Temperaturgeführte Transporte im Luftverkehr

Vortrag von Herrn Wenning, Delvag Luftversicherungs AG, Köln


Im Februar dieses Jahres hat Lufthansa Cargo einen Transportauftrag erhalten, der uns vor ein Problem stellte. Der Hersteller in Südamerika verschickte für einen europäischen Empfänger 8 kg eines Basisproduktes für ein Medikament. Der Wert war in den Beförderungspapieren mit 3,5 Mio DM deklariert, wegen der Empfindlichkeit der Ware war ein gekühlter Transport vorgegeben.

Luftfracht, deren deklarierter Beförderungswert über 1000 USD/kg liegt, wird nach den durch die IATA herausgegebenen Richtlinien automatisch zur Wertfracht. Da der Wert dieser Sendung bei 437.500 DM/kg lag, begann damit das Problem: Wertfracht wird in Tresoren gelagert, während Kühlgut einer anderen Betreuung bedarf. Welchem Schutzbedürfnis gibt man Vorrang? Wir haben das Problem auf unkonventionelle Art gelöst, wobei uns sicher die zum Transportzeitpunkt vorherrschende Außentemperatur geholfen hat.



Klima an Bord von Flugzeugen

Flugzeuge fliegen im Reiseflug in Höhen von 8.000 – 12.000 m bei einer Außentemperatur von -30 bis -60°C. Das Flugzeug muß zur Wahrung der technischen Zuverlässigkeit der Systeme und für den Komfort der an Bord befindlichen Menschen beheizt werden. Dies geschieht durch Wärmetauscher in den Turbinen sowie Mischregler, die Kabinenluft und temperierte Außenluft so mischen, daß die vorgegebene Temperatur gehalten wird. Ältere Flugzeuge verfügen über maximal zwei Mischregler, neuere haben bis zu acht (B747-400). Damit lassen sich einzelne Kabinenbereiche differenzierter klimatisieren. Die Einlaßöffnungen für Frischluft befinden sich in der Kabinendecke, Abluft wird im Bodenbereich an den Seiten abgesaugt.

Insgesamt ist die Klimasteuerung an Bord ein sehr komplexes Thema, wenn man sich vor Augen hält, daß die Temperatur auf der sonnenbeschienenen Seite des Flugzeugrumpfes um einige Grad von der Schattenseite abweicht. In der Nähe der Türen existieren durch die konstruktionsbedingten Unterbrechungen der Isolierung Zonen niedrigerer Temperaturen. Es ist so gut wie unmöglich, den Laderaum, insbesondere auf dem Hauptdeck von Frachtflugzeugen, einheitlich und exakt zu konditionieren.

Anläßlich einer temperaturgeführten Transportkette sensibler Maschinen für die Chip-Produktion haben wir neben Beschleunigungen auch Klimakonditionen gemessen. Die Messungen erfolgten auf dem Hauptdeck eines B747 Frachters. Die Ladung war auf der Palette etwa 2,10 m hoch geladen, der Abstand bis zu den Luftauslässen betrug etwa 2,30 m. Die Temperaturvorgabe im Cockpit wurde mehrmals adjustiert und lag immer erheblich über den im Frachtraum vorgefundenen Werten.

In den Räumen unterhalb des Kabinenbodens, die für die Zuladung mit Fracht und Passagiergepäck genutzt werden, werden die Konditionen in der Regel durch die Bedingungen in der Passagierkabine bestimmt, weil es keine separate Steuerung für die Unterflurräume gibt. Erst in den neuesten Flugzeugen von Boeing und Airbus kann in einzelnen Kabinensegmenten und Laderäumen eine individuelle Temperatur gefahren werden und so die Wärmeabstrahlung von Menschen und Fracht berücksichtigt werden.

Theoretisch ließen sich alle Einflüsse auf das Klima an Bord durch entsprechende Maßnahmen ausgleichen, allerdings würde die dazu notwendige Technik die Nutzlast erheblich reduzieren und dadurch die Transportleistung verteuern. Die Technik für eine optimale Feinsteuerung steht nicht zur Verfügung und wird bisher auch nicht als Option durch die Flugzeug-Hersteller angeboten. Deshalb kann es das optimale Klima an Bord für alle Bereiche (noch) nicht geben.

Diese Einführung in die Grundlagen der Klimakonditionierung an Bord war aus meiner Sicht notwendig, um zu verstehen, daß die Fluggesellschaften an sich nur eingeschränkte technisch bedingte Möglichkeiten haben, ein Angebot für temperaturgeführte Transporte zu machen. Für die Frachttransporte, bei denen es auf Präzision ankommt, müssen deshalb andere Lösungen angewandt werden.

Zeichnung Temperaturverlauf

Abbildung 1




Verderbliche Warenarten im Luftverkehr

Die Masse der bei Lufthansa Cargo beförderten Güter ist nicht temperaturempfindlich im Sinne dieser Veranstaltung.

Wie bei allgemeiner Luftfracht liegt der Nutzen einer schnellen Beförderung im Segment der temperaturempfindlichen Waren vornehmlich bei Warenarten, die entweder nur eine kurze Transportdauer vertragen oder die die im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern höheren Aufwendungen für Transport in den Gesamtdistributionskosten absorbieren können.

Die Masse an verderblichen Gütern, die durch Lufthansa Cargo befördert werden, setzt sich zusammen aus Blumen, Obst, Gemüse. In geringerem Volumen fliegen wir Fleisch (gekühlt und tiefgefroren), Speisefisch, Zierfische, Eintags- und Zuchtküken und neuerdings sensible chemische oder pharmazeutische Produkte. Lufthansa Cargo ist sich der besonderen Anforderungen dieser Produkte bewußt und entwickelt aktiv Lösungen für die Probleme der Verlader. Ein eigenes Produktmanagement für verderbliche Güter hält den Kontakt zu Großkunden und setzt die Erwartungen im Unternehmen um.



Lademittel für verderbliche Güter

Im heutigen Luftverkehr wird Fracht zum größten Teil auf standardisierten Lademitteln (unit load device = ULD) verladen, um Be- und Entladezeiten zu reduzieren. Innerhalb der verschiedenen Flugzeugpaletten und -container hat Lufthansa Cargo auch zwei Typen von Spezialcontainern für Kühl- oder Tiefkühlgut, die sich im Ladevolumen unterscheiden.

Foto Kühl-Container

Abbildung 2


Der Kühl-Container auf der Basis einer normalen Flugzeugpalette hat ein Ladevolumen von 5 m³ und kann mit maximal 5.533 kg Kühlgut oder 5.483 kg Tiefkühlgut beladen werden.

Foto Kühl-Container

Abbildung 3


Der Kühl-Container auf der Basis eines Gepäck-Containers hat ein Ladevolumen von 2,5 m³ und kann mit maximal 1.268 kg Kühlgut oder1.238 kg Tiefkühlgut beladen werden.

Foto Kühl-Container

Abbildung 4


Beide Ladeeinheiten arbeiten mit einer statischen Konditionierung durch Trockeneis. Statisch deshalb, weil Trockeneis lediglich in der Lage ist, die Temperatur der Ware bei der Einladung zu halten. Eine aktive Manipulation der Warentemperatur wie bei elektrisch oder motorisch betriebenen Kühl-Containern ist nicht möglich. Die Lademittel können für einen Kühlbereich von +2 bis +5°C oder für einen Tiefkühlbereich von -18 bis -21° C eingestellt werden, die Einstellung und Überwachung der gewünschten Temperatur erfolgt auf der Außenseite des Containers.

Das Trockeneis wird gleichmäßig oberhalb der Ware in dafür angebrachte Behälter gepackt. Ein durch Batterien betriebener Ventilator verteilt die verdampfenden Gase des Trockeneises im Laderaum des Containers. Der Ventilator wird durch einen Thermostaten gesteuert, durch Ein-/Ausschalten wird die vorgewählte Temperatur gehalten. Damit das System funktioniert, darf Kühl- oder Tiefkühlgut nur bis 1,20 m Höhe im Laderaum geladen sein. Es wird empfohlen, den Container vorzukühlen und bei der Beladung Ladungszwischenräume vorzusehen, damit die kalte Luft auch das Innere eines Ladungsstapels erreichen kann.

Foto Kühl-Container

Abbildung 5


Durch den Verzehr von Trockeneis ist das System für Kühlgut auf eine maximale Transportdauer von 48 Stunden ausgelegt, bei Tiefkühlgut reduziert sich die Transportdauer auf 24 Stunden. Dauert der Transport länger, muß neues Trockeneis nachgefüllt werden. Lufthansa Cargo übernimmt auf Wunsch des Absenders das Nachfüllen, wobei die Abgangsstation für die Steuerung verantwortlich ist.



Andere Möglichkeiten:

Für weniger empfindliches Gut bietet sich eine kostengünstigere Variante an als ein Kühl-Container: Lufthansa Cargo hat sogenannte Thermodule entwickelt, die sich als Isolierung entweder über empfindliche Ladung stülpen oder in ein Lademittel einbringen lassen. Thermodule bestehen aus aluminiumbeschichteter Luftpolsterfolie, die überlappenden Kanten werden durch Klettband verschlossen. Wird diese Folie in einen Gepäckcontainer eingebracht, hält sich die Temperatur über einen längeren Zeitraum. Bei der Stülpisolierung ist der Wärmeaustausch mit der Umgebung höher, weshalb diese Variante nicht bei Gütern eingesetzt werden sollte, deren Temperaturvorgabe in einer engen Spanne liegt.

Überall da, wo Fluggesellschaften keine Lösung durch vorhandene Lademittel oder Ladehilfsmittel bereitstellen können, oder wo das zu versendende Volumen nicht zu vorhandenen Lösungen paßt, muß der Versender durch geeignete Verpackung selbst für ausreichenden Schutz sorgen. Dies passiert zum Beispiel regelmäßig beim Transport von lebenden menschlichen Organen oder bei Bluttransporten. Die Organe werden üblicherweise in wasserfesten Kühlbehältern der Absender mit Naßeis befördert, während Blut durch in die isolierte Verpackung eingebrachtes Trockeneis konditioniert wird, wofür der Absender verantwortlich ist.



Sonstige Maßnahmen bei LCAG

Eine Kühllogistik im Lufttransport ist entscheidend davon abhängig, was benötigt wird und wie sorgfältig Luftfracht vorbereitet wird. Wegen der fehlenden aktiven Kühlmöglichkeit während des eigentlichen Transports muß die Fracht bei Anlieferung bereits eine Kerntemperatur aufweisen, die während des Transports zumindest gehalten werden soll. Vornehmlich in Drittweltländern, bis auf einige Ausnahmen, stellt diese Forderung bereits eine schwierige Hürde dar und ist aus unserer Sicht ursächlich für viele Schäden beim Transport von zum Beispiel Blumen und Lebensmitteln.

Beim Versand von Obst, Gemüse und Blumen verzichten die Versender aus Kostengründen auf die Nutzung einer durchgehenden Kühlkette. Da nicht immer ausgeschlossen werden kann, daß die Ware dann spätestens während des Fluges, meistens aber bereits während der Bereitstellung auf der Flugzeugposition durch tropisches Klima aufgewärmt wird, sind bei ungenügender Vorbereitung Schäden so gut wie vorprogrammiert.

Miami ist ein riesiger Umschlagplatz für temperaturempfindliche Güter aus dem südamerikanischen Raum, auch für Lufthansa Cargo. Wir haben deshalb zur Vorsorge an unserem Hub in Miami in eine Kühlanlage investiert, die unter anderem über eine Vakuum-Kühlkammer verfügt. In dieser Kammer kann Kaltluft durch Unterdruck gezielt auch in die Fracht eingebracht werden. Wenn während des Transits von einem Flug zum anderen genügend Zeit zur Verfügung steht, durchläuft verderbliche Fracht diese Anlage, um die benötigte Temperatur zu erzielen. In den nachgeschalteten Kühllägern erfolgt dann die Lagerung bis zum Abflug.

Die meisten Intercontflüge von Lufthansa und Lufthansa Cargo landen in Frankfurt/M. Für Waren, die nicht in einer durchgehenden Kühlkette befördert werden, stellt Lufthansa Cargo die Leistungen des Perishable Center (PCF) zur Verfügung, wo eine warengerechte Versorgung gewährleistet ist. Das PCF ist mit Kühlräumen ausgestattet, die für unterschiedliche Warenarten die jeweils optimale Klimatisierung garantieren.


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