Foto des Monats – Juni 2024 |
[English version] |
Tiny House on the Road
Abbildung 1 [ Holger Kastner]
Mal was anderes!
Ein ganzes Haus auf einem Tiefbett unterwegs. Eigentlich ist so ein Haus nicht direkt für einen Transport gemacht, ja einmal umsetzen sicher, aber so die richtigen Vorbereitungen, wir Anschlagpunkte zum Heben oder Ladungssicherungspunkt zum Sichern erwarten wir jetzt nicht standardmäßig. Wir schauen mal was uns so geboten wird:
Abbildung 2 [ Holger Kastner]
Siehe da, Ladungssicherungspunkte und das ist heute unser Hauptthema, denn wir finden nicht immer genormte Sicherungspunkte, die geschweißt sind und an denen die Lashing Capacity (LC) abzulesen ist. Im vorliegenden Fall ist genau das das Problem, aber man hat sich eindeutig Gedanken gemacht. Die Sicherung, die wir sehen ist hinten angebraucht worden und sie wirkt seitlich. Typischer Weise werden Ladungssicherungspunkte, die hinten am Fahrzeug angebracht sind (siehe Mitte Fahrzeug) auf solchen Tiefladern so angebracht, dass sie primär Lasten in Längsrichtung aufnehmen können und das in unterschiedlichen Winkeln. Mit seitlichen Kräften tun sie sich deutlich schwerer, da sie dafür um 90° versetzt angebracht werden müssten. Wir können aber nicht sagen wie viel Kraft sie, so belastet wie hier auf diesem -Bild, aufnehmen können. Wir schauen erstmal, was sie tatsächlich in diesem (speziellen) Fall leisten müssen.
Abbildung 3 [ Holger Kastner]
Aus diesem Grund schauen wir uns die Reibung an. Und auch hier hat man sich Gedanken gemacht! Damit man zum Handling des Hauses, Anschlagmaterial unter dem Haus durchbringen kann, steht es auf Vierkantstahlrohren. Darüber und darunter ist ausreichend RH-Material ausgebracht worden, sodass das Haus reibungstechnisch vollkommen vom Stahl und der wiederum vollkommen von der Ladefläche getrennt ist. Wir können also ruhigen Gewissen eine Reibung von μ = 0,6 annehmen. Für unsere seitlichen Sicherungen heißt das, dass sie eigentlich nur die Aufgabe der Mindestsicherung übernehmen müssen, und das können sie in dieser Konstellation sicherlich.
Abbildung 4 [ Holger Kastner]
Dazu kommt noch eine seitliche Sicherung, die unter der Ladung zu finden war. Hier war der Ladungssicherungspunkt richtig angebracht und die Kette war „durchgeschlauft“ was wir eigentlich nicht so gerne sehen, aber in diesem Fall erfüllt die Kette voll und ganz ihre Funktion.
Der Dreh- und Angelpunkt dieses Bildes des Monats ist und bleibt die Verbindung Ladungssicherungspunkt / Haus.
Da dazu keiner eine Aussage treffen konnte, müssen wir uns mit einfachen Faustformeln behelfen um eine Einschätzung zu bekommen (nicht mehr aber auch nicht weniger).
Was haben wir?
- Stahlplatten ca. 8 -12 mm stark, auf denen die LS-Punkte verschweißt waren, die sind über jeden Zweifel erhaben.
- Diese waren mit vier Holzschrauben à 8 x 240mm mit dem Haus verschraubt. Unter den Schrauben sind Unterlegscheiben. Die Schrauben sind nicht versenkt, sondern stehen etwas hervor.
- Diese Verbindung wirkt auf den ersten Blick als der eigentliche Schwachpunkt der Ladungssicherung. Das ging nicht nur dem kontrollierenden Beamten vor Ort so sondern auch uns.
- Deswegen haben wir uns auf die Suche gemacht. Beim Stahl der Schrauben unterstellen wir Stahl der Güteklasse „8“ das bedeutet eine Zugfestigkeit von 800N/mm². Achter Stahl ist der Null Acht 15 Stahl aus dem früher in der Regel Ladungssicherungsketten hergestellt wurden. Es kann durchaus sein, dass diese Schauben aus höherwertigem Stahl gefertigt waren, das wissen wir aber nicht, darum ist unsere Angabe nur eine Annahme.
- Bei einer Schraube von einem Durchmesser von 8mm (Pi x r⊂) ergibt sich eine Fläche von 50,24mmr⊂.
- Stahl der Güteklasse 8 unterstellt hat eine Zugfestigkeit von 800n /mm² multipliziert mit 50,24 ergibt eine Zugfestigkeit von 40.192N = 4.019 daN
- Was hier aber gefragt ist, ist die Scherfestigkeit der Schrauben. Auch hier gibt es eine Faustformel, die auf der sicheren Seite rechnet. Sie besagt, dass 40% der Zugfestigkeit als Scherfestigkeit angenommen werden können. Das wären dann noch 1.608 daN
- Da wir aber bis hierhin mit der Bruchlast gerechnet haben, müssen wir jetzt noch einen Sicherheitsfaktor von mindestens 2 anbringen sicherer wäre ein Faktor von drei. Bei einem Sicherheitsfaktor von 2 erhalten wir eine Scherfestigkeit pro Schraube von 804 daN und bei einem Sicherheitsfaktor von 3 eine Scherfestigkeit von 536 daN.
- Da wir pro Platte vier Schrauben zur Verfügung haben können wir diese Kräfte mit 4 multiplizieren und erhalten einen LC-Wert von 2.144 daN.
- An dieser Stelle sein nochmals unterstrichen, dass diese Werte mit Faustformeln zu Stande gekommen sind. Diese sind und waren in der Seeschifffahrt gängig, da dort häufig Materialien Verwendung finden deren Eigenschaften nicht bekannt sind.
- Jetzt wo ein LC-Wert der vier Schrauben bekannt ist, prüfen wir welchen Beanspruchungen die Sicherungen standhalten müssen.
- Seitlich fehlt nur noch die Mindestsicherung, die fast immer mit einer Niederzurrung hergestellt wird. Diese Sicherungsart ist hier nicht anwendbar, daher wurden Direktsicherungen gewählt. Die Verbindung LS-Punkte zum Haus sind der Schwachpunkt der Sicherung, liefern aber zweimal 2.144daN an Sicherungskraft. 4.288daN an Mindestsicherung sind ausreichend und damit ist die seitliche Sicherung in Ordnung.
- Die Sicherung in Längsrichtung wurde ebenfalls mit zwei Direktsicherungen hergestellt. Keine Verluste für Winkel, ergo kann die Sicherungskraft von zweimal 2.144 daN, also 4.288 daN 1:1 in Ansatz gebracht werden.
- Das Haus hat eine Masse von 11,5t. Steht zu 100% auf RH-Material, somit kann eine Reibung von µ =0,6 in Ansatz gebracht werden. Es fehlen 0,2 x Ladungsmasse an Sicherungskraft. 1,15 x 2 = 2,3 das entspricht einer fehlenden Sicherungskraft von 2.300 daN. Da die beiden LS-Punkte 4.288 daN an Sicherung zur Verfügung stellen, ist die Sicherung ausreichend.
Das ist auch für uns ein überraschendes Ergebnis. Das heißt natürlich nicht, dass zukünftig die Ladungssicherung mit Faustformeln berechnet werden soll, ganz und gar nicht. Dieses Beispiel zeigt aber, dass Faustformeln eine gute Einschätzung vermitteln können, mehr aber auch nicht.
Was ist in solchen Fällen zu tun? Derjenige, der sich diese Sicherung ausgedacht hat, muss die Scherfestigkeit der Schrauben kennen oder berechnen können, besser als wir das getan haben mit unseren Faustformeln. Diese Berechnung muss belegt und der Transport damit ausgestattet werden. Damit liegt die Verantwortung für die Sicherheit des LS-Punktes bei dieser Person. Die Geschäftsführung des Unternehmens muss sicherstellen, dass die entsprechende Person dazu in der Lage ist den Scherwiderstand zu berechnen, sonst fällt die Verantwortung der Geschäftsführung zu.
Es kann nicht sein, dass sich auf der Straße Polizeibeamte, Fahrer und oder Verladepersonal mit derartigen Fragen auseinandersetzen müssen. - Diese Verbindung würde sicherlich einiges halten, aber die Ladungssicherungsmittel samt LS-Punkt waren dafür vollkommen überdimensioniert. Sicherlich deswegen, weil sie mehrfach eingesetzt werden, auch bei unterschiedlichen Ladungen.
Abbildung 5 [ Holger Kastner]
Auf der Abb.5 ist der Ladungssicherungspunkt wieder falsch angebracht. Natürlich kann er so auch Kräfte aufnehmen, aber eigentlich sollte das Auge um 90&grad; versetzt auf die Platte geschweißt sein. Wie oben mit der Faustformel berechnet, wird diese Sicherung ausreichen, auch wenn der LS-Punkt um 90&grad; falsch aufgesetzt wurde. Die Kette ist gut gespannt, das sieht man an ihrer Geometrie, denn sie hängt, wenn überhaupt, nur ein oder zwei Millimeter durch. Warum die Sicherung in Längsrichtung unter dem Haus stattgefunden hat, ist nicht überliefert, wir können nur mutmaßen, dass es um die Optik des Hauses geht, denn jegliches Anbringen von LS-Punkten würde Spuren hinterlassen.
Ein Abstützen gegen die Stirnseite des Aufliegers wäre eine weitere Alternative, aber auch das würde ggf. Spuren hinterlassen, dazu kommt, dass sich dort belastbare Teile des Hauses befinden müssen.
Abbildung 6 [ Holger Kastner]
Auch auf der Abb. 6 sticht das geometrische Missverhältnis zwischen Belastung und Konstruktion ins Auge. Auch hier gilt, wäre der LS-Punkt um 90&grad; versetzt auf der Platte aufgeschweißt worden, würden die Kräfte auch „natürlich“ fließen. Oder aber die Anschlagplatte wäre um 90° verdreht, also vertikal angeschraubt gewesen.
Abbildung 7 [ Holger Kastner]
Die Abb. 7 zeigt den nicht vorhandenen Formschluss nach vorne.
Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen einen angenehmen und ladungssicheren Frühsommer.
Zurück zum Anfang