OLG München, Urteil vom 26.10.2017, Az.: 23 U 1699/17
  
Gericht:   OLG München
Aktenzeichen:   23 U 1699/17
Datum:   26.10.2017
Vorinstanzliches Gericht:   LG Ingolstadt, Endurteil vom 21.04.2017, Az.: 1 HK O 899/14
Quelle(extern):   Link zur Bayerische Staatskanzlei
Land :   Deutschland

Einordnung in die Urteilsdatenbank
Normenregister:  CMR-> Art. 17 Abs. 1; Art. 23 Abs. 3; Art. 23 Abs. 7; Art 29;
   BGB-> § 305c Abs. 1
Haftungskategorie:   Straße-International->Verlust
Versicherungskategorie:   Verkehrshaftung
Stichworte:   Diebstahl, Parkplatz, unbewachter Parkplatz, Italien, qualifiziertes Verschulden, Leichtfertigkeit


Redaktionelle Leitsätze:

1. Weist der Versender den Frachtführer in den der Transportauftragserteilung vorangehenden Telefongesprächen nicht darauf hin, dass der Frachtführer nur bewachte Parkplätze anfahren darf, handelt es sich bei der in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versenders enthaltenen entsprechenden Verpflichtung um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB.

2. < Kann der Lkw-Fahrer anhand der Transportunterlagen nicht erkennen, welches Gut er transportiert,
< fährt er auf dem Transport einen Parkplatz auf einer Rastanlage an, die auch nachts durchgehend in Betrieb ist,
< wählt er dort einen Stellplatz in einem Bereich aus, in dem mehrere Lkw nebeneinander parken und
< schläft er dann in dem Lkw,
< so liegt auch dann kein leichtfertiges Verhalten vor, wenn auf der italienischen Autobahnraststätte die Plane des Lkw aufgeschlitzt und ein Teil der Ladung (Damenhosen) gestohlen wird.

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 21.04.2017, Az. 1 HK O 899/14, dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 14.660,43 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent vom 29.01.2013 bis 10.01.2014 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2014 zu bezahlen.

2. Im übrigen wird bzw. bleibt die Klage abgewiesen.

3. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 63% und die Beklagte 37%.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

[1] Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch wegen eines Transportschadens geltend.

[2] Die Firma T. beauftragte die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Firma S. Transport Service GmbH, mit dem Transport von Kleidungsstücken von Italien nach Großmehring. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin gab diesen Auftrag an die Beklagte als Unterfrachtführerin weiter. Am 28.01.2013 wurde das Transportgut in Italien in einen Planen-Lkw der Beklagten verladen. In der Nacht vom 28.01.2013 auf 29.01.2013 wurde der Planen-Lkw auf dem Autobahnrast Platz Po Este aufgeschlitzt und es wurden 115 collies mit 2.834 Hosen mit einem Gesamtgewicht von 1.474 kg im Gesamtwert von 78.951 € entwendet.

[3] Die Versicherungsnehmerin der Klägerin machte die Beklagte am 29.01.2013 haftbar.

[4] Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2013 (Anlage K 10) wurde die Beklagte namens der Versicherungsnehmerin der Klägerin aufgefordert, einen von der Klägerin regulierten Betrag in Höhe von 40.000 € zuzüglich 500 € Anwaltskosten bis spätestens 10.01.2014 zu bezahlen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Die Klägerin trägt vor, sie sei Verkehrshaftungsversicherer der Firma S. Transport Service GmbH. Sie sei wegen eines Betrags in Höhe von 91.874,69 € in Anspruch genommen worden und habe sich schließlich mit der Versicherungsnehmerin auf einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 40.000 € geeinigt und diesen Betrag reguliert. Die Versicherungsnehmerin habe ihre Ansprüche an sie abgetreten. Die Versicherungsnehmerin habe den Auftrag an die Beklagte per Telefax übermittelt. Nach Ziff. 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ausschließlich bewachte Parkplätze anzufahren. Hiergegen habe die Beklagte verstoßen. Der Fahrer habe gewusst, was er geladen habe; da es sich um diebstahlsgefährdetes Gut gehandelt habe, habe er ohnehin nicht auf einem unbewachten Parkplatz übernachten dürfen.

[5] Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte gemäß Art. 17, 29 CMR, weil der Fahrer leichtfertig gehandelt habe.

[6] Die Klägerin hat in 1. Instanz beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.000 € nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 29.01.2013 zu bezahlen.

[7] Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

[8] Die Beklagte behauptet, zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten sei nicht vereinbart gewesen, dass ausschließlich bewachte Parkplätze angefahren werden dürfen. Von dem per Telefax übermittelten Auftrag habe sie nur die erste Seite erhalten, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien jedenfalls nicht leserlich gewesen. Die Verladung des Transportguts sei in Abwesenheit des Fahrers der Beklagten erfolgt. Der Fahrer habe die Frachtunterlagen in einem verschlossenen Umschlag erhalten, so dass er nicht gewusst habe, was er transportiere.

[9] Das Landgericht hat der Klage – mit Ausnahme eines Teils der beantragten Zinsen – stattgegeben. Der Frachtauftrag sei mit dem Inhalt, wie er per Telefax übermittelt worden ist, zustande gekommen. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, ausschließlich bewachte Parkplätze anzufahren. Durch das Anfahren des nicht bewachten Parkplatzes habe die Beklagte leichtfertig gehandelt. Ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

[10] Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund einer vertraglichen Abrede verpflichtet war, nur bewachte Parkplätze anzufahren.

[11] Die Beklagte beantragt daher, das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 21.04.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

[12] Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

[13] Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Leichtfertiges Handeln liege vor, da auch der Beklagten bekannt gewesen sei, dass es auf italienischen Rastanlagen öfter zu derartigen Diebstählen komme.

II.

[14] Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

[15] 1. Die internationale Zuständigkeit ist gegeben, Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. b CMR, da der vereinbarte Ablieferungsort Großmehring ist.

[16] 2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 14.660,43 € zuzüglich Zinsen.

[17] 2.1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Zwar dürfte § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht anwendbar sein, da es sich bei der Klägerin um eine österreichische Versicherungsgesellschaft handelt, die mit einer österreichischen Versicherungsnehmerin einen Vertrag geschlossen hat. Das Landgericht kommt jedoch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als alleiniger Versicherer der Firma S. Transport Service GmbH einen Schaden in Höhe von 40.000 € reguliert hat und ihr die Ansprüche aus diesem Transport abgetreten wurden. Die Berufung greift diese landgerichtlichen Feststellungen nicht an. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen sind auch sonst nicht ersichtlich, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

[18] 2.2. Die Beklagte haftet für den teilweisen Verlust des Transportguts nach Art. 17 Abs. 1, Art. 3 CMR. Die Beklagte wurde von der Versicherungsnehmerin mit einem grenzüberschreitenden Straßengütertransport zu festen Kosten beauftragt und unterlag damit als Frachtführerin der Haftung nach der CMR. Das Transportgut ist während der Obhutszeit der Beklagten abhanden gekommen und die Beklagte behauptet nicht eine Unvermeidbarkeit nach Art. 17 Abs. 2 CMR.

[19] 2.3. Die Beklagte kann sich auf die Haftungsbegrenzungen des Art. 23 Abs. 3 und Abs. 7 CMR berufen, da die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung nach Art. 29 CMR nicht vorliegen. Nach Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat. Das gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt, Art. 29 Abs. 2 S. 1 CMR.

[20] 2.3.1. Die Beklagte hat den Schaden nicht vorsätzlich verursacht. Zwar kann bereits der vorsätzliche Verstoß gegen eine ausdrückliche Weisung des Versenders die unbeschränkte Haftung aus Art. 29 Abs. 1 CMR begründen (BGH, Urteil vom 30.09.2010, I ZR 39/09, juris Tz. 31). Vorliegend liegt jedoch die hierfür erforderliche verbindliche Weisung der Versicherungsnehmerin der Klägerin an die Beklagte nicht vor.

[21] Die Vorgabe der Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Beklagte dürfe nur bewachte Parkplätze anfahren, findet sich unstreitig nicht in dem Auftrag selbst, sondern in Ziff. 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dass in den der Auftragserteilung vorangegangenen Telefongesprächen zwischen den Vertragsparteien darauf hingewiesen wurde, dass die Beklagte nur bewachte Parkplätze anfahren darf, trägt die Klägerin nicht vor. Ziff. 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde jedoch nicht Vertragsbestandteil, da es sich insoweit um eine überraschende Klausel im Sinn des § 305c Abs. 1 BGB handelt.

[22] 2.3.1.1. Ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen wurden, bestimmt sich nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO. Da die Parteien nichts zu einer anderweitigen Rechtswahl vorgetragen haben, bestimmt sich das anwendbare Recht nach Art. 5 Rom-I-VO. Da die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-VO nicht vorliegen, ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablieferungsorts anzuwenden, mithin deutsches Recht. Zudem haben die Parteien hinsichtlich der Frage der wirksamen Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Regelungen des BGB Bezug genommen, so dass hierin eine nachträgliche Wahl deutschen Rechts gesehen werden kann.

[23] 2.3.1.2. Zwar enthält der Auftrag auf Seite 2 einen ausdrücklichen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Aufgrund der Aussage der vom Landgericht vernommenen Zeugin D. steht ferner fest, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Versicherungsnehmerin der Klägerin an die Beklagte per Telefax übersandt wurden, diese allerdings nicht lesbar waren. Ein vorsätzlicher Verstoß der Beklagten gegen die Vorgaben der Versicherungsnehmerin der Klägerin, nur bewachte Parkplätze anzufahren, könnte daher bereits deshalb entfallen, weil die Vorgabe in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht lesbar war und von der Beklagten nicht gelesen wurde.

[24] Dies kann aber dahingestellt bleiben, da die Regelung in Ziff. 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine überraschende Klausel im Sinn des § 305c Abs. 1 BGB darstellt und daher nicht Vertragsbestandteil wurde. § 305c Abs. 1 BGB gilt auch bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl., § 305c Rdnr. 2). Zwar handelt es sich bei der Vorgabe, nur bewachte Parkplätze anzufahren, nicht um eine völlig ungewöhnliche Weisung. Maßgeblich sind jedoch insoweit die Gesamtumstände, insbesondere ob ein Widerspruch zum Verlauf der Vertragsverhandlungen vorliegt (Grüneberg, a.a.O., § 305c Rdnr. 3, 4). Vorliegend hat die Versicherungsnehmerin der Klägerin die Beklagte unstreitig in den der Auftragserteilung vorangegangenen Telefonaten nicht darauf hingewiesen, dass nur bewachte Parkplätze angefahren werden dürfen. Insoweit handelt es sich jedoch um einen für die Beklagte wesentlichen Punkt, da diese Weisung bezüglich der Art der Durchführung des Transportes einen wesentlichen Vertragsbestandteil darstellt und maßgeblichen Einfluss auf die Kalkulation der Beklagten hat. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Weisung erteilt wird, dass nur bewachte Parkplätze angefahren werden dürfen.

[25] 2.3.2. Es liegt auch kein vorsatzgleiches Verschulden der Beklagten vor.

[26] 2.3.2.1. Ist der Gütertransportschaden, wie hier, nach dem Inkrafttreten des Transportrechtreformgesetzes vom 01.07.1998 eingetreten, so reicht bei Anwendbarkeit deutschen Rechts für ein Verschulden, das zur Durchbrechung der Haftungsbegrenzungen der CMR führt, die grobe Fahrlässigkeit nicht mehr aus. Liegt kein Vorsatz vor, ist vielmehr ein leichtfertiges Verhalten erforderlich, zu dem das Bewusstsein hinzukommen muss, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (BGH, Urteil vom 30.09.2010, I ZR 39/09, juris Tz. 20; BGH, Urteil vom 20.01.2005, I ZR 95/01, juris Tz. 28).

[27] Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine „Leute“ in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus einem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGH, Urteil vom 30.09.2010, I ZR 39/09, juris Tz. 24; BGH, Urteil vom 17.06.2004, I ZR 263/01, juris Tz. 23).

[28] Welche Sicherheitsvorkehrungen der Transportunternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, das ihm anvertraute Transportgut während der Beförderung von Diebstahl zu bewahren, ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt entscheidend darauf an, ob die getroffenen Maßnahmen den für den durchzuführenden Transport erforderlichen Sorgfaltsanforderungen genügen. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob das transportierte Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlsgefährdet ist, welchen Wert es hat, ob dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage bekannt sein musste und welche konkreten Möglichkeiten einer gesicherten Fahrtunterbrechung es gab, um vorgeschriebene Ruhezeiten einzuhalten (BGH, Urteil vom 01.07.2010, I ZR 176/08, juris Tz. 21).

[29] 2.3.2.2. Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist der Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie bei der Organisation und Durchführung des streitgegenständlichen Transportes leichtfertig und im Bewusstsein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts notwendige Sicherheitsmaßnahmen außer Acht gelassen hat.

[30] Zwar handelte es sich bei dem Transportgut um Damenhosen, die leicht verwertbar und transportierbar sind. Auch handelt es sich nicht um geringwertige Güter. Ferner war der Beklagten generell bewusst, dass es auf Parkplätzen italienischer Autobahnrastanlagen zu Diebstählen kommen kann, indem die Planen von Lkws aufgeschlitzt werden; dass die Beklagte oder deren Fahrer Kenntnis von einer konkreten erhöhten Gefahrenlage hatten, ist jedoch weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Fahrer der Beklagten hat im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, er habe die Transportunterlagen in einem verschlossenen Umschlag erhalten und nicht gewusst, was er transportiere. Bei der Beladung des LKWs sei er nicht dabei gewesen. In dem Auftrag ist unstreitig nur von dem Transport von „Sammelgut“ die Rede. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Fahrer der Beklagten einen Parkplatz auf einer Rastanlage, die auch nachts durchgehend in Betrieb ist, angefahren, er in dem Lkw geschlafen und einen Stellplatz in einem Bereich ausgewählt hat, in dem mehrere LKWs nebeneinander parkten. Zu sehen ist ferner, dass es nach dem Vortrag der Beklagten, der durch die Angaben des Zeugen N. bestätigt wurde, keine bewachten Parkplätze auf der Strecke gibt. Die Klägerin hat lediglich bestritten, dass es keine bewachte Parkplätze gebe, jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass es der Beklagten möglich und zumutbar gewesen wäre, das Fahrzeug auf einem bewachten Parkplatz abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2012, I ZR 236/11, juris Tz. 20).

[31] 2.3.3. Da es an einem besonders schweren Pflichtenverstoß der Beklagten fehlt, richtet sich der Umfang ihrer Ersatzpflicht nach Art. 23 Abs. 1, 2 CMR. Diese Haftung ist gemäß Art. 23 Abs. 3, 7 CMR auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts begrenzt.

[32] Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2017 darauf hingewiesen, dass es aufgrund der vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Anlagen K9 und K7, und der nicht angegriffenen Feststellung des Landgerichts, dass mindestens 2.834 Kleidungsstücke abhanden gekommen sind, schlüssig erscheint, dass das gestohlene Transportgut ein Gewicht von 1.474 kg hatte. Die Parteien haben daraufhin unstreitig gestellt, dass das Gewicht des abhanden gekommenen Transportgutes 1.474 kg beträgt. Dahingestellt bleiben kann, ob der Versicherungsnehmerin der Klägerin ein Mitverschulden vorzuwerfen ist, da ein Mitverschulden nach § 254 BGB nur in Betracht kommt, wenn sich die Schadensersatzpflicht nach den §§ 249 ff. BGB richtet (BGH, Urteil vom 01.07.2010, I ZR 176/08, juris Tz. 27).

[33] Die Beklagte ist daher zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 14.660,43 € (1.474 kg mal 8,33 mal 1,194) verpflichtet.

[34] 2.3.4. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich für den Zeitraum vom 29.01.2013 bis 10.01.2014 aus Art. 27 Abs. 1 CMR. Zwar war der Basiszinssatz in diesem Zeitraum stets negativ (zwischen - 0,13% und - 0,63%) und die Klägerin hat Zinsen nicht in Höhe von 5%, sondern in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt. Diese Verletzung von § 308 Abs. 1 ZPO war im Rahmen der zulässigen Berufung von Amts wegen zu berücksichtigen, wurde jedoch dadurch geheilt, dass die Klägerin Zurückweisung der Berufung beantragt hat (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 308 Rdnr. 5). Für den Zeitraum ab 11.01.2014 folgt der Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Unstreitig wurde die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben der Versicherungsnehmerin der Klägerin vom 19.12.2013 zur Zahlung bis 10.01.2014 aufgefordert.

[35] 3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 S. 1 und 2, § 711 ZPO.

[36] 4. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.

 




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