Schadenbeispiele aus der Praxis – Beispiel Libanon




Der Spediteur erhielt von einem finnischen Unternehmen den Verschiffungsauftrag für einen Dieselmotor mit einer Masse von ca. 260 t. Auf den Motorblock entfiel eine Masse von ca. 196 t.

Der Transport sollte vom italienischen Triest zum Hafen Tripoli im Libanon gehen.

Der Spediteur buchte die Verschiffung auf einem geeigneten Schwergutschiff einer renommierten Reederei auf Basis einer Charter "full liner terms". Für den Auftraggeber stellte der Spediteur ein eigenes House Ocean Bill of Lading (Seekonnossement) aus.

In Tripoli angekommen, sollte das Schwergut entladen werden.

Das Schiff verfügte über zwei Schwergutkräne mit einer zugelassenen Kapazität von je 200 t (gestestet mit 220 t), kombiniert sind das 400 t bei einer Ausladung von 12 m. Die Verladung des Schwerguts hätte demnach kein Problem sein dürfen.

Am 13.07.2005 meldete der Kapitän seiner Reedereizentrale, dass das Kranseil gerissen sei und der 196 t schwere Motorblock beim Löschen aus einer Höhe von ca. 11 m in den Laderaum gefallen sei (siehe folgende Abbildung).


Wie kam es dazu?

Für die Löschung des Motorblocks wurde nur einer der beiden Schwergutkräne eingesetzt.

Die Reederei sagte dazu später aus:

"The ballast condition on arrival in Tripoli did not allow for a dirscharging operation by means of two combined cranes"

Sinngemäß heißt das, die Ballast-Situation hätte den Einsatz beider Kräne nicht zugelassen. Diese Aussage wurde rechnerisch nie belegt.

Obwohl die zugelassene Kapazitätsgrenze des Krans von 200 t nahezu ausgeschöpft war, hätte es eigentlich gleichwohl nicht zu dem Unfall kommen dürfen.

Gutachter stellten fest, dass die Laufrolle und insbesondere das Kranseil aufgrund starker Korrosion und Verschleiß nicht mehr den Anforderungen genügten (siehe Fotos):
 




  Es wären besser beide Kräne eingesetzt worden. Noch besser aber wäre die Verwendung von einwandfreiem Equipment gewesen.

Die Gutachter attestierten einen Schaden in Höhe von ca. 2,5 Mio. EUR.

Der Transportversicherer des Empfängers ging gegen den Spediteur und die Reederei vor. Er war bereit, zunächst mit dem Eigner des Schiffes zu verhandeln.

Wer haftet wie?

Die Hague Visby Regeln und die Hamburg Regeln besagen:

Hague Visby Rules bzw. HGB §§ 556 ff. HGH – 2 SZR/kg

  • Finden Anwendung auf das Verhältnis Reeder (actual carrier) gegenüber dem Spediteur.
Hamburg Regeln – 2,5 SZR/kg
  • Finden Anwendung im Verhältnis Empfänger gegenüber dem Spediteur.

  • Der Libanon hat die HH-Regeln ratifiziert.

  • Der Empfänger konnte beim Reeder die HH-Regeln nicht durchsetzen, weil es sich um eine Charterpartie (Art. 2, Abs. 3 HH-Regeln) handelt.


Letztendlich einigten sich der Transportversicherer und der Schiffseigner auf eine Zahlung von 1,25 Mio. USD (seerechtliche Haftung nach den Hague Visby Regeln).

Der ständig über die Verhandlungen informierte und eingebundene Verkehrshaftungsversicherer des Spediteurs beteiligte sich seinerseits an einem Vergleich mit 100.000 EUR. Die den Spediteur treffende Differenz zwischen Visby Rules und Hamburg Rules (= 0,5 SZR/kg) hätte sich ohnehin auf rechnerisch 105.000 EUR belaufen.

Hinzu kamen Kosten bis zum Abschluss des Vergleiches in Höhe von 56.000 EUR.


Drum merke:

GAP ist nicht nur eine US-amerikanische Modekette,

sondern auch

die Möglichkeit, trotz einer vermeintlichen Back-to-back-Liability, mit einer Haftungsdifferenz zwischen den Stühlen zu sitzen.
 

Während im Frequenzschadenbereich über Risiko-Management und Schadenverhütung eine Risiko- und die Prämienkalkulation betrieben werden kann, ist dies im Projektgeschäft meist sehr schwierig.

Die Unzulänglichkeiten des Menschen führt im Projektgeschäft häufig zu großen Schäden, die nicht kalkulierbar sind.



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