Urteil OLG München 20 U 3687/08 vom 11.02.2009 | |||
![]() | Gericht: | OLG München | |
![]() | Aktenzeichen: | 20 U 3687/08 | |
![]() | Datum: | 11.02.2009 | |
![]() | Vorinstanzliches Gericht: | LG Landshut, 71 O 461/07 | |
![]() | Fundstelle: | TranspR 03-13, 126 ff. | |
![]() | Land : | Deutschland | |
Einordnung in die Urteilsdatenbank | |||
![]() | Normenregister: | BGB-> §§ 328, 823 | |
MÜ-> Art. 17, 21 | |||
![]() | Haftungskategorie: | Luft->Vertrag/Dokumente | |
![]() | Stichworte: | Pauschalreise, Glatteis, luftfahrttypische Gefahr, Verkehrssicherungspflicht |
Gründe:
I. [...]
II. Die zulässigen Berufungen der Bekl. sind begründet, da die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen.
[...]
2. Die von der KL erhobenen Ansprüche sind jedoch inhaltlich nicht begründet. Der Zeugin K stehen keine Schadensersatzansprüche zu, die die Kl. als Legalzessionarin geltend machen könnte.
a) Der Zeugin K stehen gegen die Bekl. zu 1) weder vertragliche Schadensersatzansprüche aus einem Fluggastbeförderungsvertrag noch Ansprüche aus Art. 17, 21 des Montrealer Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (fortan MÜ) zu.
aa) Die Zeugin K hat keinen eigenen Beförderungsvertrag mit der Bekl. zu 1) geschlossen.
Unstreitig hatte sie die verfahrensgegenständliche Reise nach Fuerteventura als Pauschalreise bei dem Reiseveranstalter »R« gebucht. Zwar kann ein Reiseunternehmen jede angebotene Reiseleistung zum Gegenstand eines bloßen Vermittlungsvertrags machen, so dass der jeweilige Vertrag zwischen dem Reisenden und dem die Leistung tatsächlich erbringenden Unternehmen zustande kommt. Es kann sich aber auch verpflichten, die Leistung in eigener Verantwortung selbst zu erbringen. Ob das eine oder das andere vorliegt, hängt davon ab, wie der Reisekunde die Erklärungen und das Verhalten des Reiseunternehmens verstehen und werten darf. Der Veranstalter einer Pauschalreise- wie hier -tritt jedoch nach ganz herrschender Rechtsprechung stets allein in unmittelbare Rechtsbeziehung zum Reisenden (BGH vom 18. 10. 1973, VII ZR 247/72 TZ 17-19 m.w.Nw.). Daher hatte die Zeugin K lediglich gegen den Reiseveranstalter einen Anspruch auf Beförderung erworben, der zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung entsprechende Verträge mit der B kl. zu 1) schloss. Eine vertragliche Beziehung zwischen der Zeugin K und der Bekl. zu 1) ist dadurch nicht zustande gekommen.
Auch ist der Vertrag zwischen dem Reiseveranstalter und der Bekl. zu 1) kein Vertrag zu Gunsten der Zeugin K (§ 328 BGB). In Ermangelung des Vortrags besonderer Bestimmungen im Fluggastbeförderungsvertrag, ließe sich hier die Drittbegünstigung nur aus den Umständen feststellen (§ 328 Abs. 2 BGB). Hierfür besteht jedoch kein Anhaltspunkt, da der Reiseveranstalter mit dem Abschluss des Fluggastbeförderungsvertrages regelmäßig nur eigene vertragliche Verpflichtungen gegenüber seinem Kunden erfüllen, nicht aber diesem eigene Ansprüche verschaffen will.
Die Zeugin K war auch nicht in die Schutzwirkung des Fluggastbeförderungsvertrages zwischen dem Reiseveranstalter und der Bekl. zu 1) miteinbezogen. Insoweit fehlt es an ihrer Schutzbedürftigkeit, da sie einen inhaltsgleichen, eigenen vertraglichen Beförderungsanspruch gegen den Reiseveranstalter hat, der sich der Bekl. zu I) als Erfüllungsgehilfin bedient (BGH NJW 1996, 2929).
bb) Die Zeugin K kann ferner keine Schadensersatzansprüche aus Art. 17, 21 des Montrealer Übereinkommens herleiten, da sich mit dem verfahrensgegenständlichen Unfall keine luftfahrttypische Gefahr verwirklicht hat. Nach diesen Bestimmungen haftet der Luftfrachtführer nur, sofern ein Schaden durch speziell dem Luftverkehr eigentümliche Gefahren verwirklicht wurde. D.h. gehaftet wird nicht für solche Schäden, die nur zufällig bei oder anlässlich einer Luftbeförderung entstanden sind, aber auch in allen anderen Lebensbereichen hätten entstehen können. Die durch Feuchtigkeit oder Eis auf dem Boden einer Fluggastbrücke bedingte Rutschgefahr steht In keinem inneren Zusammenhang mit den speziellen Gefahren der Luftfahrt. Ein solches Ausrutschen ist auch in allen anderen Lebensbereichen möglich und daher dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen (vgl. OLG München vom 4. 4. 2000, AZ: 18 U 4736/99).
b) Der Zeugin K stehen gegen die Bekl. zu 2) weder vertragliche noch deliktische Schadensersatzansprüche zu.
aa) Die Zeugin K hat keine eigenen Vertragsbeziehungen zur Bekl. zu 2) begründet. Insbesondere kam zwischen diesen Parteien kein Vertrag über die Benutzung der Flughafeneinrichtungen durch Entrichtung von Gebühren zustande. Die Bekl. zu 2) hat hierzu in der Berufungsinstanz unwidersprochen vorgetragen, dass sie Gebühren nur von Luftfahrtunternehmen und sonstigen Haltern von Luftfahrzeugen, in keinem Fall aber von Fluggästen erhebt.
Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Diese Entscheidung kommt lediglich zu dem Ergebnis, dass die Reisebürounternehmen den Flugkunden als Teil des von ihnen erbrachten Leistungsbündels im Auftrag der Fluggesellschaften auch ein Benutzungsrecht an den Infrastruktureinrichtungen der Flughäfen verschaffen, welches durch Zahlung der variablen Landeentgelte abgegolten sein soll. Vertragspartner dieses geschuldeten Leistungsbündels ist gegenüber dem Reisenden (der Zeugin K) aber allein das Reiseunter nehmen und keinesfalls die Flughafenbetreiberin (Bekl. zu 2). Das Reiseunternehmen wiederum vermittelt auch keinen eigenen Benutzungsanspruch, sondern den der Fluggesellschaft, welchen diese tatsächlich durch Abführung der Gebühren an die Bekl. zu 2) erworben hat. Zwar mag letztlich das Reiseunternehmen dem Kunden die Verschaffung dieser Nutzungsrechte schulden. Ein unmittelbarer Anspruch des Kunden gegen den Flughafenbetreiber lässt sich aber nicht ableiten.
Auch ist der etwaige Vertrag zwischen der Bekl. zu 2) und der Bekl. zu 1) über die Nutzung der Flughafeneinrichtungen gegen Gebühr kein echter Vertrag zu Gunstendes Reisenden(§ 328 BGB). Dass es entsprechende vertragliche Abreden gäbe, ist nicht vorgetragen oder anderweitig ersichtlich. Auch sprechen keine sonstigen Umstände dafür, dass eine solche Drittbegünstigung gewollt wäre(§ 328 Abs. 2 BGB). Insbesondere ist in der Nutzungsvereinbarung zwischen den Bekl. (Flughafenbetreiber und Luftfahrtunternehmen) nicht vorrangig ein Akt der Fürsorge für die Fluggäste zu sehen, sondern die Regelung des gegenseitigen Leistungsaustausches im Interesse einer reibungslosen Flugverkehrsabwicklung.
Auch ist die Zeugin K nicht in den Schutzbereich eines solchen Vertrages zwischen den Bekl. einbezogen worden. Die generelle Beantwortung der Frage, ob ein Fluggast in den Schutzbereich eines solchen Vertrages zwischen dem von ihm beauftragten und in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmen und dem Flughafenbetreiber einbezogen sein kann, kann hier dahinstehen, da für die spezielle Fallkonstellation jedenfalls das Einbeziehungsinteresse fehlte (Grüneberg in Palandt BGB 68. Auf!. § 328 Rn. 17). Die Zeugin K stand wie dargelegt- in keiner Vertragsbeziehung zur Bekl. zu 1), auf Grund derer die Bekl. zu 1) ihr Schutz und Fürsorge geschuldet oder an Ihrer Einbeziehung in den Vertrag besonderes Interesse gehabt hätte.
bb) Die Zeugin 1 kann ferner keine Schadensersatzansprüche gegen die Bekl. zu 2) aus§ 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten herleiten.
Die Kl. konnte zur Überzeugung des Senats bereits den Nachweis nicht führen, dass sich der Boden der verfahrensgegenständlichen Fluggastbrücke, für welchen die Bekl. zu 2) unbestritten die Verkehrs Sicherungspflicht hat, nicht in einem Zustand befand, der bei normalem, vernünftigen Verhalten ein sicheres Passieren gewährleistet hätte (BGH vom 5. 7. 1994 - VI ZR 238/93- TZ 13).
Die Bekl. zu 1) hat in ihren Berufungsangriffen zu Recht gerügt, dass in erster Instanz die Anhörung der von ihr zum Zustand der Fluggastbrücke benannten Zeugin A unterblieben ist. Die vom Landgericht zur Vereisung der Fluggastbrücke getroffenen Feststellungen sind somit unvollständig (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und daher vom Senat erneut zu treffen. Hierfür wurden die Zeuginnen K und A persönlich gehört. Die bereits vorliegenden schriftlichen Aussagen der weiteren Zeugen zu diesem Beweisthema waren im neuen Kontext zu würdigen.
Auf Grund der Aussagen der vom Senat angehörten Zeuginnen K und A sowie der schriftlichen Aussagen der Zeugen H, G, A und R kann sich der Senat keine hinreichende Überzeugung dahingehend bilden, dass die Sturzstelle vereist gewesen ist.
Zwar geben die Zeugin K und der Zeuge A übereinstimmend an, an der Sturzstelle habe sich Eis gebildet gehabt, weshalb die Zeugin ausgerutscht und auch der Zeuge A mit dem rechten Fuß weggerutscht sei. Demgegenüber gaben die um 08:40 Uhr am Unfallort anwesenden Zeugen H und G an, kein Eis am Boden bemerkt zu haben, obwohl diese Möglichkeit am Unfallort angesprochen worden sei. Der Zeuge R ging auf Grund seiner Logbucheintragung davon aus, dass die Fluggastbrücke nicht vereist war, hatte jedoch keine persönliche Erinnerung mehr. Die Zeugin A, die zum Zeitpunkt des Unfalls nur wenige Schritte entfernt an der Tür zum Flugzeug stand, hatte keinerlei Erinnerung, ob das Thema „Eis“ eine Rolle gespielt hatte, wusste aber, dass sie mit Lederpumps ganz nah an die gestürzte Zeugin K getreten war, um zu helfen, und selbst nicht rutschte. Der Senat verkennt nicht, dass mit Ausnahme der nicht mehr bei der Bekl. zu 1) tätigen Zeugin- alle Zeugen eine gewisse Parteinähe oder sonstiges Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Dennoch hinterlassen alle Angaben grundsätzlich einen glaubwürdigen und im Kern widerspruchsfreien Eindruck, so dass keiner Angabe ein Vorzug eingeräumt werden kann. Da die Kl. für den verkehrsunsicheren Zustand der Fluggastbrücke die Beweislast trägt, geht diese non-liquet-Situation zu ihren Lasten.
Letztlich kann die Frage der Eisbildung jedoch dahin stehen da die Bekl. zu 2) auch in diesem Fall ihre Verkehrssicherungspflicht nicht schuldhaft verletzt hätte, sondern ihrer Pflicht zur Vermeidung bzw. Beseitigung solcher Zustände hinreichend nachgekommen wäre.
Bereits in der Klageerwiderung vom 28. 8. 2007 hatte die Bekl. die Delegation dieser Aufgabe Sowie eigene Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen dargelegt, was im Schriftsatz vorn 13. 2. 2008 weiter konkretisiert wurde. Da nach oblag die Reinigung und der Winterdienst auf dem Flughafengelände grundsätzlich der Firma <H. Der Zeuge R, Geschäftsführer dieser Firma gab dazu vor dem Landgericht an, dass die verfahrensgegenständliche Fluggastbrücke bis spätestens 04:00 Uhr morgens ordnungsgemäß gereinigt worden sei. Eilmeldungen für eine ad hoc Verschmutzung, die sofort beseitigt worden wäre, haben Ihn am Unfalltag nicht erreicht. Dem ist die Kl. nicht entgegengetreten.
Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit der Firma H sind nicht ersichtlich.
Ausweislich des vorn Landgericht am 11. 4. 2008 aufgenommenen Augenschein-Protokolls befand sich unter dem Bodenblech der Fluggastbrücke, welches die Zeugin K als Unfallort angab, eine Fußbodenheizung die von einem Thermostat gesteuert wird. Ein Defekt wurde nicht vorgetragen.
Der Zeuge S gab in seiner schriftlichen Aussage vom 24. 11. 2007 vor dem Landgericht an, dass um 06:45 Uhr des Unfalltages an die Position der verfahrensgegenständliche Fluggastbrücke das Flugzeug geschleppt und abgestellt worden sei, welches die Zeugin K habe benutzen wollen. Er habe dort zunächst die Bremsklötze am Hauptfahrwerk gesetzt und sodann nacheinander die zwei Finger der Fluggastbrücke an die zwei Türen des Flugzeugs angedockt, das Vordach ausgefahren und den Strom angelegt. Die Finger seien zu diesem Zeitpunkt trocken und eisfrei gewesen. Eine eventuelle Verschmutzung oder anderweitige Verkehrsunsicherheit hätte er umgehend der Vorfeldkontrolle oder dem Disponenten zu melden gehabt.
Hieraus ergibt sich, dass die Bekl. zu 2) nicht nur vermittels technischer Hilfsmittel (Heizung), sondern auch durch eine regelmäßige Reinigung und Kontrolle, zuletzt beim Andocken der FIuggastbrücke für den konkreten Flug, versucht hat, sicherzustellen, dass Unfälle- wie der verfahrensgegenständliche - vermieden werden. Wenn man zudem bedenkt, dass bei normalem, zu erwartendem Ablauf die jeweilige Flugzeugbesatzung die Fluggastbrücke vor den Fluggästen passiert, was einen zusätzlichen Kontrollfaktor darstellt, und die Zeugin für den üblichen Empfang der Fluggäste nur wenige Schritte vom Unfallort entfernt stand, hat die Bekl. zu 2) hinreichende Vorkehrungen für die Verkehrssicherheit der Fluggastbrücke geschaffen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art- schafft, grundsätzlich nur verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein um sichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Nicht jeder abstrakten Gefahr- wie der vom Landgericht augenscheinlich angenommenen unerklärten Blitzeisbildung- kann vorbeugend begegnet werden. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung aus schließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.
III. [Nebenentscheidungen]
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