Das Wassersportrevier Kieler Förde (III)
– rechtliche Betrachtungen –
  Vortrag von Herrn H.-Eckhard von der Mosel, VON DER MOSEL Rechtsanwälte, Kiel




Das Foto oben zeigt Blick aus dem Büro des Vortragenden auf die Hörn am Tagungstag. Hier beginnt das Wassersportrevier Kieler Förde.

Eine kleine touristische Führung:

Ganz links der Bahnhof (der ICE benötigt gut 2 Stunden bis Berlin); davor, noch in Bau, das neue Hotel Atlantic (eröffnet im Juni 2010). Dahinter der Turm des Kieler Ratshauses. In der Bildmitte die berühmte 3-Feld-Klappbrücke, die das Ost- und Westufer Kiels verbindet. Dahinter -noch in Bau- der neue Stena-Terminal. Gleich daneben liegt schon die Stena-Fähre für die Fahrt des Verbandes nach Göteborg bereit.

Als "Seebahnchef" ist der Vortragende ehrenamtlich bei der Organisation von Regatten wie der Kieler Woche tätig.

Das folgende Foto zeigt das während der Seeregatten als Zentrale genutzte Schiff. U. a. werden das regelkonforme Verhalten der Teilnehmer überwacht und ggf. Verstöße sowie Unfälle untersucht.




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Warum ist ein Anwalt Seebahnchef?

Rechtliche Probleme entstehen schnell in einem engen Gewässer wie der Kieler Förde, wo sich die Interessen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer überlappen. Die Bilder unten zeigen eine kleine Regatta bei nahezu Windstille. Der Fördedampfer fährt mitten durch die fast unbeweglichen Segelboote. Das große Fährschiff im Hintergrund nähert sich der Szenerie. Die kritische Situation wurde von lauten Warnsignalen des Berufsschiffes begleitet. Letztlich ist nichts passiert, aber die Diskussion über die notwendige Rücksichtnahme in der Förde wurde neu entfacht.




Die Tagungsteilnehmer wurden aufgefordert, die Situation rechtlich zu beurteilen.


Die relevanten Gesetze sind hier aufgeführt:

SeeSchStrO (Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung)


§ 1 – Geltungsbereich der SeeSchStrO: +
§ 2 – Begriffsbestimmung:
§ 2 I Nr. 11 Fahrgastschiff +
§ 2 I Nr. 13 Wegerechtsschiff –
§ 3 Grundregeln für das Verhalten im Verkehr

(1) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet und dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. (…)


§ 21 Grundsätze

(1) Die Fahrregeln dieses Abschnittes sowie des Siebenten Abschnittes gelten Sichtverhältnissen. Abweichend von den Regeln 11 und 19 der Kollisionsverhütungsregeln Buchstabe a und c und Regel 14 Buchstabe a und c der Kollisionsverhütungsregeln wenn die Fahrzeuge einander nicht in Sicht, aber mittels Radar geortet haben

(2) Beim Begegnen, Überholen und Vorbeifahren an Fahrzeugen und Anlagen nach Regel 8 Buchstabe d der Kollisionsverhütungsregeln einzuhalten.

§ 25 nicht anwendbar, da keine Situation im Fahrwasser


KVR

§ 3 Grundregeln für das Verhalten im Verkehr

(1) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet ist und dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Er hat insbesondere die Vorsichtsmaßregeln zu beachten, die Seemannsbrauch oder besondere Umstände des Falles erfordern.

Regel 5 – Ausguck

Jedes Fahrzeug muss jederzeit durch Sehen und Hören sowie durch jedes andere verfügbare Mittel, das den gegebenen Umständen und Bedingungen entspricht, gehörigen Ausguck halten, der einen vollständigen Überblick über die Lage und die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes gibt.


Regel 8 – Manöver zur Vermeidung von Zusammenstößen

a. Jedes Manöver zur Vermeidung eines Zusammenstoßes muss in Übereinstimmung mit den Regeln dieses Teiles erfolgen und, wenn es die Umstände zulassen, entschlossen, rechtzeitig und so ausgeführt werden, wie gute Seemannschaft es erfordert.

Regel 11 – Anwendung

Die Regeln dieses Abschnitts gelten für Fahrzeuge, die einander in Sicht haben.


Regel 18 – Verantwortlichkeiten der Fahrzeuge untereinander

Sofern in den Regeln 9, 10 und 13 nicht etwas anderes bestimmt ist, gilt folgendes:

a. Ein Maschinenfahrzeug in Fahrt muss ausweichen
I. einem manövrierunfähigen Fahrzeug;
II. einem manövrierbehinderten Fahrzeug;
III. einem fischenden Fahrzeug;
IV. einem Segelfahrzeug.

b. Ein Segelfahrzeug in Fahrt muss ausweichen
I. einem manövrierunfähigen Fahrzeug;
II. einem manövrierbehinderten Fahrzeug;
III. einem fischenden Fahrzeug.

(…)


Der Absatz a. in Kombination mit IV der Regel 18 kann hier herangezogen werden: "Ein Maschinenfahrzeug in Fahrt muss ausweichen" … "einem Segelfahrzeug".

Der Fördedampfer hätte demnach ausweichen müssen, aufgrund allgemeiner Verkehrsregeln.

(Anmerkung: Regattateilnehmer haben keinen Vorrang, auch wenn Regatten behördlich genehmigt sind.)

In diesem Fall kam es glücklicherweise zu keinem Unfall.


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Leider hat es einen anderen Fall gegeben, die fast zu einem Verbot von Regatten in der Innenförde geführt hätte.

Die folgenden Bilder zeigen eine Situation, die zu einem Unfall führte. Dieser geschah auf der Innenförde bei der Vorbereitung zu einem Klassiker-Rennen der Kieler Woche 2007. Dabei kollidiert der Fördedampfer mit einer Segelyacht auf dem Weg zum Start:








Wahrscheinlich sah der Skipper den Dampfer nicht, da dieser durch das Vorsegel verdeckt war. Zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden. Das beschädigte Segelboot konnte noch wenige Minuten schwimmen und sank dann.

Dieser Unfall verursachte eine große Diskussion über die Gefährlichkeit von Regatten auf der Innenförde. Ein allgemeines Verbot von Regatten in der Förde konnte glücklicherweise abgewendet werden. So bleiben uns die Kiel-typischen Bilder der Innenförde doch erhalten.

Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) arbeitet den Vorfall exakt auf und veröffentlichte anschließend einen Untersuchungsbericht. Aus diesem sind die 5 Fotos und die drei nachfolgenden Dokumente entnommen.


Die Unfallposition lag nah am Westufer, abseits des Fahrwassers (s. Karte unten).



Die entscheidenden Passagen des Fazits sind rot markiert. Sie besagen:

"… dass schifffahrtpolizeiliche Genehmigungsverfahren … für Regatten einer Überprüfung bedürfen."

Und:

"Grundsätzlich liegt die Aufgabe der Absicherung bei den Veranstaltern."

"Die Festlegung zum Verlauf des Fahrwassers … bedürfen … einer Überarbeitung."


Die Verlagerung der Aufsicht auf den Veranstalter können sehr hohe Kosten für die Ausrichter von Regatten bedeuten.

Die Führung des Fahrwassers auf der Innenförde wurde nach dieser Untersuchung tatsächlich geändert.

Aus Marketinggründen ist das Durchführen dieser Veranstaltungen auf der Kieler Innenförde für die Veranstalter sehr wichtig. Ein Verbot hätte katastrophale Folgen gehabt.

Letztendlich konnte ein Verbot abgewendet werden und die Genehmigungen werden unter etwas strengeren Auflagen weiterhin erteilt. Der Start der Kieler Woche kann auch weiterhin aus der Kieler Förde heraus stattfinden.




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Angst vor dem Start? Weitere Einblicke in das Regatta-Segeln

Die Seebahnen der Kieler Woche liegen außerhalb der Förde in der Kieler Bucht:



Die Seebahn "Alpha" ist ein relativ schwieriges Revier, da die Wassertiefen hier zwischen 7 und 20 m schwanken. Strömungen und unterschiedliche Wellenbildungen stellen eine Herausforderung dar.

Es werden fliegende Starts durchgeführt. Diese finden an einer Linie statt, die i. d. R. zwischen einem Startschiff und einer Boje verläuft.



Diese Skizzen sollen die Startsituation verdeutlichen:


Hier können rechtliche Fragen auftreten, z. B. wenn ein Boot an der Startlinie auftaucht, das nur noch 5 min Zeit bis zum Start hat, und ein weiteres, das noch 30 min Zeit hat (s. zweite Skizze).

Nach den Kollisionsverhütungsregeln hat das Boot mit 30 min Zeit Vorfahrt. Das Boot mit nur noch 5 min Zeit sieht sich jedoch unter den Regattabedingungen im Vorrecht, da es kurz darauf starten will. Käme es hier zu einem Unfall, stellte sich die Frage nach den anzuwendenden Regeln.

Bei Regatten kommt es sehr häufig zu Überlagerungen von rechtlichen Fragen.

Zwischen den Teilnehmern gelten eigene Regeln, die von internationalen Segelverbänden speziell für Regatten erstellt werden. Diese werden von den Organisatoren (in diesem Fall der Kieler Woche) übertragen und angepasst (sogenannte Segelanweisungen).

Wer außerhalb des Wettbewerbs fährt, gilt als „normaler“ Teilnehmer des Seeverkehrs – die speziellen Regattaregeln gelten für ihn nicht. Das gilt hier vordergründig für das Boot, das noch 30 min Zeit bis zum Start hat, denn es ist am aktuellen Rennen nicht beteiligt.

Aus dieser Problematik heraus werden derzeit die Bedingungen für die Kieler Woche überarbeitet. Dadurch sollen teilnehmende Boote untereinander, die auch nur auf dem Weg zu einem Rennen sind, bereits den Regattaregeln unterworfen werden.


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Abschließend sollen die entsprechenden Regeln erwähnt werden:


Regattasegler und ihre Regeln

– Segelanweisungen und IWB (Internationale Wettsegelbestimmungen)


Regeln gegenüber Dritten

– KVR (Kollisionsverhütungsregeln), SeeSchStrO (Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung),
  HafenVO (Hafenverordnungen)


Problematiken, die für weitere Vorträge vorgesehen sind u. a.:

– Haftungsausschlüsse bei Regatten (Eigner, Skipper, Crew)
– Kollision zwischen Schweizer und Russen“ – das ungelöste Versicherungsproblem
– Virtuelle Bahnmarken auf Seeregatten seit 1998



H.-Eckhard von der Mosel, Kiel
www.vondermosel.de





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