Abbildung 21 a: 5 cm Ladelücke, 23 t Stahl, eine Vollbremsung und das Ergebnis! [Bez.-Regierung Köln, ABI Ost, VD]
Sachverhalt zum Unfallhergang:
Sattelkraftfahrzeug (40 t zGG) ist mit einem Stahlcoil (23 t Masse) beladen. Coil liegt mit Auge (Wickelachse) längs zur Fahrtrichtung in einer Coilmulde und ist mit einem Zurrgurt (mit einer zulässigen Zurrkraft Fzul von 4.000 daN) in der Überspannung "gesichert". Vor dem Coil befinden sich 2 Steckrungen, jedoch wie nachträglich festgestellt wird, in einem Abstand von 5 cm zum Coil. Aus einer Geschwindigkeit von 70 km/h muss der Fahrer eine Vollbremsung einleiten mit gleichzeitigem Ausweichmanöver nach links.
Der Gutachter ermittelte folgenden Ablauf:
Der Zurrgurt reißt. Auf Grund des fehlenden Formschlusses (die Ladelücke betrug 5 cm!) kippt das Coil an, drückt die Rungen auf einen Winkel von ca. 45° herunter und beginnt sich zu drehen. Über die zu einer Rampe gedrückte Runge rollt das Coil durch die Stirnwand des Aufliegers, überwalzt das Führerhaus, fällt auf die Fahrbahn und kommt auf dem Kofferraum eines davor stehenden Pkw Audi zum Stehen bzw. zum Liegen. Dabei lösen sich bis auf eines, alle angebrachten Stahlbänder (Verpackung des Coils). Das verbleibende Band (um den Umfang des Coils) kann nur noch das komplette Endrollen des Stahlbleches verhindern. Der Fahrer des Lkw überlebt schwer verletzt. (Er lag ca. 3 Std. eingeklemmt in den Trümmern seines Führerhauses, bis er durch die Feuerwehr herausgeschnitten werden konnte.) Im Pkw wurde niemand verletzt.
Analyse:
Der Auflieger verfügte über eine Coilmulde und vorausgesetzt, dass die Stützweite und die Winkel der Lademulde entsprechend gewählt waren, war das Fahrzeug für den Transport von Coils liegend, Wickelachse in Fahrtrichtung geeignet. Des weiteren verfügte das Fahrzeug über 2 Steckrungen, die zur formschlüssigen Ladungssicherung in Fahrtrichtung ebenfalls als geeignet zu bezeichnen sind. Der Gurt von 4.000 daN in der Überspannung sicherte das Coil gegen das sog. dynamische Herausrollen. Die Frage der Standsicherheit des Coils in Fahrtrichtung war bei "Redaktionsschluss" nicht abschließend zu klären, da die genauen Abmessungen nicht in Erfahrung zu bringen waren. Soweit die Maße des Coils aus den Abbildungen zu entnehmen waren, war das Coil nicht standsicher. Insofern bedurfte das Coil einer zusätzlichen Sicherung gegen seine Kippgefahr in Fahrzeuglängsrichtung (nach VDI 2700 und 2702).
Die Ladelücke ermöglichte das Ankippen des Coils. Dieses Ankippen konnte durch die Niederzurrung nicht verhindert werden. Wäre das Coil formschlüssig an die Steckrungen herangeladen worden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieser Unfall so nicht passiert wäre. Dadurch, dass das Fahrzeug zusätzlich zur Vollbremsung auch ein Ausweichmanöver nach links eingeleitet hat, konnte sich das Coil in eine "Rollposition" drehen. Durch das ungehinderte Rollen bis zur Stirnwand wurde kaum Energie aufgezehrt, und das Coil konnte so die Stirnwand und das Führerhaus überrollen.
Eine wirklich sichere Verladung wäre nach dem GDV-Ladungssicherungshandbuch nur durch formschlüssiges Heranlegen an die Lademuldenbegrenzung und die Steckrungen sowie durch zwei Niederzurrungen und zwei Umspannungen durch den Kern des Auges erreicht worden. Die beiden Kernumspannungen sind nach GDV-Empfehlungen nach hinten zu führen, um eine zusätzliche formschlüssige Sicherung in Fahrtrichtung zu erreichen. Darüber hinaus ist eine formschlüssige Sicherung nach hinten sicherzustellen (entweder durch die eingelegte Coilmuldenabdeckung oder durch entsprechend gesetzte Umspannungen).
Reibungserhöhende Materialien sollten in den Coilmulden fest installiert sein.