Trends in der Logistik
Risikobestimmende Veränderungen im "Transport"
Vortrag von Herrn Ralf Zibell, Allianz Marine & Aviation Vers.-AG, Hamburg



Inhaltsverzeichnis


  Logistik – Ein Überblick zur Entwicklung

  Das Umfeld der Logistik – Globale und regionale Veränderungen in Industrie und Handel

  Die Güterströme folgen den Trends – Die Transportrisiken ändern sich

  Die Veränderungen setzen sich fort – Die logistischen Dienstleister im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Leistungsvielfalt

  Trends in der Logistik und Risikoänderungen im "Transport" – Ein Fazit

  Anhang: Präsentationsfolien






Logistik – Ein Überblick zur Entwicklung

"Die Entwicklungen in der Logistik- und Transportwirtschaft der letzten zehn Jahre sind so komplex geworden, dass es für die Unternehmen in dieser Industrie jederzeit einer permanenten Aktualisierung ihrer Strategie bedarf, um auf diesen Märkten erfolgreich zu agieren."

Mit diesen Worten eröffnete im vergangenen Herbst ein Präsidiumsmitglied des Deutschen Verkehrsforums die Präsentation zur jüngsten Delphi-Studie "Der Transportmarkt im Wandel" (Wagener & Herbst, Management Consultants GmbH, Potsdam und Technische Universität, Dresden, Lehrstuhl für BWL, Logistik im Auftrag Deutsches Verkehrsforum). Dieses Credo ließe sich bedenkenlos auch auf die Ergebnisse anderer Studien anwenden, die sich den Trends in der Logistik widmen. Traditionell führt der Bereich Logistik der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) gemeinsam mit der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) in regelmäßigen Abständen Untersuchungen durch, in denen die Entwicklung der Logistik dokumentiert und analysiert wird. Auffällig ist, dass zwischenzeitlich auch etliche andere Institute und Institutionen sich dieses Themas annehmen und mit dazu beitragen, den Wandel in unserer Logistik- und Transportwirtschaft transparent zu machen. Dies erscheint lohnenswert nicht nur für die beteiligten Logistikunternehmen, sondern in gleicher Weise auch für die Transportversicherung. Denn dieser beständige Wandel verändert auch unsere klassischen Transportrisiken, wenngleich nicht abrupt, so doch unausweichlich und ebenso permanent wie nachhaltig.

Um diese Zusammenhänge transparent zu machen, ist es zunächst erforderlich, sich einen Überblick zur Entwicklung der Logistik zu verschaffen, hier dargestellt in Anlehnung eines von der TU Berlin entworfenen Modells, siehe Anhang, Chart 3.

In den 70er und 80er Jahren war die klassische Logistik als Unternehmensfunktion stark konzentriert auf die physischen Abläufe des Material- und Warenflusses. Im Kern des logistischen Aufgabenspektrums ging es und geht es auch heute noch um eine optimale Zeit- und Raumüberwindung. Die Optimierung von Transport, Umschlag, Lagerung sowie Verpacken und Kommissionieren (TUL-Prozess) stand im Vordergrund des logistischen Interesses. Diese Kernfunktion dominiert auch heute noch die logistischen Prozesse in unserer Transportwirtschaft. In den überwiegend funktionsorientierten Unternehmensorganisationen sind die einzelnen Teilfunktionen in dieser Phase der Logistikentwicklung separat in die bestehenden Abläufe eingebettet. Sie werden getrennt voneinander geplant und gesteuert, dem logischen Ablauf der Auftragsabwicklung und Distribution folgend.

In den späten 80er Jahren rückte diese zunächst funktionsorientierte Logistikorganisation in das zentrale Interesse eines managementorientierten Ansatzes. Ziel war es, die Logistikleistungen an den Schnittstellen zwischen Beschaffung und Produktion einerseits sowie Produktion und Vertrieb andererseits funktionsübergreifend in die gesamtunternehmerischen Abläufe zu integrieren und sie durch Ausschaltung von Redundanzen oder ähnlich ineffiziente Arbeitsstrukturen somit effektiver zu gestalten. Die ehemals abgegrenzten Aufgaben der Logistik veränderten sich hin zu einer übergreifenden Querschnittsfunktion. Insbesondere in der Distribution wird die Kundenorientierung zur festen Zielgröße. Der Lieferservice und die Sicherung einer optimalen Güterverfügbarkeit rückten in den Brennpunkt des Interesses.

In den 90er Jahren wurde diese Entwicklung konsequent weitergeführt. Die klassische Funktionsorientierung wurde mehr und mehr überführt in eine flussorientierte Koordinations- und Steuerungsaufgabe, bei der der Aufbau und die Optimierung kompletter Wertschöpfungsketten in den Vordergrund rückten. Die Logistik integriert Funktionen zu bereichsübergreifenden Prozessketten. In den großen Unternehmen von Industrie und Handel standen nicht mehr ausschließlich die einzelnen unternehmensinternen Teilfunktionen im Vordergrund. Sie wurden mehr und mehr als ganzheitliches System geführt mit untereinander vernetzten Prozessketten.

Heute können wir beobachten, wie führende Unternehmen in Industrie und Handel zusammen mit ihren Dienstleistern aus der Transportwirtschaft ihre logistischen Aktivitäten über die Grenzen des eigenen Unternehmens erweitern. Es entstehen Kooperationen mit den Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Lieferanten über den Produzenten zum Handel bis hin zum Endkunden. Unternehmensübergreifend integriert die Logistik Unternehmen zu Wertschöpfungsketten bis hin zu globalen Netzwerken, in denen unterschiedliche Partner aus Industrie, Handel und Dienstleistung zunehmend miteinander verknüpft werden. Neue Logistik-Konzepte wie das Supply Chain Management finden in dieser Entwicklung ihren Ausdruck. Wenngleich die operativen Dienstleistungen schwerpunktmäßig auf den klassischen TUL-Prozess konzentriert bleiben, so ist doch unverkennbar, dass das Leistungsspektrum der Logistik mit der Planung, dem Aufbau und der Optimierung weltweiter Netzwerke dem Trend der wirtschaftlichen Internationalisierung folgt.

Wenn wir diese modellhafte Darstellung der Logistik zurückführen auf den aktuellen operativen Kern, werden die Chancen dieser Entwicklung und die hohen Erwartungen der beteiligten Unternehmen deutlicher. In einer feingliedrigen und eng verzahnten Teamarbeit sind die Logistiker nicht nur verantwortlich für die Architektur intelligenter, modularer Versorgungs- und Wertschöpfungsketten. Sie organisieren diese "Supply Chains", besetzen sie in den individuellen Teilfunktionen mit Fachkräften bzw. verbinden die Akteure in Netzwerken, steuern und kontrollieren die miteinander partiell und sequentiell verknüpften Prozesse und Prozessketten. Die Direktive ist vorgegeben durch den zeit basierten Wettbewerb, der den großen Unternehmen in Industrie und Handel hohe Fähigkeiten abverlangt, sofort auf Kundenwünsche reagieren zu können. Vor diesem Hintergrund soll die moderne Logistik einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, die Schnelligkeit in der Produktentwicklung ebenso wie in der Auftragsabwicklung zu steigern und die Durchlauf- und Lieferzeiten zu verkürzen. Dabei geht es nicht nur um Rationalisierungs- und Kostensenkungspotentiale. Es geht auch und vor allem um den Auf- und Ausbau von Wettbewerbsvorteilen, um die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz, um die "Anreicherung" der Lieferung oder sogar den Ersatz materieller Produktvariationen durch erweiterten Zusatzservice und Mehrwertdienste (z. B. Qualitätskontrolle, Etikettierung, Aufbereitung am Point of Sale (POS), Verpackungsentsorgung, Montage, Funktionstest und User-Einweisung, Ersatzteil- und Reparaturservice etc.) Denn der Erfolg der Unternehmen definiert sich immer weniger über das preisgünstigste Angebot, sondern mehr über seine Fähigkeit, als erster eine neue Technologie bzw. ein neues Produkt oder einen neuen Service im Markt zu platzieren und am schnellsten auf die Kundenbedürfnisse zu reagieren.

Wie aber erklärt sich die Dynamik, mit der diese Logistikentwicklung voranschreitet?



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Das Umfeld der Logistik – Globale und regionale Veränderungen in Industrie und Handel

Die Welt zeigt sich globalisiert, sie schrumpft zusammen unter Aufhebung bisheriger traditioneller Grenzen von Zeit und Raum. Es liegt auf der Hand, dass gerade die Logistik, die in ihrem Pflichtenheft an vorderster Stelle die optimale Zeit- und Raumüberwindung markiert, in diese Entwicklung nahezu hineingesogen wird. Der Schlüssel und Motor aus logistischer Sicht sind die Innovationen im Bereich der Mikroelektronik, der Telekommunikation sowie der hochentwickelten Techniken und Methoden zur Gewinnung, Übertragung, Speicherung und Weiterverarbeitung von Informationen. Sie bewirken eine nicht mehr aufhaltbare Eigendynamik – die Informationsrevolution, die im wesentlichen auf drei Eckpfeilern beruht.

An erster Stelle zu nennen ist die Verfügbarkeit und ständige Weiterentwicklung zunehmend leistungsfähigerer Rechner, mit der in früher ungeahnter Zuverlässigkeit immer größere Mengen von Daten unter verhältnismäßig geringem Zeitaufwand verarbeitet werden können.
Eine ebenso entscheidende Rolle in dieser Phase der Informationsrevolution spielt der stets schneller werdende Ausbau der internationalen Kommunikationsnetze. Sie ermöglichen einen zeitlich wie räumlich nahezu ungehinderten Austausch von Informationen. Zwischenzeitlich ist die Welt mit einem dichten Kommunikationsnetz überspannt, das fast jeden Punkt dieser Erde in oft nur Bruchteilen von Sekunden erreichbar werden lässt.
Der dritte Eckpfeiler dieser globalisierten Informationsgesellschaft liegt in der immer umfangreicher werdenden Bereitstellung satellitengestützter Breitbandkanäle, die es ermöglichen, riesige Datenpakete, Bild und Ton an nahezu jeden Ort der Welt zu übertragen. In der Welt der Kommunikation geht die Sonne nicht mehr unter, die Ereignisse finden in Echtzeit statt, der Tag in den globalen logistischen Netzwerken hat endgültig 24 Stunden.


Neben diesen technischen Möglichkeiten, mit denen Industrie und Handel sowie der Austauschprozess von Gütern und Dienstleistungen nahezu grenzenlos vernetzt werden, gibt es allerdings noch weitere wesentliche Faktoren, die die Dynamik dieser Entwicklung ausmachen und das Umfeld, in dem die Logistik arbeitet, verändern.

Im Verbund mit den technologischen Entwicklungen haben wirtschaftliche und politische Zielsetzungen die Möglichkeiten für weltweiten Handel und Güterverkehr gerade in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch erweitert. Der außenwirtschaftlichen Liberalisierung folgend werden transnationale Bewegungen von Kapital und Technologie erleichtert, je mehr die Regierungen die Schutzwälle um ihre Volkswirtschaften abbauen. Am Anfang der Entwicklung stand die Einsicht, dass Staaten und Märkte, die sich wirtschaftlich nicht abschotten und in einen offenen Austausch mit anderen Volkswirtschaften treten, Wohlstandsgewinne erzielen können. Zwischenzeitlich haben wir nicht nur erlebt, wie im Zuge des Ende der kommunistischen Wirtschaftsordnung die Ostmärkte sich öffnen, sondern wir erkennen auch deutliche Fortschritte in der Integration Europas und anderer Wirtschaftsregionen wie z.&sbsp;B. im pazifischen Raum (ASEAN), in Nordamerika (NAFTA) oder in Südamerika, wenngleich mit unterschiedlich starken Triebkräften und auch Rückschlägen. Auf gleicher Linie liegen die weltweiten Bemühungen der Welthandelsorganisation (WTO) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Diese Entwicklung vollzieht sich nur langsam, ist im alltäglichen Geschehen des weltweiten Güter- und Technologietransfers kaum zu beobachten. In der langfristigen Perspektive wird allerdings sehr deutlich, wie aus ehemals regionalen und nationalen Wirtschaften und Produktionen globale Unternehmen entstehen. Darüber hinaus verändern sich die traditionellen Industrien, die auf natürlichen Rohstoffen aufbauen, hin zu künstlichen Hightechindustrien, die auf menschlicher Intelligenz basieren, siehe Mikroelektronik, Biotechnologie, Robotics, etc. Im Ergebnis verändern diese Megatrends nicht nur das Umfeld und die Strategien des unternehmerischen Handelns im Wettbewerb, sondern sie schaffen eine ständig steigende und sich auch in ihren Inhalten erweiterte Nachfrage nach modernen logistischen Dienstleistungen.

Parallel zur außenwirtschaftlichen Liberalisierung vollzieht sich in vielen Ländern die innerstaatliche Deregulierung – so insbesondere auch im deutschen Güterverkehrsmarkt. Lange Zeit hatte in unserer hiesigen Verkehrswirtschaft gegolten, dass ihre Dienste der nationalen Gemeinschaft zu gleichen Preisen und Qualitäten angeboten werden sollten. Ohne diese verkehrsmarkt- und verkehrsstrukturpolitische Reglementierung von Tarifen, Marktzugangsrechten, Konzessionen und Lizenzen bewerten zu wollen, ist doch offensichtlich, dass der Abbau der staatlichen Lenkungsmaßnahmen zu drastischen Veränderungen gerade in dieser Dienstleistungsbranche geführt hat. Bei auch heute noch erkennbaren Defiziten in der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen hat der entstandene und weiterhin bestehende Wettbewerbsdruck zu gravierenden Preisreduzierungen im Transport geführt sowie zu quantitativen, qualitativen und strukturellen Veränderungen im Verkehrsmarkt. Aus den systemimmanenten Regulierungsmechanismen dieses Marktes sind aber auch neue Dienstleistungen und Anbieterstrukturen entstanden, die sich anschicken, den supranational tätigen Handels- und Industrieunternehmen als Impulsgeber und Problemlöser zu dienen. Wenngleich es oft noch ein weiter Weg ist bis zur "Symbiose" der Akteure in diesen Netzwerken, so ist doch erkennbar, dass sich hier ganz neue Formen der Kooperation und Koordination entwickeln. Sie werden die klassischen Dienste im TUL-Prozess nicht verdrängen, sie aber im operativen wie auch im administrativen Bereich der Logistik maßgeblich ergänzen.

Kern der Globalisierung in Industrie und Handel ist die permanente Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung. Sie ist nicht nur Folge der fortschreitenden Liberalisierung im regionalen und im Welthandel. Innovative Techniken im Verbund mit der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie begünstigen sowohl umfangreichere als auch arbeitsteiligere Produktionen, zumal das Potential der Logistik es ermöglicht, unter anderem die Transportketten schneller und billiger zu gestalten. Vor diesem Hintergrund geht die Wirtschaft immer häufiger und erfolgreicher dazu über, ihre Materialien, das Know-how und den Produktionsfaktor Arbeit dort auf den Weltmärkten zu realisieren, wo bei ganzheitlicher Betrachtung – logistische Kalküle also einbezogen – das beste Preis/Leistungsverhältnis zu erwarten ist. Wie zeigt sich diese Verlagerung der Aktivitäten (Dislozierung)?

Aus der Trendanalyse der TU Berlin zum Global Sourcing – siehe Anhang Chart 9 – wird erkennbar, dass das Beschaffungsvolumen zwar mehrheitlich noch aus unseren lokalen Märkten bezogen wird, jedoch zukünftig mit rückläufiger Tendenz. Ebenso deutlich wird der Trend hin zu den grenznahen Beschaffungsmärkten der EU und der MOE-Staaten sowie darüber hinaus zu den fernöstlichen Märkten und dem NAFTA-Raum. Diese Strategie des Global Sourcing betrifft den Ursprung der Waren direkt und somit die "Bezüge" in den TR-Policen. Aus ehemals inländischen Beschaffungstransporten können grenzüberschreitende Transitverkehre werden mit teilweise globalem Charakter. Aus kommerzieller Sicht werden mit dieser Strategie nicht nur Preisvorteile ausländischer Anbieter abgeschöpft, sondern in gleicher Weise auch innovative und qualitative Fortschritte erzielt. Darüber hinaus dient das Global Sourcing auch zum Einstieg in neue Absatzmärkte.

Parallel zum Global Sourcing verändern sich die Standortpräferenzen der Industrieunternehmen, siehe Anhang Chart 11. Die Strategie des "Global Sourcing" wird konsequent vervollständigt mit der "Global Production". Die Tendenz dieser Standortpräferenzen zielt in Richtung der mediterranischen Anrainerstaaten, der MOE-Länder und in den fernöstlichen Raum. Neben den "weichen" Faktoren zur Standortauswahl, wie z. B. die Kontakte und Nähe zu Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, das gesellschaftlich-kulturelle Umfeld und die zu erwartende Kooperation der Behörden zählen vor allem die "harten" Facts, wie u. a. die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, die regional üblichen Lohn- und Energiekosten sowie Fiskalabgaben, die verfügbare Infrastruktur im Verbund mit den Logistikkosten und vor allem die Ergiebigkeit des zu bedienenden Marktes. Denn im Kern geht es nicht nur um Kostenvorteile, sondern auch um die globale Präsenz und die Verbesserung der regionalen Marktpositionen im internationalen Wettbewerb. Darüber hinaus können aus Sicht der Lieferanten die sich immer schneller wandelnden Kundenwünsche nur durch entsprechende räumliche Nähe zeitnah umgesetzt werden, situations- und bedarfsgerecht und im Verbund mit individualisierten servicebetonten.

Auf diese Art und Weise wachsen modulare Versorgungs- und Wertschöpfungsnetzwerke mit sich ändernden Beschaffungs- und Distributionsstrukturen sowie komplexen logistischen Prozessketten. Es entstehen strategische Partnerschaften zwischen Industrie, Handel, ihren weltweiten Lieferanten und Sublieferanten sowie den vielfältigen logistischen Dienstleistern. Ähnlich einem Reißverschluss vernetzt die Logistik alle beteiligten Unternehmen zu einem einheitlichen funktionierenden Ganzen. Die Integration der IT-Systeme aller Akteure ist für die Planung, den Betrieb und vor allem die Steuerung dieses unternehmensübergreifenden Verbunds einer der wichtigen und darüber hinaus hochsensiblen Bausteine. Insoweit erfordern diese Kooperationen und strategischen Allianzen unter anderem ein hohes Maß an Vertrauen und kann Abhängigkeiten schaffen, die von einigen Unternehmen durchaus skeptisch betrachtet werden.

Parallel zu diesen Entwicklungen erhöht ein weiterer Trend in der Weltwirtschaft die Bedeutung der Logistik, steigert ihre Nachfrage und eröffnet ihr die Möglichkeit erweiterter Dienstleistungen und Angebote – nämlich die seit den 90-er Jahren in der Industrie forcierte Reduzierung der Produktionstiefe und ihr Rückzug auf die strategischen Kernkompetenzen. Im Zuge dieser Entwicklung steigen die Outsourcing-Aktivitäten von Logistikleistungen und die Architekten der logistischen Netzwerke erweitern ihre Aufgaben. Es werden Wertschöpfungsanteile aus der Produktion in das logistische Leistungsspektrum integriert bis hin zur Vormontage von Modulen wie beispielsweise in der Automobilindustrie.

Abgesehen von diesen Entwicklungstendenzen in der Logistik erhöht die Reduzierung der Produktionstiefe in vielen Branchen insbesondere die Arbeitsteiligkeit der Wirtschaft. Hierdurch werden ursprünglich in der Produktion angesiedelte Aufgaben mehr und mehr in den Bereich der Beschaffung verlagert.

Wenn wir dieses Szenario der globalen und regionalen Veränderungen in Industrie und Handel, in dem die Logistik arbeitet und sich fortentwickelt, auf die Güterströme und die "Transport"-Risiken übertragen, was folgt daraus?



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Die Güterströme folgen den Trends – Die Transportrisiken ändern sich

Die permanent sich weiterentwickelnde internationale Arbeitsteiligkeit der Wirtschaft im Verbund mit der Liberalisierung der Rahmenbedingungen für den transnationalen und den regionalen Handel führt zu einem ständig wachsenden Gütervolumen. Dies zeigt sich eindeutig in den nationalen sowie europäischen Daten des Güterverkehrs, spiegelt sich aber auch und weit eindrucksvoller in den Statistiken des globalen Güteraustausches wieder, siehe Anhang Chart 17. Den Quellen der WTO/OECD ist zu entnehmen, dass beispielsweise das weltweite Handelsvolumen – gemessen an den Exporten – in den 90er Jahren um den Faktor 8 höher war als 1960, aber im Gegensatz dazu die weltweite Produktionsleistung – gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt der Länder – im gleichen Zeitraum nur um den Faktor 3 gestiegen ist. Im Vergleich zum wirtschaftlichen Wachstum und Konsum steigt das Handelsvolumen also überproportional an, somit entsprechend auch die Vielzahl der Transportbewegungen. Dennoch vollzieht sich diese Entwicklung relativ stetig, wenn man von ein paar konjunkturellen Einbrüchen absieht.

Die Dynamik dieses Mengengerüstes hat sich in den einzelnen Güterbereichen allerdings sehr unterschiedlich niedergeschlagen – der Güterstruktureffekt. Während Bergbauprodukte und ähnliche Güterarten in dieser Warenstruktur Anteile verlieren, ist der Handel mit Industrie- und Verbrauchsgütern, wie insbesondere mit Maschinen und Fahrzeugen, chemischen und pharmazeutischen Waren, elektrotechnischen und elektronischen Geräten sowie Erzeugnissen des verarbeitenden Gewerbes von einer hohen Dynamik geprägt. In den Statistiken unseres hiesigen Verkehrsaufkommens – differenziert nach Güterarten (u. a. DIW, Berlin) – ist diese Entwicklung ebenfalls deutlich erkennbar. Darüber hinaus verweisen die Analysten des Welthandels im Unterschied zu früheren Austauschmustern wie "Rohstoffe des Südens gegen Industriegüter des Nordens" auf einen intensiver werdenden intra-industriellen Handel zwischen den hochentwickelten Industrieländern. Dieser Handel allerdings folgt eher dem Paradigma "Tausch von industriellen Halb- und Fertigwaren innerhalb derselben Warengruppe". Er wird um so umfangreicher, je häufiger im Zuge der kürzer werden Produktlebenszyklen und produktspezifischer Marketingstrategien ein Grundprodukt nach Typen, Klassen und anderen Kriterien differenziert wird.

Die hohen Wachstumsquoten im Transportaufkommen der Verbrauchsgüter verstärken ein Problem, dass im Schadenmanagement dieser Warenarten besonders deutlich wird. Es geht in diesem Güterbereich stets um konsumnahe und servicesensible Fertigprodukte, deren Risikospektrum vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass sie am Point of Sale mit wenig oder gar keinem Aufwand "entpackt" werden können und ihre Präsentation durch keine äußerlichen Mängel beeinträchtigt werden darf. Selbst kleinste Beschädigungen oder lädierte Transportverpackungen führen vermehrt zu Retouren. Die Reparaturfähigkeit dieser Warengruppen und ihre Schadwarenverwertung reduziert sich drastisch. Weiße oder braune Ware, pharmazeutische Produkte, Textilien und andere Markenartikel entwickeln sich selbst bei kleinsten Beeinträchtigen im TUL-Prozess dadurch immer häufiger zum Totalverlust. Darüber hinaus ist dieser Güterbereich aufgrund seiner Wertigkeit und Konsumnähe besonders diebstahlgefährdet, da seine Waren sich über den Weg der Hehlerei schnell in bare Münze umsetzen lassen.

Im Zuge dieses Volumenwachstums und Güterstruktureffektes steigen nicht nur die Schadenfrequenzen, sondern auch die Warenwerte und mit ihnen die Schadenhöhen. Die tendenziell steigenden Warenwerte in den Transportbewegungen werden deutlich unter anderem in der Entwicklung der Lieferantentypen und ihrer Unterlieferanten in den Zuliefer- und Versorgungsnetzwerken, siehe Anhang Chart 20. Im Zuge der "Lean Production"-Strategien und der oben genannten Reduzierung der Produktionstiefe gliedern sich die Lieferanten der Zulieferindustrien je nach Komplexität und Fertigungsgrad ihrer Produkte in eine stufenartige pyramidenähnliche Aufteilung. Der obersten Stufe dieser arbeitsteiligen Produktionsnetze werden die System- und Modullieferanten zugeordnet, die Module oder Untersysteme oder vergleichbar vormontierte Baugruppen liefern. Ihnen nachgeordnet sind die sogenannten Teile- und ihre Komponentenlieferanten, die Einzelteile sowie Werkstoffe und Halberzeugnisse den Systemlieferanten zur Verfügung stellen. Diesen wiederum nachgeordnet sind die Rohstofflieferanten, die die Rohstoffe für die Teile- und Komponentenfertigung liefern. Entsprechend der Trendanalyse der TU Berlin muß damit gerechnet werden, dass gerade der Typus des Modul- und Systemlieferanten, der in seinem Sortiment höherwertige Warenarten bewegt, seine Anteile im weltwirtschaftlichen Strukturwandel ausbaut, während der oben genannte Teilelieferant in diesen Sourcing-Strukturen Anteile abgeben wird. Insoweit läßt die trendmäßige Entwicklung dieser Zulieferstrukturen im sogenannten "Modular Sourcing" nicht nur das vielschichtige und interdependente Geflecht der involvierten Akteure erahnen. Es spiegelt in gleicher Weise auch den oben genannten Güterstruktureffekt wieder, mit dem die steigende Wertigkeit der Waren in den Transportbewegungen offensichtlich wird.

Die Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung und die Dislozierung der Wirtschaft (Global Sourcing, Global Production) führt unter anderem unsere Risiken des traditionellen TUL-Prozesses in neue Märkte mit anderen Schwerpunkten im Risikoprofil. Besonders deutlich wird diese Entwicklung nach der Öffnung der Ostmärkte. In den Schadenarten dieser Warenverkehre dominieren nicht die üblicherweise zu erwartenden mechanischen und klimatischen Einwirkungen. Stattdessen müssen wir uns mit Diebstahl, Raub, der Organisierten Kriminalität bis hin zum Betrug auseinandersetzen, was das Spektrum effizienter Präventivmaßnahmen erheblich erweitert und ihre Umsetzung erschwert. Bei den Warenschäden in diesen Transportbewegungen gibt es nur selten Teilschäden, Schadenminderungsmaßnahmen werden häufig vernachlässigt. Vielmehr bestimmen Totalverluste mit teilweise Großschadenpotential diese Schadenszenarien. Es muß erwartet werden, dass mit der Osterweiterung der EU dieser Trend sich zunächst verstärkt. Er ist aber und bleibt auch weiterhin nicht allein auf die östlichen Verkehrsrelationen konzentriert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft die Kriminalität im Güterverkehr der Internationalisierung der Märkte folgt. Schon heute sind entsprechende Schadenszenarien in vielen Regionen Westeuropas auffällig genauso wie in zahlreichen Ländern Lateinamerikas und im Fernen Osten.

Wie oben erwähnt, liegen die Präferenzen für neue Beschaffungsregionen und Produktionsstandorte schwerpunktmäßig in der EU und in den MOE-Ländern. Signifikant in dieser Entwicklung ist unter anderem die Zunahme der Veredlungsverkehre mit den mittelosteuropäischen Regionen, den Balkan-Ländern, aber auch einzelnen mediterranischen Anrainerregionen. Beispiele hierfür gibt es unter anderem in der Textilwirtschaft. Ihr konsumnahes Sortiment ist stark diebstahlgefährdet, was in diesen Verkehrsrelationen zu entsprechend auffälligen Verlusten kompletter Ladungen führt.

Und nicht nur die Güterstrukturen ändern sich. Die transnationale Ausdehnung der Beschaffungs- und Absatzmärkte führt im Trend zu längeren Transportwegen und somit zu umfangreicheren Belastungen der Güter während ihres Transits. Beredtes Beispiel hierfür sind nicht nur die prosperierenden Round-The-World-Dienste, mit denen Containerschiffe im weltumspannenden Liniendienst die kontinentalen Märkte verbinden. Schon die Wachstumsraten in den weltweiten Containerverkehren verdeutlichen diese Dynamik. Sie waren in den letzten zehn Jahren durchschnittlich mehr als doppelt so hoch wie die des Welthandels insgesamt. Im Zuge dieser Entwicklung wächst auch die Stellplatzkapazität der großen Containerschiffe und somit ihr Wertkumul. Über die verschiedenen Generationen des Containerschiffbaus hinweg sind in den Jahren 2001/2002 die Post-Panmax-Carrier in Dienst gestellt worden mit einer Kapazität von 7.500 TEU. Zwischenzeitlich nähert man sich der 10.000 TEU-Grenze. Denn nahezu alle führenden Klassifikationsgesellschaften haben Staukapazitäten dieser Größenordnung durchgerechnet und für machbar erklärt.

Im regionalen Geschehen des hiesigen Güterkraftverkehrs werden die länger werdenden Transportwege in den Verkehrsstatistiken genauso offensichtlich. Die Transportleistungen – also die tonnenkilometrischen Leistungsdaten dieses Gewerbes – steigen im Güterverkehr überproportional zum Gütervolumen. Selbst bei – konjunkturbedingt – rückläufigem Volumen dieser Verkehre im Jahr 2002 blieb die tonnenkilometrische Leistung stabil auf Vorjahresniveau.

In den Verkehrsarten ändert sich der Modal Split. Neben dem Seefrachtvolumen boomt auch das Luftfrachtaufkommen. Im Landverkehr baut der LKW aufgrund seiner traditionellen Affinität zum geforderten Leistungsprofil seinen Marktanteil kontinuierlich aus. Verkehrspolitisch wünschenswerten Verlagerungen auf die Schiene und zum Kombinierten Ladungsverkehr (KLV) fehlt die Dynamik, so dass auch das Risiko des "LKW-Diebstahls" sich durch derartige Verkehrsumstrukturierungen nicht abmildern läßt. Und noch eines offenbart diese Entwicklung. Eine engpassfreie Verkehrsinfrastruktur wird es in unseren Landen nicht geben. Zuerst werden der Straßen- und auch der Luftverkehr an die Grenzen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten stoßen. Für den Schienenverkehr liegt dieser Horizont noch etwas weiter in der Zukunft. Der Schiene werden zwar mittelfristig noch selektive Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt, aber nur unter der Prämisse, dass ihr Leistungsprofil näher an die logistischen Anforderungen herangeführt wird und die Preise im logistischen Kostenspektrum konkurrenzfähig werden. Beides kann aus heutiger Sicht nur in Güterbereichen und Verkehrsrelationen erwartet werden, die zur Affinität dieses Verkehrsträgers passen. Vor diesem Hintergrund kommt der Weiterentwicklung des Kombinierten Ladungsverkehrs besondere Bedeutung zu.

Unter dem Aspekt der Verkehrsverlagerungen erhält im Güteraustausch der europäischen Länder der Short-Sea-Verkehr wie auch der Fährverkehr über die Ostsee im Zuge der Ostmarktentwicklung neue Impulse. Ursächlich hierfür sind nicht nur infrastrukturelle Engpässe, Wartezeiten an den Grenzen etc., die die Leistungsfähigkeit der eigentlich relevanten Landverkehrsnetze begrenzen. Selbst im alpenquerenden Verkehr werden derartige Tendenzen erkennbar. Traditionelle Risikoprofile der Landtransporte müssen in Anbetracht der eventuell einzubeziehenden "Perils of the Sea" und/oder der Havarie-Grosse-Risiken überdacht werden. Ähnliche risikospezifische Änderungen ergeben sich in den zunehmenden Luftfrachtersatzverkehren oder transkontinentalen Containervor- und –nachläufen wie beispielsweise in den USA, ähnlich im KLV nach Osten und auf der Transsibirienroute, aber auch im Seehafenhinterlandverkehr der westeuropäischen Containerhäfen. Hier wird erkennbar, dass nicht nur komplette Supply Chains mit unternehmensübergreifenden Akteuren im Wettbewerb stehen, sondern als Part dieses Wettbewerbs Transportketten miteinander konkurrieren. Derartige Entwicklungen sind im Vorfeld profunder und rechtzeitiger Risikoanalysen kaum zu erfassen. Sie ändern dennoch das Risikoprofil unserer Transport- und Umschlagsbewegungen und erschweren das Umsetzen schadenvorsorglicher Präventivkonzepte.

Der Erfolg der Material-, Zeit- und Kostenoptimierung im Güterfluß der Versorgungsnetzwerke verstärkt tendenziell die Veränderung des Bestellverhaltens der Kunden und die Sendungsstrukturen. Die Auftragsfrequenzen steigen, aber die Bestellmengen werden kleiner, siehe Anhang Chart 28. Zunehmend wird ein breiter werdendes Sortiment mit anzahlmäßig steigenden Aufträgen an eine wachsende Anzahl Kunden geliefert, allerdings mit immer geringeren Liefermengen pro Auftrag. In Folge dieser veränderten Sendungsstrukturen nehmen die risikotechnisch so vorteilhaften Komplettladungsverkehre ab. Stattdessen boomt der Sammelgut- und KEP-Markt und mit ihm die ungeklärten Verluste von Kleinsendungen. Bei zu erwartenden weiter steigenden Anforderungen an den Zeitfaktor, die Qualität und die Flexibilität der Belieferung werden die Sendungsstrukturen nahezu atomisiert, siehe E-Commerce.

Am Beispiel der Sammel- und Kleingutverkehre wird deutlich, dass die veränderten Sendungsstrukturen das Schnittstellenproblem im TUL-Prozess erheblich verstärken. Soweit die Verlader ihr tägliches Sendungsvolumen nicht selber nach Verkehrsrelationen zu Teil- oder Komplettladungen konsolidieren, werden die Klein- und Sammelgutsendungen im Zuge ihrer Distribution häufiger umgeschlagen. Hierdurch steigt das Risiko der Beschädigungen und Verluste durch Fehlleitungen. Genau so problematisch ist bei diesen Sendungsstrukturen der Verlust ihrer Modulfähigkeit. Sie lassen sich immer schwieriger auf Ladungsträgern wie beispielsweise Paletten zusammenfassen, was eine formschlüssige Stauweise und ausreichende Ladungssicherung erheblich erschwert.

Besonders in Warensortimenten, die einem ständigen Wandel der Kundenwünsche und -bedürfnisse unterliegen, von daher durch viele Produktinnovationen und Produktvariationen sowie kurze Produktlebenszyklen gekennzeichnet sind, wird die Versorgung nach der markteinführenden Erstbestückung (Push-Prinzip) häufig auf das Pull-Prinzip umgestellt. Die Ware wird, solange sie marktaktuell ist, quasi vom Point of Sale (POS) herangezogen. Der Abverkauf am POS löst über die IT-Vernetzung mit dem Händler, seinen Herstellern und den Zulieferern/Sublieferanten sowie den logistischen Akteuren eine Nachbestellung aus, deren Umfang und Zeitbedarf mit den jeweiligen rollierenden Produktions- und Absatzplanungen sowie dem Materialbestand abgeglichen wird. Abgesehen davon, dass derartige Just-in-Time-Anlieferungen eine leistungsfähige IT-Anbindung aller Akteure sowie des Schnittstellenmanagement erfordern, wird an diesem Beispiel deutlich, wie hochkomplex und wechselseitig verflochten derartige Versorgungsnetzwerke werden können. Zitat aus der Logistik eines großen Handelskonzerns: "Wer seine Supply Chain im Griff hat, braucht keine Läger mehr. Es kommt nur noch das, was der Kunde braucht – und es kommt genau dann, wenn er es braucht". In Folge dieser und ähnlicher Lieferstrukturen müssen wir aus risikotechnischer Sicht uns zunehmend mit Zukaufwaren und mehrschichtigen Streckengeschäften auseinandersetzen, die nicht nur die Risikoanalyse, sondern auch die Organisation schadenvorsorglicher Präventivmassnahmen vor große Probleme stellt. Dennoch hat diese Entwicklung aus risikotechnischer Sicht auch durchaus positive Aspekte.

Vor dem Hintergrund steigender Effizienz der logistischen Versorgungsnetzwerke werden nicht nur Lagerbestände abgebaut, sondern ebenso Distributions- und Lagerstufen reduziert, siehe Anhang Chart 32, 33. Insoweit geht der Trend in Richtung europäischer Zentralläger und auch Direktbelieferungen, wodurch schadenträchtige Umschlagbewegungen reduziert werden. Zusätzlich kommen bestandslose Umschlagpunkte (Cross Docking) zum Einsatz, in denen eingehende Wagenladungen für den sofortigen Versand bedarfsgerecht aufgelöst und meist am gleichen Tag weiter in die regionale Verteilung gehen. Diese Reduzierung der Distributions- und Lagerstufen ermöglicht nicht nur eine signifikante Senkung der Bestände, sondern sie eröffnet die Möglichkeit beschleunigter Lieferzeiten, was in Anbetracht des zeitbetonten Wettbewerbs nicht unwesentlich ist. Darüber hinaus wird durch diese Verteilungssysteme die Komplexität in den logistischen Netzwerken reduziert und somit ihre Beherrschbarkeit verbessert.



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Die Veränderungen setzen sich fort – Die logistischen Dienstleister im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Leistungsvielfalt

Die gewerblichen Güterverkehrsunternehmen in unserem Markt befinden sich unverändert in einer anhaltend schwierigen Marktlage. Im Zuge der Liberalisierung der Verkehrsmärkte in der EU mit weiterhin bestehenden Rückständen bei der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen muß das Gewerbe sinkende Frachten und steigende Kosten verkraften. Die angespannte Ertragssituation drückt auch auf die Leistungsstandards. Die Ökosteuer, die Straßenbenutzungsgebühr für LKW bringen keine Entlastung und die Osterweiterung der EU wirft bereits ihre Schatten voraus. Der Marktanteil deutscher Unternehmen am gesamten grenzüberschreitenden Straßenverkehr sinkt weiter (rund 25 % in der EU, rund 10 % in den MOE- und Ostmärkten). Gemäß der Mittelfristprognose der Prognos AG wird den ausländischen LKW in den kommenden Jahren auf dem hiesigen Straßennetz ein deutlich höheres Wachstum vorausgesagt als den deutschen LKW. Die Entwicklung der Kabotageverkehre wird diesen Trend noch verstärken. Die angespannte Lage drückt sich aus in einer überdurchschnittlichen Zunahme der Insolvenzen in unserem hiesigen Verkehrsgewerbe und in einem nahezu stürmischen Konsolidierungsprozess, der gekennzeichnet ist durch eine hohe Anzahl von Unternehmensübernahmen und –zusammenschlüssen oder ähnlich gelagerten horizontalen wie auch vertikalen Kooperationen in der europäischen Logistikbranche.

Diese Entwicklung basiert nicht allein auf den anhaltenden Outsourcing-Aktivitäten in Industrie und Handel, die bei der Optimierung ihrer Lieferketten zumeist den dominierenden Partner stellen. Denn in zunehmendem Maße wird die Planung, Gestaltung und das Operating der überbetrieblichen Prozessketten auch von den Logistikdienstleistern angeboten, übernommen und vorangetrieben. Gerade in den letzten Jahren hat sich das Spektrum der logistischen Leistungen durch die steigende Wettbewerbsintensität deutlich erweitert. Es ist zwar einerseits als abgeleitete Nachfrage von den Entwicklungen in Industrie und Handel abhängig. Mit dem erweiterten Leistungsspektrum induziert es andererseits bei Industrie und Handel ein Potential an fremd zu vergebenden Aufgaben, was diesen wiederum im Zuge der Konzentration auf ihre Kernkompetenzen und der ausgeprägten Kundenorientierung in einem zeitintensiven Wettbewerb entgegenkommt.

Das zunehmende Logistik-Outsourcing – siehe Anhang Chart 36 – bleibt mittelfristig auf die klassischen Speditionsleistungen im TUL-Prozess konzentriert. Sie umfassen in ihren operativen Schwerpunkten die Lagerhaltung und Kommissionierung sowie den Umschlag und Transport und die damit im Zusammenhang stehenden Randtätigkeiten. Ergänzt wird dieses klassische Leistungsspektrum allerdings schon heute zunehmend durch administrative Zusatzleistungen mit wertsteigerndem Charakter, wie beispielsweise Informations- und Sendungsverfolgungssysteme. Insoweit wird der TUL-Spezialist dringend und weiterhin gebraucht, wenngleich er in einem harten Wettbewerb steht. In vielen Feldern dieser operativen Standardaufgaben ist bereits ein hohes Niveau beim Outsourcing erreicht. Aber die Leistungsanforderungen ändern sich. Sie variieren permanent und vor allem werden sie höher. Flexibilität und Qualität nehmen eine immer bedeutendere Rolle ein. Entwicklungssprünge besonders im Bereich der Informations- und Kommunikationssysteme beschleunigen diesen Trend und schaffen Spielraum für erweiterte Leistungsangebote. Für viele dieser TUL-Spezialisten stellt sich die Frage: Bleibe ich bei meinem Dienstleistungsspektrum oder begebe ich mich auf den Weg der komplexen logistischen Komplettangebote? Vorsicht vor einer gewissen "Überlast" erscheint geboten. Sonst kann die vermeintliche Erfolgsstrategie erweiterter Logistikdienste schnell in das Gegenteil umschlagen. Aus risikotechnischer Perspektive hat der leistungsstarke Branchenspezialist die besten Möglichkeiten, sich in das Nachfragepotential seiner Auftraggeber und die erweiterten Kundenbedürfnisse zu integrieren, seine Leistungen auf hohem Qualitätsniveau zu stabilisieren und somit auch einen Beitrag zur Reduzierung der Reklamationen und Schäden zu leisten.

In der Fortentwicklung der klassischen Standardaufgaben wächst der Markt für erweiterte logistische Kernleistungen, wie beispielsweise die produktionssynchrone Materialzuführung von vormontierten Modulen, die Rückführung der Alt- und Restprodukte, die Steuerung des Transportbehältereinsatzes, das Verpacken und die Verpackungsentsorgung sowie im administrativen Bereich das Bestandsmanagement und die Warendisposition.

Branchenspezifisch ergänzt werden diese erweiterten Kernleistungen mit wertsteigernden Zusatzleistungen wie z.&sbsp;B. Etikettierung, Qualitätskontrolle, Preisauszeichnung, Regalservice, Kundendienst und After-Sales-Service, Produkt- und Anwendungsbetreuung sowie administrative Aufgaben im Bereich der IT-Planung und –integration bis hin zur gesamtem EDV-gestützten Auftragsabwicklung. In diesem Bereich mit überdurchschnittlicher Dienstleistungstiefe sind auf Branchen spezialisierte Logistikdienstleister aktiv (z.&sbsp;B. Automotive, Textil, Lebensmittel), die über die entsprechenden Ressourcen und das sortimentspezifische Know-how verfügen, wenngleich es hier in der Logistiknachfrage von Industrie und Handel differenzierte Schwerpunkte gibt. Da die Hochindustrie sich traditionell und vorrangig über ihre Produkte differenziert und daher die Logistik nicht unbedingt als ihre Kernkompetenz ansieht, greift sie stärker auf die Fremdvergabe von Standardleistungen im Bereich der operativen Aufgabenstellungen zurück und erweitert dieses Spektrum durch die Vergabe produktionsnaher Leistungen bis hin zur sequentiellen Materialzuführung von vormontierten und produktionssynchronen Modulen, Beispiel Automobilindustrie mit in die Logistik verlagerten Wertschöpfungsanteilen, die originär der Produktion zuzuordnen wären. Der Handel – und in differenzierter Weise auch die Konsumgüterindustrie – ist in der Fremdvergabe von Standardleistungen eher zurückhaltend, ist doch deren originäre Leistungserstellung eng mit den logistischen Aufgabenfeldern verbunden. Gerade deshalb aber liegt für ihn in der Logistik eine wesentliche Differenzierungsmöglichkeit gegenüber seinen Konkurrenten, weshalb vor allem Zusatzleistungen im Materialmanagement und im Servicebereich nach der Ablieferung in diesem Outsourcing dominieren. Beispiele hierfür: Die Qualitätskontrolle, die Etikettierung und Preisauszeichnung, der Regalservice, die Verpackungsentsorgung sowie der gesamte Bereich des nachgelagerte Kundendienstes/After-Sales-Service.

Der Systemführer als logistischer Fullservice-Anbieter formiert sich im Markt, um regionale und transnationale Versorgungsnetzwerke unternehmensinterner und unternehmensübergreifender Art zu planen und umzusetzen einschließlich einer breiten Palette zusätzlicher Mehrwertleistungen. Sein Feld reicht vom Lagermanagement und der Bestandsverwaltung, vom Auftrags-, Transport- und Informationsmanagement bis hin in die Produktionslogistik, die Logistikberatung und in Einzelfällen sogar bis hin zur Finanzierung, Personal- und Wissensmanagement nicht ausgeschlossen. Er übernimmt und schafft nicht nur Wertschöpfungsanteile, sondern verknüpft Wertschöpfungsketten unterschiedlicher Partner aus Industrie, Handel und Dienstleistung miteinander. Die Basis seiner Aktivitäten ist neben der globalen Präsenz die Nutzung adäquater Informations- und Kommunikationsnetze. Für seine Dienste im operativen und administrativen Bereich verknüpft er seine eigenen Ressourcen und Leistungsangebote mit denen strategischer Partner und Subunternehmen. Dabei reagiert er nicht nur auf den Bedarf der Nachfrage, sondern agiert ebenso mit proaktiven Servicekomponenten. Es entstehen vertikale und horizontale Kooperationen mit engen Partnerschaften, die besonders im Bereich der organisatorischen Abläufe und des Datentransfers aufgrund ihrer notwendigen Transparenz hochsensibel sind. SCM-Softwareentwickler, IT-Integrator, Spediteure und Transporteure werden dienstleistend und produzierend genauso integraler Teil dieser Netzwerke wie die Versorgungsketten der Hersteller (OEM = Original Equipment Manufacturer) und ihrer Lieferanten/Sublieferanten in der Industrie und die Beschaffungs-/Distributionsketten des Handels und ihrer Unterhändler bis hin zum Endkunden.

Abgesehen von derartigen Netzwerken bei einigen Global Playern in Industrie und Handel hat der Fullservice-Anbieter in unseren hiesigen Märkten seinen Leistungsschwerpunkt vor allem in der Kontraktlogistik. Darin einbezogen sind beispielsweise: Warenein- und ausgang, Lagerung einschließlich Ein-, Aus- und Umlagerung, Kommissionierung, Konfektionierung, Bestandsmanagement, Komponentenmontage und Konservierung, Verpacken, Labeln, Scannen, Versandbereitstellung, Umschlag, Organisation und Disposition außerbetrieblicher Transporte mit produktionssynchroner bzw. bedarfsgerechter und sequentieller Zulieferung, Shuttle-Verkehre, Retouren, Entsorgung, Dokumentation, integrierte Kommunikation, Berichts- und Kontrollwesen. Der logistische Systemführer als zukünftiger Regent unserer "Transport"-Risiken? Abgesehen vom qualifizierten Branchen-Know-how und seiner Fähigkeit, unterschiedliche Leistungs- und Produktionssysteme in die Supply Chain Collaboration optimal zu integrieren, basiert sein Erfolgskonzept auf einer klaren Definition seiner Leistungen und der vielschichtigen Ausgestaltung seiner Logistikverträge, siehe auch nachfolgendes Referat.

Worin liegen die Gründe für das Outsourcing? Aus Verladersicht konzentrieren die Anreize sich auf die Kostenreduzierung, die Erhöhung der Flexibilität, die Nutzung von Synergieeffekten, die Vermeidung von Investitionen, die Serviceverbesserung und die Konzentration auf Kernkompetenzen. Aus Sicht der Dienstleister hat das Spektrum der Anreize die gleichen Schwerpunkte, allerdings mit deutlich höherer Ausprägung. Hierin spiegelt sich nicht nur eine erkennbare Zurückhaltung bei Outsourcing-Entscheidungen wider, sondern auch die unterschiedlichen Erwartungen auf der Nachfrageseite von Industrie und Handel einerseits sowie auf der Angebotsseite der Logistik-Dienstleister andererseits. Die Diskrepanz verdeutlicht das Problemfeld bei der Fremdvergabe von logistischen Leistungen. Es beinhaltet nicht nur Service- und Kostenprobleme, sondern auch Defizite in der Qualität, im Informationsfluß und in der Koordination sowie Skepsis gegenüber der Know-how-Abwanderung. Insoweit sieht die Nachfrage noch erheblichen Verbesserungsbedarf bei diesen Dienstleistern. Dies ist nachvollziehbar, zumal in Industrie und Handel die Servicequalität im Vergleich zum Preis der Dienstleistung immer wichtiger für den Markterfolg und den Wettbewerbsvorteil wird. Wenn wir einen Blick auf die Entwicklung der anteiligen Logistikkosten an den Gesamtkosten in Industrie und Handel werfen, siehe Anhang Chart 40, dann wird erkennbar, dass einerseits trotz wachsenden Leistungsumfangs diese anteiligen Logistikkosten sinken. Es verdeutlich andererseits aber auch das vorhandene Optimierungspotential in der Logistikbranche und legt die Vermutung nahe, dass der Auf- und Ausbau des Wettbewerbvorteils über die Qualität der logistischen Dienstleistung auch mehr kosten darf.

Auch aus risikotechnischer Sicht sind Entscheidungen über eine umfangreiche Fremdvergabe von logistischen Leistungen, die über die klassischen Standards hinausgehen, von größter Bedeutung. Denn mangels leistungsstarker logistischer System-Provider erweisen sich die oben genannten Anreize und Erwartungen beim Outsourcing schnell als trügerisch. Wenn die Kostenreduzierung sich im erwarteten Ausmaß nicht einstellt, der Lieferservice leidet, die Kundenzufriedenheit sinkt, dann nehmen auch die Reklamationen zu und die Warenschäden steigen. Das proaktive Serviceangebot in der Logistik und das sich erweiternde Leistungsspektrum zeigt aber auch, dass im Zuge dieser Entwicklung unsere traditionellen "Transport"-Risiken und auch die Schadenursachen komplexer werden sowie zunehmend schwieriger in diesen logistischen Netzwerken lokalisiert und präventiv versorgt werden können.



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Trends in der Logistik und Risikoänderungen im "Transport" – Ein Fazit

Die Komplexität der logistischen Netzwerke führt dazu, dass insgesamt auch unsere TR-Risiken komplexer und schwerer beeinflussbar werden.

Im Zuge der fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung wird der Welthandel im Vergleich zur Weltwirtschaftsleistung weiterhin überproportional ansteigen. Das Gütervolumen und die Transportbewegungen nehmen weiter zu.

Aufgrund der sich weiterentwickelnden Dislozierung der Wirtschaft werden die Transportwege länger und somit die Dauer der externen Einflüsse auf die Güter während ihrer Beförderung länger.

Der Güterstruktureffekt trägt weiterhin dazu bei, dass die Wertigkeit der Waren steigen. Mit wachsender Transportkapazität pro Fahrzeug steigen auch die Wertkumule.

In den neuen Märkten verschieben sich die risikospezifischen Schwerpunkte. Die traditionellen Risikoprofile müssen angepasst und neu bewertet werden. Totalverluste – auch durch häufigere kriminelle Übergriffe auf die Waren – nehmen zu. Im expandierenden Güterbereich der konsumnahen Sortimente sinkt die Reparaturfähigkeit, steigt das Diebstahlrisiko. Mit den sich ändernden Sendungsstrukturen wird das Problem einer sorgfältigen Stauung und Ladungssicherung größer und die Schnittstellenkontrolle in den gebrochenen Verkehren wichtiger.

Bei der Risikoanalyse und –bewertung werden die "Soft Facts" wichtiger. Der Risikofaktor "Mensch" wird gravierender. Bei weiterhin angespannter Wirtschaftslage im Güterverkehrsgewerbe verschärft sich der Zielkonflikt "qualifizierte Mitarbeiter versus Personalkosten".

Die Outsourcing-Aktivitäten in der Wirtschaft halten an. Mit der Weiterentwicklung der Logistik wächst das Spektrum ihrer Kernleistungen. Die Bedeutung der Sicherheit in der Logistik wächst. Prozess- und Schnittstellensicherheit stehen im Vordergrund. Der TUL-Spezialist wird weiterhin gebraucht. Seine Leistungsstärke wird für die TR-Risiken und die Prävention der TR-Schäden um so wichtiger, je weiter er in die Wertschöpfungskette vordringt.



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Anhang: Präsentationsfolien

Die Präsentationsfolien finden Sie in diesem PDF-Dokument:

ica.gif (139 Byte)Trends in der Logistik (2,0 MB)
 Ralf Zibell, Allianz Marine & Aviation Versicherungs-AG







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