wenn die Meteorologie dabei eine Rolle spielt, ist der Deutsche Wetterdienst der kompetente Ansprechpartner für Sie.


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