Schadenfälle in der Valorenversicherung –
Ermittlungsansätze und Schadenbearbeitung

Vortrag von Herrn Marcus Roth,
Aris GmbH & Co. KG, Wörthsee






Wir, die ARIS GmbH & Co. KG sind ein Assekuradeur und Underwriting Agency und betreuen für namhafte europäische Versicherer deren internationales Valorengeschäft.

Neben der Betreuung der gesamten Maklerbestände haben wir auch die Verantwortung für die Abwicklung der Schäden namens und in Vollmacht unserer beauftragenden Versicherer übernommen.

Meine heutige Aufgabe besteht darin, auf ein paar Besonderheiten des internationalen Jewellers Block Geschäft hinzuweisen sowie einige besonders interessante Schadenfälle beleuchten.

Eine der wesentlichsten Aufgaben im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Großschäden aus dem Valorenbereich ist die persönliche Präsenz am Schadenort unmittelbar nach Eintritt eines Schadenfalles.

Weshalb das so ist, möchte ich gerne erläutern.




Neulich führte mich eine Dienstreise nach Israel, um dort an einer Gerichtsverhandlung teil zu nehmen. Ein dortiger Kunde wurde im Jahre 2010 mutmaßlich Opfer eines Raubüberfalls in seinem neu zu eröffnenden Geschäft in Hong Kong. Bei dieser Gelegenheit wurden ihm nach seiner Aussage Edelsteine im Wert von rund 10 Millionen Dollar entwendet. Die Umstände des Schadens waren jedoch mehr als unklar und dubios.

Um das uns beschleichende ungute Gefühl zu beseitigen, das sich unmittelbar nach Eingang der Schadenmeldung verbreitete, verschaffte ich mir einen persönlichen Eindruck über die Verhältnisse vor Ort. Dies führte allerdings nicht dazu, meine Bedenken hinsichtlich der Umstände auszuräumen. Genau das Gegenteil war der Fall.

Zahlreiche Gespräche, u. a. mit den Ermittlungsbehörden, fanden statt. Die Aufarbeitung und Aufklärung diverser Ungereimtheiten in den zur Verfügung gestellten Stellungnahmen sowie die intensive Auswertung von Videoaufzeichnungen führten letztendlich zu einer Ablehnung des Anspruches, da ein Verstoß gegen vertraglichen Auflagen aus dem Versicherungsvertrag nachgewiesen werden konnte.

Nach vielen Gesprächen mit den Anwälten unseres Kunden reichte der VN nach erfolgter Deckungsablehnung Klage gegen die Versicherer ein. Unabhängig von dem laufenden Deckungsprozess wurde weiterhin intensiv Ermittelt, da wir nach wie vor davon ausgingen, dass hinter dieser "Geschichte" mehr steckt.

Im Zuge dessen konnten wir dann rund ein Jahr nach erfolgter Deckungsablehnung feststellen und beweisen, dass der VN nicht nur gegen die Auflagen aus dem Versicherungsvertrag verstoßen hat, sondern dass es sich um einen sorgsam angelegten Fall von Versicherungsbetrug handelte.

Die Deckungsablehnung wurde konsequenterweise entsprechend erweitert und die entsprechenden Beweise dem Gericht vorgelegt. Da diese dermaßen erdrückend sind, haben wir den Versicherungsnehmer konsequenterweise auch wegen versuchten Versicherungsbetruges angezeigt.




Die Bearbeitung von Schäden ist eigentlich eine ziemlich einfache Angelegenheit. Unsere einzige Aufgabe als "Schädlinge" besteht darin, eine ordentliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und in deren Folge die festgestellten und belegbaren Fakten an den Vereinbarungen in dem Versicherungsvertrag vorbei zu führen.

Im Gegensatz zum Underwriting müssen wir uns keine Gedanken mehr oder weniger theoretischer Natur machen, wie z. B. wo, welche und wie viel Detektoren bzw Sicherheitsauflagen einen möglichen Schaden verhindern.

Wir "Schädlinge" genießen also den Luxus, uns an von anderen geschaffenen Tatsachen halten zu dürfen. Bei der Schadenbearbeitung gilt es "lediglich" festzustellen, was, wann, wo, wie und weshalb geschehen ist und ob das mit den Versicherungsbedingungen im Vertrag einhergeht.

Im Zuge der formellen und materiellen Deckungsprüfung werden dann noch die Regressmöglichkeiten geprüft und anschließend kann entschieden werden, ob und in welcher Höhe der Schaden reguliert wird – oder ob der Anspruch abzulehnen ist.

Je weiter wir jedoch vom Schadenort weg sind, desto schwieriger gestaltet sich die Aufklärung des Sachverhaltes. Insbesondere die Abwicklung komplexer Auslandsschäden ist eine große Herausforderung. Deshalb habe ich das mir zugeordnete Thema für diesen Vortrag leicht modifiziert.


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Wie bereits erwähnt, war ich über viele Jahre bei der Allianz u. a. für die Abwicklung der internationalen Valorenschäden verantwortlich. Als sich die Allianz mit der ARIS entschlossen hat, dieses Geschäftsfeld intensiv zu betreiben, war es mein Auftrag als Schadenleiter, trotz aller zunächst vorhandenen Sprachbarrieren und Mentalitätsunterschiede, eine vernünftige Abwicklung der auf uns zukommenden Schäden zu gewährleisten.

Es galt also einen Einblick in die schwierigen Strukturen des im Jewellers Block Bereich und die dort seinerzeit vorhandenen Verbindungen zu gewinnen, um eben diese ordentliche Schadenbearbeitung sicherzustellen.

Ich erinnere mich noch gut an einen der ersten Schäden. Es handelte sich um einen Raubüberfall, den der Makler telefonisch meldete. Er teilte mir mit, dass ich mich eigentlich um gar nichts zu kümmern bräuchte. Er würde schon seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Sachverständigen XY zusammenarbeiten, der auch den Pre-Risk Service für dieses Risiko erstellt habe. Diesen Sachverständigen würde er jetzt beauftragen und uns dann zu gegebener Zeit den Bericht vorlegen. Anhand dieses Berichtes könnten wir dann den Schaden regulieren.

Dies war mit meinem Verständnis einer Schadenabwicklung keinesfalls vereinbar und natürlich nicht akzeptabel.

Es war also schnell klar, dass wir nur dann langfristig in diesem Geschäft erfolgreich tätig werden und bleiben können, wenn wir vorhandenen Strukturen aufbrechen und aufarbeiten und auch die Schadenbearbeitung sinnvoll und klug neu organisieren.

Wir wollten weg von einem starren System und den mitunter doch sehr engen Bindungen zwischen dem Makler und Sachverständigen vor Ort. Wir wollten es anders und vor allen Dingen besser machen, als unsere Mitbewerber aus dem Vereinigten Königreich.

Unser Ziel war, ein weltweites Netzwerk von Sachverständigen aufzubauen, das auf der Underwriting-Seite unser Sicherheitskonzept umsetzt und auf der Schadenseite unsere grundsätzliche Philosophie und Vorgehensweise bei der Schadenabwicklung teilt.

Es sollte ein Netzwerk entstehen, auf das wir jederzeit zugreifen können und dem wir im Gegenzug ein verlässlicher Partner sind. In jedem Land sollten zwei Sachverständigenbüros identifiziert werden, die mit den Besonderheiten des Valorengeschäftes vertraut sind und die unser Sicherheitskonzept auf der Underwriting-/ Serviceseite nicht nur verstanden haben, sondern auch konsequent umsetzen – ebenso wie die von mir definierte Vorgehensweise bei der Schadenabwicklung.

Zudem mussten diese bereit sein, alte Strukturen und Vorgaben zu verlassen, neue Wege zu gehen und auch bei den Gebühren leistungsorientiert und günstig zu agieren.

Auf dem Weg dorthin war viel Überzeugungsarbeit zu leisten, denn plötzlich war es nicht mehr nur der Sachverständige, der definierte, wie ein Risiko abzusichern sei und Empfehlungen zur Risikoverbesserung gegenüber den Versicherern aussprach. Jetzt sollten und mussten diese ihre Entscheidungen zu Auflagen begründen und sich der Diskussion mit uns stellen, was auf deren Seite eine enorme Umgewöhnung bedeutete.

Auch die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der Risikosituation, sei es vor Vertragsabschluss oder anlässlich eines Schadenfalles, wurden plötzlich nachverfolgt, hinterfragt und wurden Bestandteil des Versicherungsvertrages. Es entwickelte sich eine ganz neue Qualität in der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber. Auf einmal gab es einen erhöhten Bedarf an Gesprächen, aus denen sich dann eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit entwickelt hat.

Die Sachverständigen waren gewohnt, ihre Gebührenrechnungen kurzfristig auf neue Versicherer- oder neue Lloyd’s-Syndikate auszustellen. Versicherer und Syndikate wechselten in den einzelnen Märkten mehr oder weniger regelmäßig.

Nach dem Motto "Risikoträger kommen und gehen, MEIN Auftraggeber bleibt stets derselbe" waren die Loss Adjuster den direkten Draht zum Makler gewohnt, berichteten direkt an ihn und wurden auch direkt von ihm bezahlt. Der Versicherer, den und dessen Interessen man gar nicht kannte, spielte kaum eine Rolle.

Unsere Planung war auf Langfristigkeit, Verlässlichkeit und insbesondere auf Prävention ausgelegt. Ohne den Sachverständigen und Maklern zu nahe treten zu wollen: Die vorhandenen Strukturen, die Nähe und Verbundenheit zwischen den beiden Parteien war uns zu intensiv. Dies wollten wir ändern, was nicht ganz einfach war.

Es ging und geht nicht um Misstrauen gegenüber unseren Partnern, aber unsere Philosophie ist, dass der Versicherer den Sachverständigen beauftragt und einzig und allein dessen Interessen vertritt. Dieses Auftragsverhältnis muss klar sein. Der Sachverständige berichtet direkt und ausschließlich an den Versicherer, wobei natürlich auch der Makler einen Anspruch auf den Bericht hat.

Wann der Makler jedoch den Bericht bekommt, das entscheidet einzig und allein derjenige, der den Bericht bezahlt, nämlich der Versicherer. Der Sachverständige muss wissen, wessen Interessen er zu vertreten hat. Daher sind wir seinerzeit dazu übergegangen, den Sachverständigen direkt zu bezahlen – auch wenn das aufwändiger ist. Es ist sicherlich nicht von Nachteil, wenn der Sachverständige auf seinem Kontoauszug sieht, wer seine Rechnung bezahlt.

Wir haben damals kein neues Heer an Sachverständigen platziert, der eine oder andere wurde aber doch ausgetauscht. Wie bereits erwähnt, haben wir oftmals nur das zurechtgerückt, was sich unseres Erachtens in die falsche Richtung entwickelt hatte.

Man musste die beteiligten Parteien einfach daran gewöhnen, dass da plötzlich jemand war, der die Berichte nicht nur las, sondern auch vorgab, wie diese auszusehen haben. Es wurden plötzlich Fragen gestellt oder sogar gemeinsame Schadenbesichtigungen durchgeführt. Auf einmal war der Risikoträger keine anonyme juristische Person mehr, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut – der Risikoträger hatte plötzlich ein Gesicht!

Entgegen allem anfänglichen Widerstand der Vermittler haben wir dieses Konzept konsequent umgesetzt, und heute können alle Beteiligten gut damit leben.


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Die oberste Aufgabe eines Vermittlers ist die Wahrung der Interessen seines Kunden. Es wird in der Praxis kaum ein Makler schaffen, die Interessen seiner Kunden und die Interessen seiner Risikoträger gleichberechtigt zu vertreten – auch wenn dieses immer wieder behauptet wird.

Durch unser neues Konzept haben alle Beteiligten sich und ihre Aufgaben neu definiert, was nachhaltig zu einer größeren Transparenz und einem regelmäßigen und offenem Austausch führte.

Unsere Underwriter und wir aus Schaden stehen anlässlich aktueller Schadenfälle nahezu täglich im Kontakt mit unseren Sachverständigen und Experten. Diese über Jahre hinweg verfestigte persönliche Bindung ist der Garant für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und ein schnelles Reagieren im Schadenfall, welches die wesentlichste Voraussetzung dafür ist, erfolgreich zu sein.

Wir entwickeln unser Sicherheitskonzept in Zusammenarbeit mit unseren Partnern permanent weiter, führen Schulungen zur Verhinderungen von Überfällen durch und berücksichtigen dabei die Entwicklungen aus aktuellen Schadenfällen.

Diese enge Zusammenarbeit, das Lernen aus Schadenfällen, die enge Bindung zwischen Underwriting und Schaden, wissen unsere Partner zu schätzen – sowohl die Sachverständigen als auch die Versicherungsvermittler. Denn dadurch haben sie einen deutlichen Wissens- und Qualitätsvorsprung gegenüber ihren Mitbewerbern.

Als ARIS vertreten wir acht europäische Versicherungsgesellschaften sowohl auf der Underwriting als auch auf der Schadenseite und verzeichnen in diesem Segment über 30 Millionen Euro an Beitragseinnahmen.

Die Schadenquote beläuft sich auf rund 60 %, was in diesem Segment einzigartig ist. Die Schadenbearbeitung trägt dabei ein Stück weit zu diesem Ergebnis bei.

Die konsequente Aufarbeitung der Umstände des Schadens, welche unerlässlich zur Aufklärung von Betrugsfällen und zur Ablehnung von unberechtigten Ansprüchen ist, sowie die konsequente Regressierung z. B. gegenüber den Betreibern von Leitstellen, wenn diese eine Alarmierung nicht vertragsgemäß aufgenommen haben, tragen maßgeblich zur Ergebnisverbesserung bei. Im Jahr 2013 haben wir Regresse in einem hohen sechsstelligen Bereich erzielt, was in diesem Geschäftsfeld doch schon außergewöhnlich ist.

Dabei ist der Regress gegen eine Messegesellschaft, der eine fehlerhafte Organisation nachgewiesen werden konnte, genauso vertreten wie der Regress gegen Sicherheitsfirmen, denen man nachweisen konnte, gegen die Auflagen aus dem Maßnahmenplan verstoßen zu haben. Oder es gelang der Nachweis, dass eingehende Alarmmeldungen ignoriert und nicht bearbeitet wurden.

Bei rund 450 – 500 Schadenfällen im Jahr, die wir ausschließlich aus dem Segment der Valorenversicherung bearbeiten, angefangen von kleinen Trickdiebstählen bis zu Versandschäden, befassen wir uns täglich mit den Besonderheiten der Schäden aus der Valorenversicherung. Und von diesen gibt es einige.


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Einer meiner ersten Fälle führte mich nach Israel. Da ich den vom Sachverständigen berechneten Schadenbetrag überhaupt nicht nachvollziehen konnte, wollte ich mir selbst ein Bild von der bedingungsgemäß vorgeschriebenen ordentlichen Buchführung des Versicherungsnehmers machen. Also traf ich mich mit dem Kunden, besprach den Fall und forderte Einblick in dessen Bücher. Nach längerer Diskussion gab der Kunde dann klein bei, wollte dann allerdings von mir wissen, welche "Bücher" er mir denn zeigen solle… Die für das Finanzamt, die für seine Familie oder seine eigene… Am Ende haben wir uns auf einen Vergleich geeinigt.

Unsere zuvor genannte Schadenquote berücksichtigt im Übrigen auch den größten jemals für europäische Versicherer abgewickelten "Jewellers Block"-Schaden. Dabei handelt es sich um den Tiger Kidnapping Fall in Antwerpen im Herbst 2012.

Diesen Schadenfall habe ich mit dem her ebenfalls anwesenden Kollegen seinerzeit mit 13,04 Millionen US-Dollar verhandelt. Auch in diesem Tiger Kidnapping-Schaden wurde trotz erfolgter Regulierung weiter ermittelt. Dabei wurde dann festgestellt, dass es sich um einen von einem Mitarbeiter des Versicherungsnehmers inszenierten Fall handelt. Da es sich hierbei um ein nicht versichertes Ereignis handelte, wurde die Entschädigungsleistung zurückgefordert.

Wenn Sie heute von einem Überfall auf einen Juwelier hören oder lesen, wird das Ereignis sehr oft und leider sehr schnell den "Pink Panthern" zugeschrieben. Bei dieser Art von organisierter Kriminalität scheint es, sind den Ermittlungsbehörden die Hände gebunden.

Vielleicht wird hier jedoch zu schnell ein Ereignis einer durchaus sehr aktiven Tätergruppierung zugeschrieben. Die Pink Panther sind heute sicherlich eine nahezu perfekt organisierte "Holding" mit einzelnen Untergruppierungen – ob diese jedoch für alle ihr zugerechneten Überfälle verantwortlich sind, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht macht man es sich hier zu einfach.

Einerseits ist es sehr erfreulich, dass in den vergangenen Monaten die Ermittlungsbehörden sehr erfolgreich Täter und ganze Gruppen ermitteln und festsetzen konnten, andererseits steigt die Anzahl der Überfälle in Deutschland dramatisch an.

Trotz aktueller Fahndungserfolge der Polizei wird in den Medien nur sehr selten von wieder aufgefundener Ware berichtet. Leider bleiben die Interessen der Versicherer hier eher unberücksichtigt, was sicher an der grundlegen unterschiedlichen Interessenlagen liegt. Die Polizei will die Täter präsentieren und ist an dem wiederauffinden der Ware eher weniger interessiert. Für die Versicherer gilt das eher umgekehrt. Dies ist einer der Punkte, der sich in der Zusammenarbeit mit den Behörden ändern muss und ich bin überzeugt, dass dies auch gelingen kann.

Ein Beispiel dazu: Als vor vielen Jahren die sogenannte Hammerbande in Deutschland unterwegs war und ihr Unwesen trieb, wurde in vielen Gesprächen mit der damals eingerichteten Sonderkommission in Stuttgart Wege vereinbart, wie die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden können.

Ein Ergebnis des gemeinsamen Handelns war, dass neben der Ergreifung der Tätergruppierung auch Ware in erheblichem Umfang sichergestellt werden konnte. Diese habe ich dann persönlich beim dortigen Staatsanwalt abgeholt und in Deutschland der Schadenverwertung zugeführt. Der Warenwert (EK) belief sich seinerzeit auf rund 750.000 DM.

Der polnische Staatsanwalt kam im Anschluss daran nach Deutschland, um gemeinsam mit seinem leitenden Ermittlungsbeamten die hier in Haft befindlichen Mitglieder der Hammerbande, welche allesamt aus Koszalin stammten, zu vernehmen. Das Ziel war, Informationen über weitere Hintermänner zu erhalten, was den beiden Herren wohl unter Anwendung unorthodoxer Methoden auch gelang. Aus dem Vernehmungszimmer waren jedenfalls seltsame Geräusche zu vernehmen. Danach wurde es ruhig um die Hammerbande.


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Unorthodoxe Methoden können mitunter helfen, Sachverhalte richtig und nachhaltig aufzuklären. Eine solche Methode ist z. B. ein Polygraphentest (Lügendetektortest), der in bestimmten Fällen durchaus hilfreich sein kann. Bei diesem Wahrheitsfindungs-Test werden sehr detaillierte Fragen gestellt, die nur mit Ja oder mit Nein beantwortet werden können. Ähnlich wie bei einem EKG werden Reaktionen und Impulse des Körpers aufgezeichnet, die bei bewussten Lügen nicht so einfach zu unterdrücken sind und somit Hinweise auf den Wahrheitsgehalt der Antworten geben können.

Bei einem meiner Schadenfälle wurde zum Beweis der Unschuld eines Mitarbeiters des Versicherungsnehmers angeboten, diesen Lügendetektortest durchzuführen. Diese Art der Sachverhaltsaufklärung bzw. Wahrheitsfindung erschien mir jedoch zunächst sehr abwegig zu sein. Dennoch habe ich – nachdem eh nichts zu verlieren war – unter bestimmten Voraussetzungen zugestimmt. Ich wollte mich aber zunächst selbst von der Aussagefähigkeit überzeugen und habe mich einem Test gestellt. Als ich mit diesem Gerät verkabelt war, war es mit tatsächlich nahezu unmöglich, erfolgreich und unentdeckt zu lügen. Keine der von mir unwahr beantworteten Fragen blieb unentdeckt.

Daher hätte ich mir in einigen Schadenfällen gewünscht, einen Lügendetektortest durchführen zu können, der eine Erfolgsquote hinsichtlich der Wahrheitsfindung von 98 % erreichen kann. Leider scheitert es meistens an der Bereitschaft derjenigen, die sich dem Test unterziehen sollten, oder auch daran, dass keine Einigung über die Verwertbarkeit des Ergebnisses erzielt werden konnte.

In keinem Land dieser Erde ist nach meinem Kenntnisstand dieser Polygraphentest ein anerkanntes, gerichtsverwertbares Beweismittel. Auch in den USA oder in Asien, wo man diesen Test quasi an jeder Straßenecke durchführen kann oder sogar die Polizei diesen Test selbst durchführt, ist das Ergebnis nicht gerichtsverwertbar. Als Indikator kann so ein Test jedoch durchaus dienen.

Ein anderer aktueller Trend, mit dem ich bei der Aufklärung von Schadensfällen schon mehrfach konfrontiert wurde, ist die mentale Auffrischung von Schadenereignissen unter Hypnose. Vermisst ein Kunde z. B. einen hochwertigen Stein, wird in einem hypnoseähnlichen Verfahren versucht, sein Erinnerungsvermögen aufzufrischen. Man hofft, dass dieser sich dann im Halbschlaf daran erinnert, was er mit dem Stein gemacht hat. Ich überlasse es jedem selbst einzuschätzen, was von solchen Methoden zu halten ist.

Ich bevorzuge nach wie vor die ganz normale, konventionelle Aufklärung des Sachverhaltes und versuche mich dabei, an realen Fakten zu orientieren.

Wir suchen bei der Bearbeitung unserer Schäden aktiv die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und unterstützen diese, wo immer wir nur können.

Wir werden uns jedoch nie ausschließlich auf diese verlassen und unsere eigenen Wege gehen. Es ist nun mal nicht weg zu diskutieren, dass die Ermittlungsbehörden bei dünner Personaldecke oft völlig überlastet sind. Auslobungen zum Widerauffinden der Ware oder Belohnungen für Hinweise, welche zur Ergreifung vom Täter führen, helfen bei der Aufklärung leider nur sehr selten weiter.

Oftmals endet Ihr Kontakt als Versicherer zu den Behörden, sobald Sie die Auslobung schriftlich bestätigt haben – und ich stelle die Behauptung in den Raum, dass die Anzahl der aufgrund einer Auslobung aufgeklärten Schadenfälle auch in ihrem Unternehmen gegen null geht und Sie zudem nie wieder von den Ermittlungsbehörden gehört haben. Dies wird Ihnen ihre Schadenabteilung sicher bestätigen.

Ich sehe hier einen erheblichen Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit mit der Polizei.

Aus meiner Erfahrung heraus gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden im Ausland wesentlich intensiver, offener und einfacher als hierzulande mit den deutschen Behörden.

Wie der vorhin geschilderte Fall der Koszalin-Bande zeigt, kann eine Kooperation zwischen den Versicherern und den Behörden durchaus erfolgreich sein. Es gibt eine Reihe weiterer Beispiele aus Österreich, Frankreich oder Italien, wo die Kooperation zwischen Versicherern und der Polizei zu exzellenten Ergebnissen geführt hat.


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Auch wenn uns Schadenbearbeitern beim Lesen einer Schadensschilderung oft das Gefühl beschleicht, dass hier nicht ganz korrekt berichtet wurde, möchte ich betonen, dass der allergrößte Teil unserer Kunden grundsätzlich ehrliche Versicherungsnehmer sind, die mitunter leider Opfer eines Überfalls, Einbruchs oder Diebstahls werden.

Dafür sind wir Versicherer da und dafür kassieren wir letztendlich Prämien. Allerdings müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass auch die Juweliere, Schmuckhersteller oder Edelsteinhändler ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sind – und es auch in dieser Branche einen statistisch nachweisbaren Anteil an Betrügern gibt.

Ich möchte Ihnen einen guten Rat geben. Seien Sie besonders aufmerksam bei Schadenmeldungen, bei denen Sie ausschließlich auf die Aussage eines Einzelnen vertrauen müssen. Nach unserer Erfahrung steckt hinter nahezu jedem Großschaden, zu dem es lediglich die Aussage eines einzelnen Geschädigten gibt, ein Geheimnis, das es zu lüften gilt.

Während es bei Raubüberfällen oftmals kaum Zweifel an der Echtheit des Ereignisses gibt, da Videoaufzeichnungen, Augenzeugen etc. den Sachverhalt bestätigen, bei Einbrüchen das Loch in der Wand, das aufgebrochene Fenster oder der aufgeschweißte Safe die Tat belegen, tun wir uns bei Schadenfällen, die auf den Angaben eines Einzelnen beruhen, sehr schwer.

Nehmen Sie den eingangs geschilderten Überfall in Hong Kong: Die Schadenhöhe, die Schadenmeldung und die Schadenschilderung basierte auf den Angaben eines Einzelnen und es handelte sich um einen versuchten Betrug. Tiger Kidnapping in Antwerpen, 13,04 Millionen Dollar, nachweisbar ein nicht versichertes Ereignis.

Alleine in den vergangenen 12 Monaten mussten wir Ansprüche aufgrund Betrugsversuchs bzw. falschen Schadenschilderungen im Umfang von rund einer Million Euro zurückweisen. Keiner dieser Kunden hat im Übrigen den Versuch unternommen, durch eine Deckungsklage doch noch an sein Geld zu kommen. Die Sachverhaltsaufklärung, die betrieben wurde, war daher gar nicht so schlecht.



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Resümee:

Ein Großschaden im Ausland kann nicht vom Schreibtisch aus bearbeitet werden. Sie müssen persönlich vor Ort präsent sein und sich einen eigenen Eindruck verschaffen.

Dies gilt umso mehr bei Schäden, bei denen nur die Aussagen eines Einzelnen vorliegen.

Die Aufklärung des Sachverhaltes ist die wichtigste Aufgabe von uns Schadenbearbeitern. Je weiter wir vom Ort des Schadens entfernt sind, desto schwieriger wird es.

Eine vollumfängliche Aufarbeitung des Sachverhaltes wird immer nur dann gelingen, wenn wir über ein Netzwerk verfügen, das aufgrund der langjährigen Verbundenheit vertrauensvoll arbeitet und jederzeit zur Verfügung steht.

Wir als ARIS leben diese Philosophie, haben uns dieses Netzwerk über viele Jahre hinweg erfolgreich aufgebaut und hoffen so, unseren Auftraggebern eine ordentliche Abwicklung der Schäden im Ausland garantieren zu können.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.





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