Pre Loading Survey
Rechte und Pflichten des mit der Verladeüberwachung beauftragten Surveyors


Vortrag von Herrn Andreas Brautlacht, debis Assekuranz Makler GmbH, Berlin

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Was darf der Surveyor?
3. Rechtsfolgen aus Vertragsverletzungen
4. Schlußbetrachtung




1. Einleitung

Wer ein Interesse daran hat, daß ein bestimmtes Frachtgut eine Reise unbeschadet übersteht, sollte eigentlich vernünftige Vorkehrungen gegen Schäden treffen. Der Hersteller, der mit der Ware handelt – also als Verkäufer ein Interesse an der Erfüllung des Kaufvertrags hat – und die Ware im übrigen am besten kennt, sollte also Hinweise für ihre Handhabung geben. Er sollte das Frachtgut weiterhin beanspruchungsgerecht verpacken und Wert darauf legen, daß die Ladung im Transportmittel angemessen gesichert wird.

Trotz des Interesses des Herstellers, seine Pflichten aus dem Kaufvertrag zu erfüllen, ist sein Interesse an einer ausreichenden Verpackung oder Ladungssicherung aber oft gering. Das mag zum einen natürlich an den damit verbundenen Kosten liegen, zum anderen aber auch daran, daß er sein Sicherheitsinteresse oft durch den Abschluß einer Transportversicherung befriedigt. Seine Bereitschaft, Maßnahmen zur Schadenverhütung zu treffen, kann dadurch offenbar merklich beeinträchtigt werden.

Ein Interesse des Beförderers an einer Verpackung oder Ladungssicherung ist sicherlich insoweit gegeben, als er für Mängel an Verpackung oder Ladungssicherung haftet. Darüber hinaus soll die Ladung das Schiff, den LKW oder ein sonstiges Beförderungsmittel nicht beschädigen. Was darüber hinausgeht, wird den Beförderer oft nicht interessieren.

Der Transportversicherer: Bei ihm ist das Interesse an der Ware versichert. Er stellt die Ware nicht her, er handelt nicht mit ihr, er ist auch nicht für ihre Beförderung verantwortlich, also kein Partner irgendeines Speditions- oder Frachtvertrags, und dennoch fühlt er sich oft als der einzige, dem ein Schaden oder gar ein völliger Verlust wirklich nahegeht. Denn er muß dann zahlen.

Die Transportversicherer veranlassen daher schadenverhütende Maßnahmen, insbesondere Verladeüberwachungen, um schon im Vorfeld mögliche Gefährdungen des Frachtguts zu erkennen und zu verhindern. Sie befinden sich dabei in einer undankbaren Situation: Der Versicherungsnehmer steht unter hohem Kostendruck, der auch durch die Versicherungsprämie mitverursacht wird. Er wünscht deswegen keine Kontrollen des Versicherers, die möglicherweise noch eine Kostensteigerung zur Folge haben. Aus diesem Grund sieht auch der Beförderer den Versicherer ungern seine Ladungssicherung kontrollieren. Nachbesserungen sind kostensteigernd, und die Kosten will nachher niemand tragen.

Es ist daher für alle Beteiligten, für den Versicherungsnehmer und seinen Makler, für den Beförderer und natürlich für den Transportversicherer eine interessante Frage, was die Versicherer und die von ihnen geschickten Surveyor eigentlich dürfen. Obwohl der Pre Loading Survey gängige Praxis ist, obwohl die Versicherer eigene Leute, aber auch beauftragte Havariekommissare immer wieder zur Verladeüberwachung einsetzen, ist bislang offenbar nicht geprüft worden, wozu diese eigentlich berechtigt sind. Das ist auch deswegen überraschend, weil Versicherungsnehmer oder Beförderer immer wieder ein Pre Loading Survey ablehnen und dem Surveyor in Ausnahmefällen die Überprüfung direkt verweigern, während das Interesse der Versicherer aus den genannten Gründen ausgesprochen groß ist.


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2. Was darf der Surveyor?

Die Frage ist sehr allgemein formuliert, und sie könnte in vielen Punkten präzisiert werden: Wem gegenüber soll der Surveyor berechtigt sein? Was genau macht der Surveyor? Verursacht der Surveyor im Rahmen seiner Tätigkeit Kosten und wenn ja, wer trägt sie?

Die rechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Surveyors ist vor allem deswegen nicht einfach, weil er bzw. der hinter ihm stehende Versicherer einen Versicherungsvertrag mit dem Versender hat, aber durch die Tätigkeit des Surveyors nicht nur die Interessen aus dem Versicherungsvertrag, sondern auch die Interessen der Parteien aus dem Beförderungsvertrag berührt werden. Der Beförderungsvertrag besteht zwischen dem Versender und dem Beförderer, der Versicherer und sein Surveyor werden vom diesem Vertragsverhältnis unmittelbar jedenfalls nicht betroffen. Dennoch wollen sie mit dem Beförderer kooperieren.



Abbildung 1: Die vertraglichen Beziehungen zwischen Versicherungsnehmer, Versicherer und Beförderer



Folgende Thesen sollen auf ihre Richtigkeit geprüft werden:

Der Surveyor darf besichtigen.
Der Surveyor darf die seiner Meinung nach erforderlichen Maßnahmen auf Kosten desjenigen veranlassen, der die Maßnahmen selbst hätte veranlassen müssen.
Wird dem Surveyor die Besichtigung verweigert oder werden sein Anweisungen nicht befolgt, kann das Auswirkungen auf den Versicherungsschutz bis hin zu dessen Verlust haben.


2.1. Besichtigungsrecht des Surveyors

Der Surveyor (genauer: der hinter ihm stehende Versicherer) ist berechtigt, Verpackung und Ladungssicherung zu kontrollieren.

Das Recht des Surveyors, sowohl Verpackung als auch Ladungssicherung zu prüfen, folgt aus dem Versicherungsvertrag. Im folgenden wird von der Geltung deutscher Versicherungsbedingungen, also den ADS und den Besonderen Bestimmungen für die Güterversicherung (ADS Güterversicherung 1973 in der Fassung 1984), ausgegangen. Ein Transportversicherer, der in Deutschland sein Geschäft betreibt, wird Versicherungsverträge regelmäßig auf dieser Grundlage abschließen.


2.1.1 Prüfung der Verpackung

Ein Recht des Surveyors zur Prüfung der Verpackung folgt aus Ziff. 1.4.1.5 der ADS Güterversicherung 1973/1984.

Nach dieser Bestimmung leistet der Versicherer keinen Ersatz für Schäden, die durch Fehlen oder Mängel handelsüblicher Verpackung verursacht wurden. In der Fassung von 1994 heißt es "beanspruchungsgerechte" Verpackung. Vor der Formulierung der ADS Güterversicherung 1973 hieß es "mangelhafte" Verpackung, aber auf diese unterschiedlichen Formulierungen kommt es hier nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß es sich um einen objektiven Risikoausschluß handelt, der zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind. Wenn sich der Versicherer auf Leistungsfreiheit aus diesem Grund berufen möchte, trägt er die Darlegungs- und Beweislast. Um diesen Beweis führen zu können, muß dem Versicherer offensichtlich die Möglichkeit gegeben werden, die Verpackung zu prüfen. Sonst wäre der Risikoausschluß gegenstandslos. Aus diesem Grunde ist es unumstritten, daß der Versicherer jedenfalls im Schadenfall das Recht hat, eine Besichtigung durchzuführen oder durchführen zu lassen.

In der Praxis allerdings wird dem Versicherer dieses Prüfungsrecht schon vor dem Schadenfall nicht immer zugestanden.

Das ist nicht haltbar. Der Inhalt des Versicherungsvertrags kann durch einen Schadenfall nicht beeinflußt werden. An einen Schadenfall mögen sich bestimmte Verhaltenspflichten knüpfen, die im Detail z.B. in Ziff. 8 der ADS Güterversicherung 1973/84 geregelt sind und erst im Schadenfall relevant werden. Vertragsinhalt sind diese Verhaltenspflichten jedoch vom Moment des Vertragsschlusses an.

Das gilt auch für den objektiven Risikoausschluß des Fehlens oder der Mängel einer handelsüblichen Verpackung. Im Schadenfall muß der Versicherer diese Umstände prüfen, da ihm sonst der ihm obliegende Beweis nicht möglich ist. Das Recht zur Prüfung besteht aber schon vor dem Schadenfall, da der objektive Risikoausschluß von Anfang an zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags vereinbart war. Durch den Schadenfall wird im Grunde nur der spätestmögliche Zeitpunkt bestimmt, zu dem der Versicherer sein Prüfungsrecht realisieren kann.

Dem Versicherer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe vor dem Schadeneintritt keinen Grund, die Verpackung zu prüfen. Der Versicherer trägt die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Risikoausschluß und muß deswegen in die Lage versetzt werden, den ihm obliegenden Beweis zu führen. Zu welchem Zeitpunkt er seine Beweismittel beschafft, ist seine Sache.

Unter diesen Umständen muß das Recht zur Prüfung der Verpackung auch bestehen, wenn der Versicherungsnehmer einen Dritten mit dem Verpacken der Güter beauftragt hat. Schließlich hat es keine Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast, wenn ein Dritter verpackt. Die Rechtsstellung des Versicherers und des von ihm beauftragten Surveyors wird dadurch nicht beeinflußt.



Abbildung 2: Prüfung der Verpackung



2.1.2 Prüfung der Ladungssicherung

2.1.2.1 Eigener Anspruch des Surveyors?


Der Fall: Der Versender beauftragt einen Spediteur mit der Besorgung des Transports; dieser läßt die Ware abholen oder holt sie selbst ab. Üblicherweise vor dem Hauptlauf, also bei der Verladung in das eingesetzte Beförderungsmittel, möchte der Surveyor die Ladungssicherung prüfen. Darf er das?

Hier zeigt sich das eingangs erwähnte Problem der wechselseitigen vertraglichen Beziehungen: Zwischen dem Suryeyor bzw. dem hinter ihm stehenden Versicherer und dem Versender (Versicherungsnehmer) besteht ein Versicherungsvertrag. Zwischen dem Beförderer und dem Surveyor bestehen dagegen keine vertraglichen Beziehungen. Ein vertraglicher Anspruch des Surveyors gegen den Beförderer auf Prüfung der Ladungssicherung kann daher nicht bestehen.

Zwischenergebnis: Da keine rechtlichen Beziehungen zwischen dem Surveyor und dem Beförderer bestehen, hat der Surveyor keinen vertraglichen Anspruch gegen den Beförderer auf Prüfung der Ladungssicherung.


2.1.2.2 Anspruch des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer auf Prüfung der Ladungssicherung

Es bestehen vertragliche Beziehungen zwischen dem Beförderer und seinem Auftraggeber, dem Versender (gleichzeitig Versicherungsnehmer), nämlich ein Frachtvertrag. Natürlich darf der Versender als Auftraggeber des Frachtvertrags die vom Beförderer vorgenommene Ladungssicherung prüfen. Ein Recht zur Prüfung der vom Vertragspartner erbrachten Leistung ist jedem Vertragsverhältnis immanent. Als Auftraggeber eines Vertrags über eine Personenbeförderung, eine Taxifahrt z.B., ist der Fahrgast innerhalb vernünftiger Grenzen ebenfalls berechtigt, die für die Erfüllung des Vertrags wichtigen Einrichtungen des Fahrzeugs zu prüfen. Er wird eine Beförderung z.B. ablehnen können, wenn das Fahrzeug keine Sicherheitsgurte haben sollte.

Unerheblich ist, ob der Versender selbst direkter Partner des Beförderers ist oder ob ein oder mehrere Spediteure oder sonstige Dienstleister zwischengeschaltet sind. Der Versender darf dann jedenfalls aus abgetretenem Recht die Ladungssicherung prüfen. Außerdem bestehen regelmäßig sachenrechtliche Beziehungen zur Ware, z.B. Eigentum, die ebenfalls Zugangs- und Besichtigungsrechte begründen.

Der Versicherer kann vom Versicherungsnehmer die Wahrnehmung der Rechte aus dem Beförderungsvertrag verlangen. Der Versicherer kann also verlangen, daß der Versender (Versicherungsnehmer) die vom Beförderer vorgenommene Ladungssicherung prüft. Dieses Recht des Versicherers folgt aus dem Versicherungsvertrag und der dadurch begründeten Schadenabwendungs- und Schadenminderungspflicht.



Abbildung 3: Pflichten der Vertragsparteien


Wie bei allen vertraglich begründeten Schuldverhältnissen haben auch die Parteien des Versicherungsvertrags die Pflicht, Schäden vom Vertragspartner abzuwenden oder bereits eingetretene Schäden zu mindern. Ausdrücklich geregelt ist die Schadenabwendungs- und -minderungspflicht des Versicherungsnehmers z.B. in Ziff. 8.1.1 ADS Güterversicherung 73/84, der dem Versicherungsnehmer nach dem Schadeneintritt bestimmte Pflichten auferlegt. Die Bestimmung lautet: "Der Versicherungsnehmer hat die Anweisungen des Versicherers für den Schadenfall zu befolgen, den in der Police oder im Versicherungszertifikat bestimmten Havariekommissar unverzüglich zur Schadenfeststellung hinzuzuziehen und dessen Havarie-Zertifikat dem Versicherer einzureichen."



Abbildung 4: Prüfung der Ladungssicherung als Pflicht des Versicherungsnehmers


Der Versender und Versicherungsnehmer ist aber nicht erst nach, sondern auch schon vor dem Schadenfall verpflichtet, Schäden vom Versicherer abzuwenden. Eine Ausprägung dieser Pflicht ist in Ziff. 7.10.2 der ADS Güterversicherung 73/84 geregelt. Satz 1 lautet: "Kann von einem mit der Abwicklung des Transportes beauftragten Dritten Ersatz des Schadens nicht verlangt werden, weil dessen gesetzliche Haftung über das verkehrsübliche Maß hinaus beschränkt oder ausgeschlossen ist, ist der Versicherer insoweit von der Verpflichtung zur Leistung frei." Regreßmöglichkeiten dürfen nicht zum Nachteil des Versicherers eingeschränkt werden. Es handelt sich um eine vor dem Schadenfall bestehende Pflicht des Versicherungsnehmers.

Erstes Zwischenergebnis: Aus dem Versicherungsvertrag folgt eine vor und nach dem Schadenfall bestehende Schadenabwendungs- und -minderungspflicht des Versicherungsnehmers.

Aufgrund dieser Pflicht ist der Versender (Versicherungsnehmer) zur Prüfung der Ladungssicherung verpflichtet:

Erstes Argument: Wenn ich als Versender (Versicherungsnehmer) nicht prüfe, ob die von mir beauftragten Beförderer ihre Vertragspflichten ordentlich erfüllen, kann die beförderte Ware beschädigt werden mit der Folge, daß der Versicherer aus dem Versicherungsvertrag leistungspflichtig wird und damit einen Schaden erleidet. Da die Erfahrung zeigt, daß Ladung immer wieder unzureichend gesichert wird, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine unzureichende Ladungssicherung und damit für einen Schaden. Deswegen kann sich der Versender (Versicherungsnehmer) auch nicht darauf berufen, ihn interessiere das nicht, der Beförderer soll seine Pflichten aus dem Frachtvertrag erfüllen, er werde ihn nicht kontrollieren.

Natürlich kann der Versicherer nicht verlangen, daß der Versender jede Verladung prüft. Es ist fraglich, wo eine Grenze zu ziehen ist. Die Frage muß aber an dieser Stelle nicht entschieden werden, denn der Versicherer möchte ja nicht den Versender (Versicherungsnehmer) zur Verladeüberwachung schicken, er möchte das selbst tun. Entscheidend ist, daß der Versicherer vom Versender (Versicherungsnehmer) grundsätzlich Kontrollen verlangen kann.

Zweites Argument: Ein zweites Argument für die Prüfungspflicht des Versenders (Versicherungsnehmers) ist die bereits zitierte Ziff. 7.10.2 der ADS Güterversicherung 73/84, wonach der Versicherungsnehmer zur Regreßwahrung verpflichtet ist. Die Bestimmung verbietet dem Versender (Versicherungsnehmer), auf Regreßrechte zum Nachteil des Versicherers zu verzichten. Sie kann als weitergehender Grundsatz verstanden werden, nach dem der Versender (Versicherungsnehmer) verpflichtet ist, Regreßrechte grundsätzlich zu wahren. Dazu würde auch die Prüfung der Ladungssicherung gehören:

Der Beförderer (nicht der Versender!) ist für die Verladung und damit auch für die Ladungssicherung verantwortlich und haftet für Schäden, die aus fehlerhafter Ladungssicherung resultieren. Das gilt für jeden Transportmodus. Wer eine vertragliche Pflicht verletzt, ist für den entstandenen Schaden ersatzpflichtig. Für den Seetransport z.B. gelten Art. 3 Nr. 2 Haager Regeln, § 606 Satz 1 HGB. Danach muß der Beförderer die Ladung sorgfältig laden, stauen, befördern, behandeln und entladen. Ob aus dieser Bestimmung unmittelbar die Haftung bei fehlerhafter Ladungssicherung folgt oder ob sie nur ein Freizeichnungsverbot ist (Puttfarken, Seehandelsrecht, RN 163), kann hier offen bleiben. Entscheidend ist die Pflicht des Beförderers und die aus der Verletzung folgende Ersatzpflicht.

Den Ersatzanspruch des geschädigten Versenders wird regelmäßig der Transportversicherer nach erfolgter Regulierung geltend machen, denn nach Regulierung des Schadens gehen die Ersatzansprüche auf den Versicherer über, § 45 ADS/67 VVG. Der Versicherer ist aber zur Durchsetzung der Ansprüche nicht in der Lage, wenn er nicht darlegen und ggf. beweisen kann, daß der Schaden auf mangelhafte Ladungssicherung zurückzuführen ist. Er ist also darauf angewiesen, Informationen zur Schadenursache zu erhalten, also Informationen zur Ladungssicherung. Die kann er nur von demjenigen erhalten, der zur Prüfung der Ladungssicherung auch berechtigt ist, also vom Auftraggeber des Beförderungsvertrags, mithin vom Versender und Versicherungsnehmer.

Zweites Zwischenergebnis: Aufgrund der sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden allgemeinen Schadenabwendungs- und Schadenminderungspflicht ist der Versender (Versicherungsnehmer) gegenüber dem Versicherer verpflichtet, die Ladungssicherung zu prüfen.

Allerdings ist es auch hier kaum haltbar, bei jeder Versendung eine Prüfungspflicht des Versenders (Versicherungsnehmers) anzunehmen. In sinnvollen Abständen – hier sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend – wird er aber Kontrollen vornehmen müssen.

Ergebnis: Pre Loading Survey als besonderer Service des Versicherers

Die Situation stellt sich also anders dar, als oft vermutet wird: Mit der Gestattung eines Pre Loading Survey erweist der Versicherungsnehmer dem Versicherer bzw. dem Surveyor keinen Gefallen. Es ist umgekehrt: Mit einem Pre Loading Survey übernimmt der Versicherer Pflichten des Versicherungsnehmers. Der Versicherer ist bereit, den Versender und Versicherungsnehmer von vertraglichen Pflichten zu entbinden und sie selbst zu übernehmen.



Abbildung 5: Prüfung der Ladungssicherung: Weitere Konsequenzen



2.2 Kostentragungspflicht bei Veranlassung von Maßnahmen zur Ladungssicherung

Die Überprüfung der Ladungssicherung durch den Surveyor ist nur sinnvoll, wenn er gegebenenfalls die Maßnahmen trifft, die für eine ausreichende Ladungssicherung erforderlich sind. Wer ist verpflichtet, daraus entstehende Kosten zu tragen?

Bei der Beantwortung der Frage sind verschiedene Konstellationen des Beförderungsvertrags zu unterscheiden: Wenn der Beförderer vor Beginn des Transports oder der Transporte eine bestimmte Höhe der Kosten zugesichert hat, hat er die durch eine Intervention des Surveyors entstehenden zusätzlichen Kosten für eine ausreichende Ladungssicherung selbst zu tragen. Diese Kosten wären sowieso entstanden, da er zu einer ausreichenden Ladungssicherung aus dem Beförderungsvertrag verpflichtet ist ("Sowieso-Kosten"). Er kann sich selbstverständlich nicht auf außerordentliche Kosten infolge der Intervention des Surveyors berufen, da seine vorher niedrigen Kosten auf eine mangelhafte Vertragserfüllung, nämlich auf eine unzureichende Ladungssicherung, zurückzuführen waren.

Sollte der Beförderer keinen festen Kostensatz zugesichert haben – heute eher die Ausnahme – sind natürlich die tatsächlich entstandenen Kosten vom Auftraggeber (Versender, Versicherungsnehmer) zu zahlen. Durch die Intervention des Surveyors sind keine zusätzlichen Kosten entstanden, sondern lediglich die Kosten, die bei einer angemessenen Ladungssicherung eben entstehen. Die hätte der Auftraggeber aber auch ohne die Intervention des Surveyors tragen müssen.



Abbildung 6: Kostentragungspflicht bei Nachbesserungen



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3. Rechtsfolgen aus Vertragsverletzungen

3.1 Versender/Versicherungsnehmer verbietet selbst Pre Loading Survey

Ein Fall: Der Surveyor will besichtigen, der Versender (Versicherungsnehmer) untersagt eine Besichtigung. Es kommt zu einem Transportschaden. Hat das Besichtigungsverbot Auswirkungen auf den Deckungsschutz?

Das Verhalten des Versenders (Versicherungsnehmers) hat unter bestimmten Voraussetzungen Auswirkungen auf den Versicherungsschutz. Diese Voraussetzungen sind:

Vorsatz oder Fahrlässigkeit bezüglich der Schadenentstehung durch unzureichende Ladungssicherung
Nachweis des Versicherers, daß durch eine Pre Loading Survey der Schaden vermieden worden wäre.

Beide Voraussetzungen müssen gemeinsam gegeben sein.



Abbildung 7: Auswirkung eines Besichtigungsverbots auf die Deckung


Wenn geschriebene Bedingungen/Maklerbedingungen vereinbart wurden, wird sich das Besichtigungsverbot nur in seltenen Ausnahmen auf die Deckung auswirken. Wenn die ADS gelten, kann das Verbot häufiger zum Erlöschen des Deckungsschutzes führen:

In geschriebenen Bedingungen oder in den ADS finden sich keine Bestimmungen, die den Fall des Verbots eines Pre Loading Survey konkret regeln. Es ist daher auf die allgemeinen Bestimmungen zurückzugreifen, die den Fortbestand oder das Erlöschen des Versicherungsschutzes bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Schadenverursachung zum Gegenstand haben, also § 33 Abs. 1 ADS oder – wahrscheinlich häufiger – geschriebene Bedingungen/Maklerbedingungen.

§ 33 Abs. 1 Satz 1 ADS lautet: "Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt."

Beispielhaft sei noch eine Formulierung aus Maklerbedingungen erwähnt: "Soweit Rechtsfolgen an ein Verschulden des Versicherungsnehmers geknüpft sind, können Einwendungen daraus nur geltend gemacht werden, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit von Seiten der Repräsentanten des Versicherungsnehmers vorliegt."

Das Verbot, die Ladungssicherung zu prüfen, wird natürlich durch den Versender (Versicherungsnehmer) vorsätzlich ausgesprochen. Er will das Verbot aussprechen und weiß, was er sagt. Auf den Versicherungsschutz wirkt sich dieses Verbot aber nur aus, wenn sich der Vorsatz auf den Versicherungsfall, also den Schaden selbst bezieht. Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, § 276 RN 10). Es ist nicht notwendig, die Prüfung zum Vorsatz zu vertiefen, da der Versender (Versicherungsnehmer) vermutlich nur in seltenen Ausnahmefällen ein Pre Loading Survey verbieten wird, um vorsätzlich einen Schadenfall herbeizuführen.

Auch die grobe Fahrlässsigkeit wird nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben sein. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt wird (Palandt/Heinrichs, § 276 RN 14). Auch hier muß sich die grobe Fahrlässigkeit auf den Schadenfall beziehen. Es muß also im Hinblick auf den späteren Schadenfall eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sein, daß der Versender dem Surveyor die Besichtigung verbietet. Ein solcher Fall ist nur schwer vorstellbar. Es müßte also z.B. für den Versender ohne weiteres zu erkennen gewesen sein, daß der Beförderer mangelhaft staut oder die Ladung mangelhaft sichert und daß deswegen eine Intervention des Surveyors notwendig ist. Wenn dem Versender Mängel bei der Stauung oder Ladungssicherung definitiv bekannt sind, wird er regelmäßig selbst intervenieren.

§ 33 Abs. 1 ADS dagegen verlangt im Gegensatz zu den meisten Maklerbedingungen keine grobe Fahrlässigkeit. Nach dieser Bestimmung reicht auch leichte Fahrlässigkeit für die Leistungsfreiheit des Versicherers aus. Dieser Fall kann häufiger gegeben sein. Es reicht aus, daß der Versender z.B. aufgrund früherer Schäden befürchten muß, daß Stauung oder Ladungssicherung bei diesem Schiff oder in diesem Hafen nicht sachgerecht durchgeführt werden.

Wenn sich der Versicherer auf Leistungsfreiheit berufen möchte, muß er neben dem Vorsatz oder der Fahrlässigkeit nachweisen, daß der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn eine Verladeüberwachung durchgeführt worden wäre. Es ist ein allgemeiner Grundsatz im Zivilprozeßrecht, daß derjenige, der sich auf für ihn günstige Bestimmungen beruft, die Voraussetzungen für ihr Vorliegen darzulegen und zu beweisen hat. Es sind zahlreiche Fallkonstellationen denkbar, in denen ein solcher Nachweis leicht fallen wird. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn aufgrund des Schadenfalls später festgestellt wird, daß elementare Grundsätze der Stauung und Ladungssicherung verletzt wurden. Dann ist offensichtlich, daß durch eine Intervention des Surveyors (Versicherers) der Schaden vermieden worden wäre.


3.2 Vertreter des Versenders/Versicherungsnehmers verbieten den Pre Loading Survey

Mit Vertretern sind nicht die Repräsentanten gemeint, sondern z.B. vertretungsberechtigte Makler.

Erklärungen von Vertretern wirken für und gegen den Vertretenen. Das folgt aus § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Bestimmung lautet: "Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen." Hat also z.B. ein zur Vertretung des Versicherungsnehmers berechtigter Versicherungsmakler ein Pre Loading Survey untersagt, sind die Rechtsfolgen genauso, als ob der Versender (Versicherungsnehmer) selbst die Besichtigung untersagt hätte.


3.3 Dritte verbieten den Pre Loading Survey

Gelegentlich versuchen Dritte, z.B. Reeder oder sonstige Beförderer, dem Surveyor ein Pre Loading Survey zu verbieten. So wird z.B. untersagt, das Schiff zu betreten, oder es wird verboten, zu fotografieren. Der Surveyor (Versicherer) wird sich gegen Verbote dieser Art am wirkungsvollsten zur Wehr setzen können, wenn er dem Beförderer in Abstimmung mit dem Versender (Versicherungsnehmer) deutlich macht, daß er keine eigenen Ansprüche durchsetzen möchte. Wie oben beschrieben, hat der Surveyor ja auch keine eigenen Ansprüche gegenüber dem Beförderer, auf die er sich berufen kann. Nur dem Versender (Versicherungsnehmer) stehen aus dem Beförderungsvertrag Rechte gegen den Beförderer zu. Wenn der Versender (Versicherungsnehmer) dem Surveyor nachweislich gestattet, diese Rechte wahrzunehmen, muß der Beförderer seinerseits ein Pre Loading Survey gestatten. Um dem Surveyor den Nachweis zu ermöglichen, mit Zustimmung des Versenders zu handeln, dürfte eine entsprechende schriftliche Erklärung des Versenders geeignet sein.


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4. Schlußbetrachtung

Es konnten einige mit dem Pre Loading Survey zusammenhängende Probleme angesprochen werden.

Die Fallgestaltungen in der Praxis sind aber so unterschiedlich, daß es kaum gelingen wird, im hier zur Verfügung stehenden Rahmen alle interessanten Fragen anzusprechen, geschweige denn, sie zu lösen. Die Abhandlung sollte daher als ein erster Ansatz gesehen werden, den Pre Loading Survey auf ein rechtliches Fundament zu stellen. Wie bei jeder juristischen Tätigkeit muß auch hier das Ziel sein, den Umgang der beteiligten Parteien miteinander zu erleichtern, indem einfache Regeln für ein Miteinander gefunden werden.


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