Foto des Monats – Mai 2009
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Kein Gegenverkehr!


Das in der Abbildung 1 abgelichtete Sattelkraftfahrzeug musste aufgrund eines zu spät erkannten Rotlichtes eine Vollbremsung einleiten. Die Ladung, die u. a. aus einem Gussblock mit einer Masse von 21 t bestand, hat sich aufgrund ihres Beharrungsvermögens und einer offensichtlich unzureichenden Ladungssicherung relativ zur Ladefläche in Bewegung gesetzt. Man kann es auch so ausdrücken, dass sich das Fahrzeug unter der Ladung weggebremst hat.



Abbildung 1 [Kreppold, PHM/A]


Der Gussblock ist auf der linken vorderen Seite des Fahrzeugs durchgebrochen. Er ist in der Abbildung 1 am linken Bildrand zu sehen. In der Abbildung 2 ist zu erkennen, dass sich das Fahrzeug während seiner Bremsung in einer Rechtskurve befand. Folgerichtig wurde der Gussblock relativ zur Fahrzeugbewegung nach links vorne beschleunigt. Die grundsätzliche Aufgabe der Ladungssicherung ist, der Ladung physikalisch mitzuteilen, in welche Richtung das Fahrzeug sich zurzeit bewegt oder beschleunigt wird.



Abbildung 2 [Kreppold, PHM/A]


Die ca. 2 m lange Blockierspur zeigt, dass es sich hier um eine recht ausgeprägte Bremsung gehandelt haben muss:



Abbildung 3 [Kreppold, PHM/A]


Die Aufbauten des Curtainsiders haben einer derartigen Ladung nichts entgegenzusetzen. Dies ist grundsätzlich auch nicht ihre Aufgabe, wenn sie nicht durch einen speziell verstärkten Aufbau z. B. zur Ladungssicherung von Getränkekisten etc. ausgerüstet sind. Der Blick in den Innenraum (siehe Abbildung 6) verrät, dass es sich hier um einen Standard Curtainsider handelt, der nicht verstärkt ist. Die Abmessungen des Gussblocks verraten, dass zu beiden Seiten eine Ladelücke bestand. Insbesondere die kumulierende Beschleunigung (Vollbremsung und Fahrtrichtungsänderung nach rechts) hat den Gussblock nicht nur seitwärts, sondern auch nach vorne beschleunigt, sodass er einen weitaus längeren Rutschweg diagonal auf der Ladefläche zur Verfügung hatte. Die kinetische Energie, die sich bei derart hoher Ladungsmasse aufbaut, hätte auch nicht durch ein Hamburger Verdeck oder einen geschlossenen Kofferaufbau "gebremst" werden können.

Der Aufschlagpunkt der Ladung auf der Fahrbahn verrät ansatzweise, welche Kräfte hier gewirkt haben müssen:



Abbildung 4 [Kreppold, PHM/A]


Der 21 t schwere Gussblock liegt auf der Gegenfahrbahn, die zurzeit des Unfalls glücklicherweise nicht befahren wurde. Welches Gefahrenpotential aus diesem Bild (Abbildung 5) spricht, muss an dieser Stelle sicher nicht weiter ausgeführt werden:



Abbildung 5 [Kreppold, PHM/A]


Der Gussblock war nach Angaben der Polizei im vorderen Drittel des Aufliegers geladen. Vergleicht man diesen Beladungszustand mit den gängigen Lastverteilungsplänen von Sattelaufliegern, zeigt sich schon hier ein eklatanter Fehler bei der Lastverteilung. Die Ladungssicherung bestand aus immerhin vier Gurten, die diagonal, aber leider als Niederzurrung über den Gussblock gespannt waren.



Abbildung 6 [Kreppold, PHM/A]


Wie hätte man ein derartiges Ladungsteil richtig sichern können?

Zuerst muss die Lastverteilung richtig vorgenommen werden. Ein Ladungsteil mit einer derartigen Masse kann mit seinem Schwerpunkt nur exakt an der Stelle geladen werden, an der die Lastverteilungskurve des Aufliegers ihr Maximum erreicht. In der Regel ist das kurz vor der ersten Achse des Dreiachsaggregates des Aufliegers. Dann ist zu prüfen, ob die Streckenlast des Aufliegers ausreicht, um auf einer derart kurzen Distanz eine so hohe Masse aufzunehmen. Gemeint ist, ob die Ladefläche auf einer Länge von ca. 1 m oder 1½ m 21 t aufnehmen kann. Das wird in der Regel nicht so sein, insofern muss die Last über Balken oder sogar Stahlträger auf der Ladefläche verteilt werden.

Wie immer bei der Ladungssicherung kommt der Reibung eine erhebliche Bedeutung bei. Da die Beschleunigung auf der Ladefläche im direkten Zusammenhang mit der guten Reibung der Reifen auf der Fahrbahn steht, ist es sinnvoll, der Ladung auf der Ladefläche eine ähnliche Reibpaarung zu gönnen. Eine ähnliche gute Reibung ist mit sogenannten RH-Matten zu erreichen. Bei einem derartigen gebrauchten Gussteil ist damit zu rechnen, dass aus den augenscheinlich vorhandenen Hydraulikanschlüssen noch Öl läuft. Deshalb ist sehr darauf zu achten, solche rutschhemmenden Matten auszuwählen, die gegen die Beaufschlagung von Öl unsensibel reagieren, aber gleichzeitig auch in der Lage sind, derartig hohe Drücke aufzunehmen. Sofern lastverteilende Maßnahmen durch das Unterlegen von Hölzern oder Stahlprofilen erforderlich sind, um die Reibung homogen an die Ladung weitergeben zu können, muss das RH-Material sowohl unter als auch über diese lastverteilenden Elemente gelegt werden. Man spricht dann auch von Sandwich-Elementen, da oben und unten RH-Matten ausgelegt werden, wie bei einem Sandwich das Brot.


Die Sicherungsmaßnahmen:

Theoretisch kann jetzt von einer Reibung von μ = 0,6 ausgegangen werden. Insofern sind in Längsrichtung noch 0,2 g abzusichern. Das macht bei einer Ladungsmasse von 21.000 kg ca. 4.200 daN. Unser Ladungssicherungsvorschlag wäre, den Gussblock in Längsrichtung mit zwei und zu beiden Seiten und nach hinten mit jeweils einer Umspannung zu sichern. Sofern das Ladungssicherungsmittel dabei mit scharfen Kanten in Berührung kommt, sind entsprechende Schutzmaßnahmen (Schutzschläuche, Kantengleiter, etc.) zu verwenden. Die beiden Umspannungen in Längsrichtung müssen auf unterschiedliche Ladungssicherungspunkte gesetzt werden. Würde man nun die erste Umspannung auf die beiden Ladungssicherungspunkte, die direkt hinter dem Gussteil am Fahrzeugrahmen zu finden sind, setzen und die nächste Umspannung in den Ladungssicherungspunkt weiter hinten, würde sich eine kurze und eine lange Umspannung ergeben. Dies ist im Belastungsfall ungünstig, da zuerst aufgrund der geringeren Dehnung der kürzere Gurt beaufschlagt würde und danach erst der deutlich längere Gurt. Deshalb wird von uns empfohlen, die Ladungssicherungsmittel asymmetrisch zu setzen, d. h. auf der einen Seite den vorderen Ladungssicherungspunkt zu nutzen und auf der anderen Seite den hinteren. Die Asymmetrie, die sich hierdurch im Belastungsfall ergibt, hebt sich durch die Verwendung von zwei Umspannungen wieder auf. Die folgende Zeichnung verdeutlicht diese Asymmetrie, die beiden Umspannungen sind zur Unterscheidung in roter und blauer Farbe eingezeichnet:



Die Umspannungen zu den Seiten und nach hinten sind der Übersicht halber nicht dargestellt.


Überprüfung:

Theoretisch ist jetzt alles in bester Ordnung. Nach vorne wirken knapp 8.000 daN Sicherungskraft, zu den Seiten und nach hinten jeweils 4.000 daN. Bei einer Reibung von 0,6 und einer maximalen Beschleunigung zur Seite von 0,5 erfüllen die Umspannungen zur Seite und nach hinten die Forderung nach einer Mindestsicherung. Wir empfehlen aber, da der Gussblock ölverschmiert ist und ggf. während des Transports noch weiteres Öl austreten kann, die Reibung der RH-Matten theoretisch auf 0,4 herunterzusetzen und dann mit den neuen Gegebenheiten die Sicherung nochmals zu überprüfen. Dies ist eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, die in keiner Richtlinie zu finden ist, aber für einen verantwortungsvollen Teilnehmer am Straßenverkehr nicht zu viel verlangt ist. Setzt man diese Überprüfung in die Tat um, zeigt sich, dass in Längsrichtung noch gut 400 daN an Sicherungskraft fehlen. Dies ist durch eine zusätzliche dritte Umspannung zu gewährleisten.

Um für die drei Umspannungen gleich lange Gurte verwenden zu können, ist es empfehlenswert, zwei Gurte asymmetrisch und den dritten Gurt symmetrisch zu setzen. Dafür müssen je Seite drei Ladungssicherungspunkte verwendet werden. Die beiden ersten, asymmetrisch gesetzten Gurte sollten jeweils auf der einen Seite den vorderen Ladungssicherungspunkt nutzen und auf der anderen Seite den letzten. In der Zeichnung unten sind diese beiden Umspannungen rot und blau dargestellt. Die dritte Umspannung wird symmetrisch gesetzt und nutzt auf beiden Seiten den mittleren Ladungssicherungspunkt. Diese Umspannung ist in der Zeichnung in gelber Farbe dargestellt:




Die Umspannungen zu den Seiten und nach hinten sind der Übersicht halber nicht dargestellt.


Alternativ zu dieser zusätzlichen Umspannung in Längsrichtung können die fehlenden 400 daN Sicherungskraft auch durch zwei entsprechende Niederzurrungen erreicht werden.

Wer sich an dieser Stelle fragt, wozu diese "Übervorsicht", dem sei an dieser Stelle nochmals die geflissentliche Betrachtung der Abbildung 5 empfohlen. Unseres Erachtens spricht aus dieser Abbildung ein erhebliches Gefahrenpotential. Der geneigte Betrachter, dem die Ladungssicherungsaufwenden dann immer noch übertrieben vorkommen, möge sich vor seinem geistigen Auge in ein entgegenkommendes Fahrzeug setzen, das zum Zeitpunkt des Unfalls die Unfallstelle passieren will.




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