Versicherungskonzepte –
Möglichkeiten und Grenzen des Risk-Management


Vortrag von Herrn Ulrich Kimmich, Siemens Financial Services GmbH



Inhaltsverzeichnis


  1  Risiko Begriffsbestimmung
  2  Schadenbeispiele
  3  Gefahren
  4  Der Schaden neben dem Schaden
  5  Ziele des Risiko-Management
  6  Darstellung Risiko-Management
  7  Vermeidung von Risiko
  8  Verminderung von Risiko
  9  Unvermeidbare Risiken
10  Grenzen des Risiko-Management
11  Transfer von Risiken
12  Risikosteuerung
13  Gedanken zur Eigentragung
14  Transportversicherung Weltprogramm
15  Loss Management
16  Neue Herausforderungen







1  Risiko Begriffsbestimmung



    Risiko ist die Möglichkeit des Eintretens einer unerwünschten negativen Konsequenz eines Ereignisses.

    William D. Rowe, "An Anatomy of Risk"




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2  Schadenbeispiele

Zur Definition des Begriffs "Risiko" aus versicherungstechnischer Sicht soll ein Beispiel aus Algerien herangezogen werden:

Ein Transformator wurde von einem Werk in Frankreich über das Mittelmeer nach Algerien versendet. Für den Transport wurde ein professioneller Spediteur verpflichtet, der wiederum einen Subunternehmen eingesetzt hatte. Die notwendigen Genehmigungen für die Fahrstrecke lagen vor und das Projekt war gut vorbereitet.

Bei einer Ortsdurchfahrt im Landesinneren musste der Transport eine Brücke überqueren, die unter der Last einstürzte (Abbildungen 1 und 2). Es entstand ein Schaden von über 4 Mio. EUR. Zudem führte der Unfall zu einer Verzögerung bei dem Projekt und zu einem Verbot seitens der algerischen Regierung, mit unseren Transporten Brücken zu befahren. Bei den nachfolgenden Transporten mussten daher enorme Umwege gefahren werde, was die Kosten des Projekts um ca. 1 Mio. EUR erhöhte.




Abbildung 1





Abbildung 2


In einem zweites Beispiel geht es um eine Schwergutverladung in Bremerhaven. Dabei waren mehrere Fachleute aus der Transportbranche als Zuschauer anwesend. Das Schwergut wurde auf einen Selbstfahrtrailer gesetzt, anschließend gingen die Beobachter zur Kaffeepause. Nach dieser stellte sich heraus, dass das Schwergut vom Trailer ins Hafenbecken gefallen war. Dabei wurde ein Binnenschiff beschädigt und eine darauf befindliche Person leicht verletzt. Der Warenschaden betrug mehr als 10 Mio. EUR. Die Bergungskosten betrugen ca. 800.000 EUR.

Die Ursache für den Schaden war ein zu kleiner Flatbed-Trailer, der vermutlich falsch berechnet wurde.


Ein weiteres Beispiel ist der Unfall der MSC Napoli. Die MSC Napoli kam im Ärmelkanal bei einem schweren Sturm in Seenot. Unsere an Bord befindliche Ware, die nach Brasilien verschifft werden sollte, blieb unbeschädigt und konnte gerettet werden. Aufgrund der Zeitverzögerung durch die Havarie musste die Ware per Luftfracht nach Brasilien gebracht werden. Daraus resultierten Mehrkosten von über 1 Mio. EUR, die nicht durch Warenschäden, sondern lediglich durch die Umorganisation des Transports entstanden waren.

Zur Vermeidung solcher Schäden muss das Risiko systematisch minimiert werden.




Abbildung 3




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3  Gefahren

Beim Warentransport in alle Welt sind zahlreiche Risikofaktoren zu berücksichtigen (Abbildung 4). Das gilt besonders für Länder mit einer unterentwickelten Infrastruktur.




Abbildung 4




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4  Der Schaden neben dem Schaden

Neben den eigentlichen Sachschäden können weitere Schäden auftreten (Abbildung 5):




Abbildung 5


Pönalen sind Strafzahlungen, die häufig aufgrund von Verzögerungen bei der Leistungserbringung zu bezahlen sind.

Beschleunigungskosten entstehen durch die notwendige "Beschleunigung" des Transports, z. B. durch ein schnelleres, aber teureres Transportmittel wie einem Flugzeug. In dem Beispiel mit der MSC Napoli entstanden dadurch Beschleunigungskosten.

Unter Umständen ist es günstiger, Beschleunigungskosten in Kauf zu nehmen, anstatt eine Pönale zu zahlen.

Auf Großbaustellen sind i. d. R. zahlreiche Bauleistungen, Firmen, Bauteile und weitere Faktoren aufeinander abgestimmt. Schon kleine Änderungen im Planungsablauf können eine Umorganisation erforderlich machen. Das ist meist zeitaufwändig und mit höheren Kosten verbunden.

Zeitlich langwierige Projekte können zu Mehrkosten durch steigende Rohstoffpreise, z. B. Stahl, führen. Speziell bei Transformatoren, deren Bau mehrere Monate benötigt, ist das häufig der Fall. Dabei kann es leicht zu einer Erhöhung der Produktionskosten um einen 7-stelligen Betrag kommen.




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5  Ziele des Risiko-Managements

Die Ziele des Risiko-Managements sind hier zusammengefasst:

Schutz von Personen, Umwelt, Sachen und Vermögen
Erfüllung des Geschäftsauftrages
Herstellung von Kundenzufriedenheit
Reduzierung der Kosten
Wahrung der Reputation


Schwergüter wie Transformatoren oder Generatoren können durch ihre Masse, und zum Teil auch durch ihre Bestandteile (wie z. B. Trafoöl), eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen.

Die schadenfreie und fristgerechte Lieferung der Güter ist für die Kundenzufriedenheit und Reputation der Firma von Bedeutung.

Eine optimale Kalkulation aller möglichen Sach- und sonstigen Schäden ist eine nur schwer lösbare Aufgabe.




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6  Darstellung Risiko-Management

Die Grafik in der Abbildung 6 präsentiert eine schematische Darstellung des Risiko-Managements:




Abbildung 6


Zunächst wird das Gesamtrisiko betrachtet. Mit verschiedenen Maßnahmen wird versucht, Schäden zu vermeiden oder zumindest zu vermindern. Ein möglichst optimaler Selbstbehalt wird angestrebt. Was nicht kalkulierbar ist, wird in den Versicherungsmarkt transferiert.




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7  Vermeidung von Risiko

Die Abbildung 7 listet wichtige Punkte zur Vermeidung von Risiken auf:




Abbildung 7


Einige Produkte werden so hergestellt, dass sie nicht (oder zumindest nicht sicher) transportiert werden können. Dann sind bereits im Vorfeld Absprachen mit dem Hersteller nötig, damit dieser sein Produkt entsprechend ändert oder verbessert.

In manchen Fällen kann eine Verlagerung von Produktionsstätten sinnvoll sein. Siemens hat in Kolumbien eine Produktionsstätte für Großtransformatoren, die in 2.000 m Höhe in den Bergen liegt. Jeder auszuliefernde Transformator muss über lange und gefährliche Bergstraßen zur Küste zum Hafen transportiert werden. Aus Sicht eines Transport Risk Managers ist dies keine optimale Situation.

Bei Neukonstruktionen oder Änderungen an Konstruktionen sollten in Zusammenarbeit mit dem Risk Manager sinnvolle Verbesserungen an den Produkten diskutiert und ggf. umgesetzt werden, die den Transport des Produkts erleichtern und die Transportsicherheit erhöhen.

Wenn bestimmte, klar definierte Faktoren eintreten, die einen sicheren Transport der Ware gefährden, muss die Projektverladung gestoppt werden – auch wenn dies hohe Kosten verursacht. Denn ein möglicher Schaden (bis hin zum Totalverlust der Ware) kann viel höhere Kosten verursachen.




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8  Verminderung von Risiko

In der Abbildung 8 werden wichtige Punkte zur Verminderung von Risiko genannt:




Abbildung 8


Bereits bei der Ausschreibung und speziell nach Auftragserhalt müssen die möglichen Risiken einer Projektverladung untersucht werden. Bei einem sog. Kick-off Meeting wird das Konzept mit den Spediteuren und Logistikern erörtert und auftauchende Probleme diskutiert und ggf. gelöst.

Ein intensiver Informationsaustausch zwischen Transport-Spezialisten und Ingenieuren sowie Konstrukteuren ist schon im Vorfeld des Projekts von Bedeutung, um die Transportfähigkeit der Güter zu gewährleisten.

Die Transportwege müssen unter Berücksichtigung der einzusetzenden Transportmittel im Vorfeld untersucht werden. Vor Ort benötigtes Personal und Gerät muss organisiert und überprüft werden. Kompetente und befugte Fachkräfte müssen den Transport begeleiten und das Risk Management durchführen.

Es müssen klare vertragliche Regelungen mit allen beteiligten Dienstleistern getroffen werden. Ggf. wird ein Method Statement erstellt. Das Thema Haftung muss für alle Beteiligten geklärt sein. In vielen Ländern gibt es nur sehr wenige Firmen, die Schwerguttransporte durchführen können. Daher können diese Firmen die Bedingungen oft zu ihren Gunsten diktieren und verlangen beispielsweise einen vollständigen Regressverzicht.

Zudem wird eine umfassende Schulung und Information aller Beteiligten durchgeführt. Diese Informationen werden von Siemens auch online zur Verfügung gestellt und sind speziell auf die Firmenprodukte zugeschnitten.

Ein wichtiger Punkt bei der Verminderung von Risiko ist die Ladungssicherung. Dabei sind u. a. folgende Punkte zu beachten:

Anbringen von ausreichenden Zurrpunkten / Lash – Augen
Erstellung aussagefähiger Transporthinweise (z. B. Lashplan)
Vermeidung nur schwer transportfähiger Ausmaße
Transport mit geeigneten Transportmitteln und -behältnissen


Es müssen nicht nur ausreichend geeignete Ladungssicherungspunkte vorhanden, sondern auch aussagekräftige Hinweise zur Sicherung der Ladung an der Ladung angebracht sein. Dazu gehören u. a. Hinweise zum Schwerpunkt, zu den Ladungssicherungspunkten und deren Belastbarkeit usw. Diese Hinweise müssen gut lesbar und wetterbeständig sein.

Anbieter, die eine qualitativ hochwertige Ladungssicherung und sichere Verladung garantieren, sind teuer. Diese Kosten müssen im Interesse eines sicheren und fristgerechten Transports investiert werden.


Zum Thema Risikoverminderung sollen einige Beispiele aufgezeigt werden.

Jahrelang konnten Generatoren aus den USA nur mit Schwergutschiffen transportiert werden. Nachdem bei der Konstruktion zusätzliche Laschpunkte an den Generatoren angebracht wurden, konnte die Stabilität dieser Schwergüter soweit erhöht werden, dass diese nun auch mit Containerschiffen transportiert werden können (Abbildung 9):




Abbildung 9


Der Transport konnte so durch relativ kleine Änderungen bei der Produktion beschleunigt und kostengünstiger gestaltet werden. Zudem steht dadurch ein größerer Transport-Markt zur Verfügung.


Bei dem in Abbildung 10 gezeigten Beispiel wurden Kabelrollen nach Saudi-Arabien mit dem Schiff transportiert. Bei starkem Seegang lösten sich einige Ladungsteile aus ihrer Sicherungsposition, was zu einem hohen Warenschaden an den Kabelrollen führte. Der Grund hierfür war eine unzureichende Ladungssicherung.




Abbildung 10


Neben dem Sachschaden entstanden weitere Kosten durch einen Lufttransport neuer Kabelrollen zum Kunden, der zur Vermeidung einer Pönale organisiert werden musste.

Zur Vermeidung solcher Schäden werden Kabeltrommeln nur noch in speziellen Ladegestellen, sog. Wiegen (rechter Teil der Abbildung 10) transportiert. (Informationen dazu bietet auch das Verpackungshandbuch des GDV, Seite 161 ff. bzw. hier in der Online-Version.) Somit wird ein Rollen der Kabeltrommeln verhindert. Die Wiegen lassen sich mit Ketten über zahlreiche Laschpunkte gut sichern. Durch die konsequente Nutzung dieser Ladegestelle konnte die Anzahl großer Schadenereignisse beim Transport von Kabeln deutlich gesenkt werden.


Ein weiterer wichtiger Punkt zur Risikoverminderung ist die Überwachung von Transporten, wie sie in der Abbildung 11 aufgeführt wird.




Abbildung 11


Schwergut aus dem Power Generation-Bereich mit einer Masse von über 50 t wird bei jeder Bewegung innerhalb des Transports kontrolliert.

Großtransformatoren sehen auf den ersten Blick wie robuste Stahlkästen aus, sind aber sehr empfindlich. Daher muss uns jeder Transport eines Transformators über 100 MVA (Mega-Volt-Ampere) gemeldet werden. Meistens wird dann eine Besichtigung des Transports durchgeführt. Das gleiche gilt für alle Güter mit einem Warenwert über 10 Mio. EUR.

Bei Schwergütern mit einem geringeren Wert, wie z. B. Eisenbahnfahrzeugen, wird i. d. R. die erste Verladung besichtigt. Wenn diese unseren Ansprüchen genügt, lassen wir weitere gleichartige Verladungen durch den Spediteur dokumentieren und überwachen.

Lagerbesichtigungen ab einem Warenwert von 10 Mio. EUR werden vor allem in Ländern durchgeführt, in denen die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht garantiert sind.

Der von uns betriebene Besichtigungsaufwand beim Schwerguttransport im Bereich Power Generation wird in dieser Grafik (Abbildung 12) schematisch aufgezeigt:




Abbildung 12


Das Kamerasymbol steht dabei für eine Besichtigung. Es wird deutlich, dass diese immer an den Schnittstellen durchgeführt wird, d. h. bei der Verladung von oder auf ein Fahrzeug. Hinzu kommen Besichtigungen bei evt. notwendigen Zwischenlagerungen und bei der Fundamensetzung auf der Baustelle.

Diese Besichtigungen finden bei jedem einzelnen Transport statt und stellen über das Jahr gesehen eine beträchtlichen Kostenfaktor dar. Der Aufwand rechtfertigt sich durch die deutliche Reduzierung von Großschäden.


Dieses Foto zeigt die größte Gasturbine der Welt mit einer Leistung von 340 MW. Sie ist 13 m lang, 5 m hoch und hat eine Masse von 444 t.




Abbildung 13


Der Transport und die Verladung dieser Turbine stellt aufgrund ihrer Dimensionen eine enorme Herausforderung dar.


Mit einem Method Statement kann der Transport sehr gut geplant werden. Ein Method Statement ist eine schriftliche Festlegung des Arbeitsverfahrens und wird vom Spediteur erstellt.

Wichtige Punkte des Method Statements sind in der Abbildung 14 aufgelistet:




Abbildung 14


Bei der Risikobewertung stellt Schwergut bei Siemens immer ein hohes Risiko dar.

Das Method Statement, das i. d. R. ein sehr umfassendes Dokument ist, wird durch die Fachabteilung geprüft und ggf. unterschrieben.

Mit dem abgezeichneten Method Statement kann der Sachverständige vor Ort überprüfen, ob alle Transportabläufe entsprechend umgesetzt werden. Ist das nicht der Fall, kann der von uns bevollmächtigte Sachverständige den Transport stoppen bzw. Änderungen anweisen oder genehmigen. Die Sicherheit der Ladung hat dabei immer Priorität. Bei kurzfristigem Änderungsbedarf am Method Statement steht dem Sachverständigen eine rund um die Uhr mit Fachleuten besetzte Hotline zur Verfügung.




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9  Unvermeidbare Risiken

Bestimmte Risiken sind unvermeidbar. Dazu gehören:

Naturkatastrophen
Technisches Versagen
Menschliches Versagen
Unfälle
Politische Risiken


In diesem Fall lassen sich Schäden nur durch ein "Management der unvermeidlichen Risiken" vermindern.

Dazu gehören folgende Punkte:

Vermeidung von Transporten in kritische Regionen
Begrenzung der Werte pro Transportmittel / Lager / Region
Erhöhung der Sicherung durch z. B. Einsatz von Security Teams
Risiko transferieren  ⇒ Versicherung
Effektives Loss Management zur Reduzierung von Folgeschäden


Transporte in kritische Regionen lassen sich u. a. aus ethischen Gründen nicht immer vermeiden. Da Siemens z. B. Produkte für die Energieversorgung und die Telekommunikation herstellt, ist deren Lieferung in kriegszerstörte Gebiete wie den Irak oder Afghanistan als Aufbauhilfe unbedingt notwendig. Zudem gehören diese Bereiche zur Infrastruktur, die schnellstmöglich wieder aufgebaut werden muss. Daher gehören solche Produkte zu den ersten, die in eine Krisenregion transportiert werden müssen, sobald die Umstände dies zulassen. Die innere Sicherheit und Verkehrswege sind zu dem Zeitpunkt meist noch nicht wieder hergestellt.

Hier kann nur durch eine Begrenzung der Werte das Risiko abgemindert werden. Das kann z. B. durch das Verteilen von Werten auf mehrere Transporte erreicht werden, um bei einem verlorenen oder beschädigten Transport nicht allzu große Schäden zu erleiden. In Krisengebieten muss ein größtmöglicher Schutz durch Polizei und/oder Militär gewährleistet werden. Zudem können Sicherheitsteams die Strecke zuvor prüfen.

Im Falle von Naturkatastrophen muss das Risiko möglichst auf Versicherungen transferiert werden. Die Folgen bereits eingetretener Schäden können durch ein effektives Loss Management reduziert werden. Dazu gehören z. B. die Umorganisation von Transportwegen, die Sicherstellung von Nachschub oder die Rettung von Waren aus havarierten Transportfahrzeugen.




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10  Grenzen des Risiko-Managements

Dem Risiko-Management sind Grenzen gesetzt, die in den Abbildungen 15 und 16 aufgelistet sind:




Abbildung 15





Abbildung 16


Jedes Transportgut kann theoretisch so geschützt und gesichert werden, dass es fast jeden denkbaren Unfall weitgehend unbeschadet übersteht. Die Kosten würden dann aber in keinem sinnvollen Verhältnis zur Ladung bzw. zum Transport stehen. Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen muss stets berücksichtigt werden.

Grenzen durch gesetzliche Vorgaben beinhalten u. a. Umweltschutz-Vorschriften, die in manchen Ländern die Nutzung bestimmter Transportmittel oder Verpackungen untersagen können.

Für gewählte Transportwege können Genehmigungen verweigert werden. Die dann erforderlichen Alternativstrecken führen oft zu einem höheren Zeitaufwand und zu damit verbundenen höheren Kosten. Manche Länder lassen nur Schiffe bestimmter Flaggen zu (oft ihrer eigenen), was zur zwangsweisen Nutzung weniger gut geeigneter Schiffe führen kann.

Wenn notwendiges und geeignetes Equipment und/oder Personal nicht vorhanden ist, sind dem Risiko-Management ebenfalls Grenzen gesetzt. Das gilt auch, wenn für erforderliche Zwischenlagerungen kein geeigneter Platz zur Verfügung steht.

Die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie das Vertrauen in qualifiziertes und erfahrenes Personal, vor allem Sachverständige vor Ort, sind ebenfalls wichtige Punkte. Kommt es hier zu Konflikten, wird das gesamte Projekt beeinträchtigt.




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11  Transfer von Risiken

Beim Transfer von Risiken geht es um folgende Ziele:

Absicherung von nicht oder nur schwer vorhersehbaren Ereignissen
Abfederung der Volatilität
Finanzielle Kalkulierbarkeit
Einhaltung vertraglicher Vereinbarungen
Einhaltung gesetzlicher Auflagen


Auch für einen Großkonzern wie Siemens ist ein Transfer von Risiken notwendig. Auf einem Seeschiff können zahlreiche Güter transportiert werden, die in der Summe einen Wert von 100 Mio. EUR überschreiten können. Ein Totalverlust eines solchen Schiffs samt Ware ist ein Extremereignis, das abgesichert werden muss.

Dazu gehören auch die bereits erwähnten Naturkatastrophen.

Großschadenereignisse machen sich in der Firmenbilanz negativ bemerkbar und müssen daher abgefedert werden. Die finanzielle Kalkulierbarkeit muss gewährleistet sein. Einen 100 Mio. EUR-Schaden kann Siemens als Gesamtkonzern notfalls verkraften, nicht aber das einzelne Projekt. Die Kalkulation wäre dann nicht mehr stimmig.

Vertragliche Vereinbarungen müssen eingehalten werden. Verträge erfordern oft das Beibringen bestimmter Versicherungen, diese müssen bestätigt werden. Eine Vollversicherung ist dann oft besser als Fronting.

Die Einhaltung gesetzlicher Auflagen kann z. B. bedeuten, dass lokale Versicherer vor Ort kontraktiert werden müssen.




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12  Risikosteuerung

Bei der Risikosteuerung werden die in der Abbildung 17 genannten Punkte gewertet:


Risikoidentifizierung: Was für Risiken sind vorhanden, wie hoch sind sie?

Risikomessung: Wo kommt es zu Kumulen, welche Werte summieren sich z. B. auf einem Schiff oder in einem Lager auf?

Risikoüberwachung.





Abbildung 17



Aus diesen Punkten wird eine "Total Cost of Risk" (TCOR) – Kalkulation erstellt.

In dieser TCOR – Kalkulation werden folgende Kosten berücksichtigt (Abbildung 18):




Abbildung 18


Aus diesen Faktoren ergibt sich eine Berechnung, für die es verschiedene Varianten gibt. Diese werden als Beispiele in der folgenden Tabelle dargestellt:




Abbildung 19


Die Risiko-Transferkosten sind die Kosten der Versicherungsprämien.

Im Vergleich von Varianten mit unterschiedlich hohen Selbstbehalten zeigt die rechte, schwarz umrahmte Spalte die kostengünstigste Variante (geringstes TCOR).

Entscheidend ist dabei die Kalkulation des optimalen Selbstbehalts, der zu einer günstigen Prämie und letztlich zu einem niedrigen TCOR führt.




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13  Gedanken zur Risikoeigentragung

Einige Gedanken zur Risikoeigentragung sind hier aufgelistet:

Ist der Prämienrabatt adäquat?
Was trifft das Unternehmen maximal?
Welche Einsparungen hat das Unternehmen?
Kann die Schadenabwicklung optimiert werden?
Ist für Projekte eine vertragsgemäße Deckung möglich?
(Sicherstellung von Versicherungsbestätigungen)
Muss ein Budget bereitgestellt werden?
Verbessert sich dadurch die Total Cost of Risk?


Bei Betrachtung des Verhältnisses Selbstbehalt – Prämiennachlass zeigt sich sehr oft: Je höher der Selbstbehalt ist, desto geringer fallen die Rabatte bei den Prämien aus.

Speziell im Projektgeschäft muss das Selbstbehalt-Risiko abgewogen werden. Dazu werden u. a. Erfahrungswerte aus der Vergangenheit herangezogen.

Einsparmöglichkeiten ergeben sich aus den erzielbaren Prämienrabatten.

Es muss untersucht werden, ob mit dem vorgeschlagenen Modell auch die im Liefervertrag vereinbarten Deckungen realisiert werden können. Z. T. werden innerhalb des Vertrags Dritte mitversichert. Mit diesen muss vertraglich geregelt werden, dass sie den vereinbarten Selbstbehalt bezahlen müssen.

Das Ziel all dieser Überlegungen ist immer die Verbesserung des TCOR.




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14  Transportversicherung Weltprogramm

Das Weltprogramm für die Transportversicherung ist in dieser Grafik schematisch dargestellt:




Abbildung 20


Dabei bedeutet DIL: Difference in Limit, DIC: Difference in Condition

Die Masterpolice schützt durch DIC/DIL-Deckung die lokal abgeschlossenen Policen.




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15  Loss Management

Im Schadenfall ist ein effektives Loss Management wichtig.

Ist der Transformator umgestürzt wie im Beispiel in der Abbildung 21, ist schnelles Handeln gefragt. Ein Fachmann muss sich vor Ort um eine Schadenminderung und Schadenabwicklung kümmern. Es muss umgehend geklärt werden, ob vor Ort ein Funktionstest des havarierten Transformators durchgeführt werden kann, oder ob dieser ins Werk zurückgeschickt werden muss, was viel Zeit und hohe Kosten bedeuten würde.




Abbildung 21


Wir werten auftretende Schäden laufend aus und vergleichen sie. Die Ergebnisse werden an alle Konzern-Abteilungen ("Divisions") weitergegeben. Dabei wird auf eine hohe Schadentransparenz Wert gelegt, von der alle Abteilungen im Unternehmen profitieren. Alle Schadendetails, Statistiken und Informationen zum Regressablauf werden dabei vorgelegt. Durch eine konsequente Abwicklung und Dokumentation der Schäden sowie eine fundierte vertragliche Grundlage lassen sich die Kosten im Schadenfall spürbar reduzieren.




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16  Neue Herausforderungen

Neue Herausforderungen für die Zukunft sind:



Konzentrierung hoher Werte auf Schiffen

größere Containerschiffe (> 15.000 Container)
mehrere Projekte auf einem Schiff (veränderte Logistik, Einsparpotentiale, mangelnde Verfügbarkeit von Spezialschiffen etc.)
höherwertige Einzelstücke (z. B. neue 340 MW Gasturbine)


Projekte in "schwierigen" Ländern

Krisengebiete
Länder mit problematischen Verkehrsinfrastrukturen


Erhöhte Gefahr von Naturkatastrophen

Höhere Geschwindigkeit der M&A Aktivitäten

mehr Ein- und Verkäufe
komplizierte Integrationen / Ausgründungen
schwieriger Informationstransfer


Versicherungstechnischer Ausgleich in der Zeit steht sehr oft im Widerspruch zum schnellen Wandel eines Großkonzerns.



Die immer größeren Containerschiffe führen zu größeren Wertekumulen an Bord dieser Schiffe. Bei Gütern aus verschiedenen Abteilungen unseres Unternehmens kann der Überblick über den Gesamtwert der kumulierten Transportgüter verloren gehen.

Zudem werden die einzelnen Güter immer wertvoller, wie z. B. die zuvor genannte Großturbine. Solch hohe Einzelwerte waren früher undenkbar.

Naturkatastrophen treten als mögliche Konsequenz des Klimawandels zunehmend häufiger und verheerender auf. Heftige Niederschlagsereignisse führen zunehmend zu Überschwemmungen und Wasserschäden an Transportgütern.

Aktivitäten im Bereich Mergers & Acquisitions (Fusionen und Übernahmen) finden immer schneller statt und führen zu einer Unübersichtlichkeit u. a. bei der Risikokalkulation, da man oft nicht weiß, welcher Unternehmensbereich bereits verkauft wurde oder neu hinzugekommen ist. Der Kauf oder Verkauf von Unternehmensteilen wird seitens des Konzerns unter Geheimhaltung geplant und abgewickelt, was den Informationstransfer erschwert. Neue Unternehmensbereiche müssen sehr schnell integriert und deren spezielle Risiken berücksichtigt werden.

Der rasche Wandel eines Großkonzerns wie Siemens erschwert auch den versicherungstechnischen Ausgleich über die Zeit – was heute versichert ist oder versichert werden muss, kann morgen bereits nicht mehr gelten, da sich der Konzern dann schon wieder verändert hat.

All das sind Herausforderungen, denen man sich zu stellen hat und mit denen man umgehen muss und auch kann.


Zum Abschluss des Vortrags sei ein Zitat von Reinhard Mohn genannt:

"Die Ablehnung eines Risikos ist für ein Unternehmen das größte Risiko."

D. h., wo Geschäfte gemacht werden, ist Risiko vorhanden. Es muss versucht werden, das Risiko soweit wie möglich zu beherrschen.





ENDE DES VORTRAGS





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