Lessons learned –
Vom Schaden über den Regress bis zur Schadenverhütung bei Kühltransporten
Vortrag von Herrn Thomas Trieb, Segelken & Suchopar Rechtsanwälte



Inhaltsverzeichnis


 Haftungssystematik und Regime

 Haftungsausschlüsse

 Weitere Besonderheiten des Kühltransportes






In diesem Vortrag wird ein Überblick über die rechtlichen Besonderheiten bei der Haftung des Frachtführers bei Kühlschäden gegeben. Ferner erfolgen praktische Vorschläge für die tägliche Schadensbearbeitung.



Haftungssystematik und Regime

Die Haftung des Frachtführers für Kühltransporte richtet sich nach dem "typischen" allgemeinen Frachtrecht (HGB, CMR, ADSp, MÜ, WA usw.). Es sind jedoch besondere Haftungsausschlüsse und Beschränkungen zu beachten. Wie beim typischen allgemeinen Frachtrecht besteht auch bei Kühltransporten eine Obhutshaftung, das heißt eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung (§ 425 HGB, Artikel 17 CMR, 22.1 ADSp, Artikel 18 MÜ, Artikel 18 WA).

Problematisch sind bei Kühltransporten insbesondere der Nachweis der unbeschädigten Übergabe der Kühlgüter an den Frachtführer. Häufig wird von diesem – nach Auftreten eines Schadens – eine mangelhafte Vorkühlung eingewandt. Es ist deshalb erforderlich, dass ein lückenloser Nachweis der ordnungsgemäßen Vorkühlung, also der Übergabe, vorliegt. Das stellt den jeweiligen Schadenssachbearbeiter häufig vor große Schwierigkeiten.

Wenn man sich beispielsweise den Transport von (gekühlten) Äpfeln aus Brasilien über Land (Vorlauf), See (Hauptlauf) und wieder Land (Nachlauf) vor Augen führt, dann kann man – grob skizziert – im Wesentlichen folgende Phasen des Transportes und Schnittstellen ausmachen:

Ernte
Kommissionierung der Ernte
Transport zum Lager
Wareneingangskontrolle
Verarbeitung
Lagerung
Transportbedingte Lagerung
Beladen des Containers bei ordnungsgemäßer Kühlung
Gekühlter Kühlcontainer während des gesamten Transportes
Übergabe an den Frachtführer
Ordnungsgemäße Kühlung des Containers während des gesamten Transportes
Ablieferung
Ablieferbedingte Lagerung / Kontrolle der Ware.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Oberlandesgericht Hamm und Oberlandesgericht Düsseldorf eine nicht ausreichend vorgekühlte Ware bereits als nicht "ordnungsgemäß übergeben" angesehen hat.

Insoweit bestehen hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Anspruchssteller. Diese hohen Anforderungen können durch Hilfsmittel erfüllt werden. Oftmals hilft eine lückenlose Transportdokumentation. Gleichzeitig sind nach den Vorschriften des Exportlandes Veterinärerzeugnisse erforderlich, die Rückschlüsse auf die ordnungsgemäße Vorkühlung der Ware und damit der ordnungsgemäßen Übergabe, zulassen. Ferner ergeben sich oftmals aus dem E-Mail-Verkehr zwischen dem Absender und dem Empfänger der Sendung eine Beschreibung über die Art und Weise der Kommissionierung der Kühlgüter und der Beschaffenheit des Lagers sowie Zeugen. Schließlich können auch Überwachungskameras, die die Sendung bei der Übergabe zeigen, sehr hilfreich sein. Gut ist auch zu wissen, dass das OLG Hamburg entschieden hat, dass ein rein gezeichnetes Konnossement, welches Angaben über die Temperatur der zu befördernden Güter enthält eine tatsächliche Vermutung dafür darstellt, dass der Frachtführer die Güter auch mit den in dem Konnossement angegebenen Temperaturen übernommen hat.

Schließlich hat sich auch der Einsatz so genannter "Data-Logger" bewährt, das heißt mobiler Kühlaufzeichnungsgeräte, welche – unter jeweiliger Angabe des Tages und der Uhrzeit – die im inneren der Container gemessenen Temperaturen aufzeichnen. Bestenfalls werden die "Data-Logger" in verschiedene Lagen der Güter platziert um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.

Physikalisch umfließt die in den Container eingeblasene Luft das Gut von außen und die kalte Luft sinkt auf den Boden des Containers. Von einem Kühlschaden während des Transportes ist daher dann auszugehen, wenn die äußeren Lagen in dem Container zuerst Schaden nehmen. Unzureichende Temperaturen in den äußeren Lagen indizieren regelmäßig einen Temperaturschaden während des Transportes. Unzureichende Temperaturen in den inneren Lagen können hingegen eine unzureichende Kühlung vor Übergabe an den Frachtführer indizieren.

Es ist insoweit erforderlich, dass der Absender auf den Einsatz solcher "Data-Logger" hingewiesen wird. Jedoch ist auch dann wieder auf ein Sachverständigen zurückzugreifen, ob der Schaden von einer unzureichenden Vorkühlung stammen kann.

Aufschlussreich und als weiteres Hilfsmittel ist auch die Temperaturaufzeichnung des Temperaturaufzeichnunggerätes des Containers. Darin sind weitere Informationen über den Kühlverlauf in dem Container zu bekommen.



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Haftungsausschüsse

Im Wesentlichen gibt es bei Kühltransporten zwei Haftungsausschlüsse zu beachten:

Zum einen handelt es sich um den Haftungsausschluss aufgrund der natürlichen Beschaffenheit der Güter (vgl. u. a. § 427 Nr. 4 HGB) – entsprechende Vorschriften finden sich auch in der CMR, MÜ sowie WA – und zum anderen der sogenannte Staufehler (vgl. u. a. § 427 Nr. 3 HGB) – entsprechende Haftungsausschlüsse finden sich auch in der CMR, MÜ sowie WA.


Haftungsausschluss wegen natürlicher Beschaffenheit der Güter

Kühl- und Gefriergut ist immanent, dass nicht nur der Frachtführer das Gut gefährdet sondern das Gut selbst eine Gefahr für sich ist. Insoweit könnte man auch von suizidialem Frachtgut sprechen. Der Juris spricht lieber von besonderer natürlicher Schadenanfälligkeit oder innerer Schadenslage.

Nach diesem Haftungsausschluss haftet der Frachtführer nicht, wenn der Verlust oder die Beschädigung entstanden ist, aufgrund der natürlichen Beschaffenheit gewisser Güter der zu Folge die gänzlichen oder teilweise in Verlust oder Beschädigung, insbesondere durch inneren Verderb, ausgesetzt sind.

Im Rahmen der Beweislast ist zu berücksichtigen, dass der Frachtführer nur Umstände darlegen muss, aus denen geschlossen werden kann, dass der Schaden aus dem inneren Verderb heraus entstanden sein könnte. Es wird dann vermutet, dass der Schaden auch hieraus entstanden ist. Dem Anspruchssteller obliegt dann die Widerlegung im Wege des Gegenbeweises.

Der Haftungsausschluss ist jedoch dann nicht anwendbar, wenn ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers vorliegt. Außerdem hat der BGH in mehreren Urteilen entschieden, dass sich der Frachtführer dann nicht auf die Beschaffenheit des inneren Verderbs berufen kann, wenn er selbst den Schaden verursacht hat. Dabei hat er ausgeführt, dass der Schaden durch den inneren Verderb innerhalb der für diese Art von Gütern typischen Transportverhältnisse eintreten müsse. Der Schaden muss also auf einem normal verlaufenden Kühltransport eingetreten sein. Führten Umstände, die nicht zu erwarten waren, also atypische Geschehensabläufe zu dem Wirksamwerden der inneren Schadenlage und deren Folge zu einem inneren Verderb, so könne sich der Frachtführer nicht auf den Haftungsausschluss berufen.

Darüber hinaus muss die natürliche Beschaffenheit des Gutes nicht die einzige sein. Sie muss (lediglich) die wahrscheinlichste Schadensursache sein.

Ein weiterer Fall des sogenannten Zusammentreffens mehrerer Schadensursachen ist die konkurrierende Kausalität. Bei dieser Form der Kausalität hätte jede Ursache für sich allein betrachtet bereits den Schaden verursacht. Greift ein Haftungsausschlussgrund, so haftet der Frachtführer dennoch, aber nur in dem Umfang, in welchem sein Verschulden zu Schadensentstehung beigetragen hat. In der Regel werden von deutschen Gerichten eine 50 : 50 Schadensquote angenommen.


Staufehler

Bei der Absenderverladung wird der Frachtführer zumeist einen Staufehler dahingehend einwenden, dass aufgrund von Strömungsabrissen eine Luftzirkulation um die Kühlware verhindert wurde. Es ist jedoch zu beachten, dass der Frachtführer weiterhin zur Ladungsüberwachung hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Kühlaggregate verpflichtet ist.

Dieser Staufehler des Absenders findet sich in § 427 Nr. 3 HGB (entsprechende Vorschriften finden sich auch in der CMR, MÜ und WA).

Aber es gilt zu berücksichtigen, dass diese Haftungsausschlüsse alleine auf die tatsächliche Tätigkeit der Verladung/Verstauung und nicht auf die zugrundeliegende Verpflichtung abstellt. Der BGH hat deshalb 2007 entschieden, dass es für die Anwendung dieses Haftungsausschlusses grundsätzlich unmaßgeblich ist, wen die Verpflichtung zur Beladung trifft. Von besonderer Bedeutung ist insbesondere, dass bei Verladung durch den Fahrer ob dieser unter der Oberaufsicht und Verantwortung des Absenders tätig wird. Ist dies der Fall, dann werden diese Hilfstätigkeiten diesem Versender zugerechnet. Verlädt der Fahrer hingegen eigenverantwortlich, so liegt eine Verladung durch den Frachtführer vor und die Berufung auf den Haftungsausschluss ist dem Frachtführer versagt.


Qualifiziertes Verschulden

Suizidiale Güter müssen vor sich selbst geschützt werden. Der Fachmann spricht daher von einem Kühltransport. Ist zum Schutze des Gutes eine besondere Form des Transportes, also ein Kühltransport, beauftragt worden, so obliegt dem Frachtführer eine weitergehende Einlassung hinsichtlich der Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten. Insoweit stellt die Rechtsprechung hier sehr hohe Anforderungen an die Darlegungslast des Kühlfrachtführers. Er muss substantiiert die Art und Weise der Kühleinrichtung seines Fahrzeugs, ihre Wartung und Bedienung, die Anzahl, den zeitlichen Abstand, Inhalt und Umfang der Einzelkontrollen während der Beförderung der Kühlung während der Fahrt vortragen und gegebenenfalls auch beweisen.

Außerdem hat der Frachtführer für Reparaturen und anderweitige Kühlmöglichkeiten am Wochenende Sorge zu tragen. Schließlich hat der Frachtführer die Route so einzuteilen, dass er bei Ausfall des Kühlaggregates jederzeit ein Kühlhaus anfahren kann. Das stellt oftmals eine Darlegungshürde dar, die von den Frachtführern nicht selten verfehlt wird. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass es dem Absender obliegt, den Pflichtenkreis des Frachtführers durch die Erteilung von Weisungen beliebig zu erweitern. Ein qualifiziertes Verschulden wurde gerichtlicherseits beispielsweise bereits dann angenommen, wenn ein Frachtführer den Lkw mit Kühlgütern über das Wochenende abgestellt hat, ohne die Temperaturen zu überprüfen. Gleiches soll bei einer 20-stündigen Fahrt ohne Temperaturkontrolle gelten. Außerdem hat es ein Gericht als leichtfertig qualifiziert, dass der Fahrer des Lkw die Trennwand in seinem Lkw, die zwei Kühlbereiche mit unterschiedlichen Temperaturen trennen sollte, nicht richtig geschlossen hat, so dass ein Wärmeaustausch stattfinden konnte.

In einer anderen Rechtsangelegenheit hat ein Gericht das Verhalten eines Paketdienstleisters als leichtfertig qualifiziert, der Transporte in verschiedenen Temperaturbereichen anbietet und eine Sendung einem falschen Temperaturbereich zugeordnet hat.

Schließlich wird ein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Frachtführers regelmäßig zur Annahme eines qualifizierten Verschuldens des Frachtführers führen. Der Frachtführer kann sich nur dadurch entlasten, dass er nachweist, dass er nicht leichtfertig gehandelt hat und sein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten für ein Eintritt des Schadens uns dessen Höhe nicht kausal geworden ist. Ein entsprechender Nachweis wird dem Frachtführer jedoch nur selten gelingen.

Es gilt insoweit folgende Faustformel:

Je mehr vertragliche Verpflichtungen der Frachtführer zu erfüllen hat, umso größer die Chance, dass der Frachtführer gegen seine vertraglichen Verpflichtungen vorsätzlich verstößt.

Beispiele für solche vertragliche Verpflichtungen sind:


die Temperaturen der Güter bei Übernahme zu überprüfen und in dem Frachtbrief festzuhalten, widrigenfalls der Frachtführer mit Einwendungen gegen eine vorreichende Kühlung ausgeschlossen ist
nur Fahrzeuge einzusetzen, die mit einem Temperaturerfassungsgerät ausgestattet sind
nur Fahrzeuge einzusetzen, deren Temperaturen der Aufträge jederzeit im Internet abrufen kann
nur Fahrzeuge einzusetzen, deren Standort von dem Auftraggeber jederzeit via GPS zu orten ist
nur Kühlaggregate zu verwenden, die mindestens jährlich, spätestens jedoch nach einer definierenden Zeit von Betriebsstunden zu warten sind
keine Umladung von Kühlgütern vorzunehmen
keine Subunternehmer einzusetzen
eine 24-Stunden-Hotline für Schadensfälle vorzuhalten

Ihrer Fantasie bzw. der für sie tätigen Rechtsanwälte und Gutachter sind hier jedenfalls bis zur Schmerzgrenze des Frachtführers keine Grenzen gesetzt.



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Weitere Besonderheiten des Kühltransportes

Im Übrigen stößt man beim Kühltransport noch auf weitere Besonderheiten. Das gilt insbesondere für die Regressierungskosten sowie die spezielle Eigenart von Medikamenten als Kühlgüter.

  1. Kosten

    Kühlgüter werden regelmäßig mittels Seeschiff transportiert. Oftmals werden im Seefrachtbrief exotische Gerichtsstände wie Valparaiso oder – weniger exotisch – ein Gerichtsstand London vereinbart. Ausländische, insbesondere englische Rechtsanwälte, verlangen Gebühren auf Stundenbasis, so dass die Regressführung häufig bereits an wirtschaftlichen Erwägungen scheitert. In London gilt beispielsweise die Faustregel, dass sich die Regressführung unterhalb von GBP 25.000,00 gar nicht erst lohnt. Zumal – anders als in Deutschland – die obsiegende Partei in der Regel einen nicht unerheblichen Teil der Kosten zu tragen hat. Selbstverständlich wissen dies auch die Reedereien und verhalten sich entsprechend. Es empfiehlt sich daher mit Ihrem Kunden zu vereinbaren, dass diese nur Seefrachtführer einsetzen, die einen Gerichtsstand in Deutschland haben. Einen Gerichtsstand in Deutschland haben zum Beispiel Hapag Lloyd, Hamburg Süd und Alianca Brasil.

  2. Bei Medikamenten handelt es sich um sehr leichte Kühlgüter. Die Haftungshöchstbegrenzung reicht oftmals zur Schadensdeckung nicht aus. Medikamente sind nämlich häufig sehr teuer und sehr schadenanfällig, da die Versuchsreihen, die Teil des Zulassungsverfahrens sind, sich nur über ganz bestimmte Temperaturbereiche verhalten. Entsprechend bezieht sich auch die Zulassung der Medikamente nur auf den entsprechenden Temperaturbereich. Der jeweilige Schadenssachbearbeiter erfährt die notwendige oder Mindest-Kühltemperatur aus den Beipackzetteln. Bei unzureichender Kühlung darf die betroffene Zulassungsreihe nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Dabei können teilweise 20 Minuten bereits ausreichend sein. Eine erneute Zulassung erfolgt nur dann, wenn ein neues Zulassungsverfahren durchgeführt wird. Das verursacht sehr hohe weitere Kosten. Oftmals wendet der Frachtführer ein, dass Medikamente einen nicht unerheblichen Restwert haben. Dieser Einwand geht häufig ins Leere, da durch das erneute Zulassungsverfahren das Mindesthaltbarkeitsdatum regelmäßig überschritten wird.

Bei Medikamenten empfiehlt sich bei der Schadenregressierung folgende Vorgehensweise:

Es ist hilfreich zu wissen, dass bei Kühlschäden bei Medikamenten die Arzneimittelhersteller und Importeure nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet sind, eine sogenannte sachkundige Person zu beschäftigen. Diese kann oftmals sehr gute und detaillierte Auskünfte über die Eigenart des Medikaments geben. Hilfreich zu wissen ist auch, dass die am Sitz der jeweiligen Arzneimittelbetriebe zuständigen Regierungspräsidien über die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen von Medikamenten wachen und jede Abweichung von den zugelassenen Temperaturen meldepflichtig sind. Es empfiehlt sich zur Regressvorbereitung daher, sich von der sachkundigen Person bzw. dem zuständigen Regierungspräsidium eine amtliche Bestätigung einzuholen, dass die von dem Schaden betroffenen Medikamente nicht mehr verkehrsfähig sind.





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