Haftungsfragen bei kombinierten Transporten

Vortrag von Herrn Jürgen Ries, Rechtsanwalt und Syndikus der Denkhaus AG, Koblenz

Inhaltsverzeichnis

Einleitung
A) Derzeitige Rechtslage
B) Zukünftige Rechtslage
C) Fallbeispiele
Zusammenfassung




Einleitung

Der Vortrag gibt einen Überblick bezüglich der Haftungsfragen bei kombinierten Transporten unter Berücksichtigung der derzeitigen Rechtslage, des Entwurfs der Sachverständigenkommission zur Reform des Transportrechtes sowie des darauf aufbauenden Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz. Anhand von Fallbeispielen werden Unterschiede zwischen der jetzigen Haftungssituation und der sich voraussichtlich zum 01. Juli 1998 ergebenden gesetzlichen Grundlage dargestellt.


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A) Derzeitige Rechtslage
  1. Keine gesetzliche Regelung in Deutschland

    Es gibt derzeitig keine gesetzliche Regelung in Deutschland hinsichtlich der Haftung für kombinierte Transporte. Lediglich die Niederlande verfügen als klassische Transportnation in ihrem bürgerlichen Gesetzbuch über eine Kodifikation dieses Rechtsgebietes. Nach allgemeiner Auffassung werden die Begriffe "kombinierte" bzw. "multimodale" Beförderungen synonym verwandt. Es handelt sich um Transporte, die nicht nur mit einem, sondern mit verschiedenartigen Transportmitteln aufgrund eines einheitlichen durchgehenden Frachtvertrages durchgeführt werden. Gerade unter dem Gesichtspunkt der kombinierten Verkehre Straße/Schiene entbehrt das deutsche Recht jeglicher einheitlicher Regelung. Darüber hinaus ist das Haftungsrecht für die jeweiligen Teilstreckenabschnitte, die ein kombinierter Transport durchläuft, in viele unterschiedliche Haftungsordnungen zersplittert. So unterteilt sich das Landfrachtrecht in diverse Haftungsregime, nämlich in die des Straßentransportrechts (AGNB/HGB/KVO/CMR/ GüKUMB) sowie in die des Eisenbahnfrachtrechts (EVO/COTIF-CIM).

    Die wirtschaftliche Bedeutung der kombinierten Verkehre ist mit zunehmender Containerisierung weiter steigend, gerade auch vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch gewollten stärkeren logistischen Verknüpfung von Straße und Schiene im Sinne eines europäischen Gütertransport-Netzwerkes. Umsomehr bedarf es einer einheitlichen Kodifikation des Transportrechts in Deutschland.

    In der Vergangenheit hat sich die verladende Wirtschaft zwar mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen beholfen, insbesondere in Form des FIATA-BL (s. u. Punkt III), dessen AGBG-Konformität unter Berücksichtigung des jeweiligen nationalen Rechts jedoch zweifelhaft war. Auch völkerrechtliche Abkommen zur Regelung der kombinierten Transporte sind bisher gescheitert. So hat die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 24. Mai 1980 über die internationale multimodale Güterbeförderung bisher nicht ratifiziert.


  2. Rechtsprechung des BGH und herrschende Lehre

    Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 24. Juni 1987 (I ZR 127/85) eine Grundsatzentscheidung zur Haftung bei multimodalen bzw. kombinierten Transporten getroffen, die er zuletzt in seinem Urteil vom 11.07.1996 (I ZR 75/94) bestätigt hat. Der BGH differenziert danach, ob der Schadenort bekannt oder unbekannt ist.


    1. Bekannter Schadenort

    Bei bekanntem Schadenort richtet sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der Haftungsordnung desjenigen Beförderungsmittels, bei dessen Verwendung der Schaden eingetreten ist. Der BGH stellt sich auf den Standpunkt, daß dort, wo von vornherein feststehe, daß in verschiedenen Teilstrecken mit verschiedenen Transportmitteln befördert werde, und wo der Beförderer berechtigt sei, verschiedene Transportmittel einzusetzen, grundsätzlich nach dem Haftungsregime gehaftet wird, das für das Beförderungsmittel gilt, bei dessen Einsatz der Schaden eingetreten ist. Somit wird der kombinierte Vertrag qualifiziert als Summe von hintereinandergeschalteten Verträgen oder Teilstreckenrechten, also einem Netzwerk. Daher wird diese BGH-Entscheidung aus Juni 1987 auch als Network-Urteil bezeichnet. Es erfolgt keine Gesamtbetrachtung dergestalt, welche Transportphase das Übergewicht hat. Ist z. B. bei einem kombinierten Transport Schiene/Straße der Schaden nachweislich während des Straßentransportes eingetreten, spielt es keine Rolle, daß der überwiegende Anteil entfernungsmäßig mit der Bahn zurückgelegt worden ist. Hier wird dann nach Straßentransportrecht und nicht gemäß Eisenbahnfrachtrecht gehaftet.


    2. Unbekannter Schadenort

    Bei unbekanntem Schadenort gilt das für den Anspruchsteller "günstigste" Teilstreckenrecht. Dies wird regelmäßig die "schärfste" Haftung sein, also dasjenige Haftungsregime, welches dem Geschädigten die höchsten Haftungssummen bietet. So stellt sich im direkten Vergleich die Haftung nach EVO mit 100,- DM/kg als günstiger dar als die KVO-Höchstentschädigung mit 80,- DM/kg.

    Im Einzelfall können sich jedoch Anwendungsprobleme ergeben, was für den Anspruchsteller die günstigste Haftungsordnung ist. Die überwiegende Meinung tendiert dazu, eine Gesamtbetrachtung der Haftungsordnung vorzunehmen, wobei nicht nur die Haftungshöhe, sondern auch Haftungsausschlüsse und -beschränkungen sowie Verjährungsvorschriften zu berücksichtigen sind.

    Hinsichtlich der Beweislast gelten nach der Rechtsprechung folgende Grundsätze:

    Den Frachtführer trifft die Beweislast dafür, daß der Schaden auf einer anderen Teilstrecke eingetreten ist, als der Anspruchsteller behauptet. Sofern die ADSp in § 51 a eine Beweislastverteilung zu Lasten des Auftraggebers vorsehen, ist diese Vorschrift der ADSp nach § 9 AGBG unwirksam, wenn der Spediteur auf einer Teilstrecke unabdingbar haften muß. Kann der Frachtführer nachweisen, daß der Schaden nicht auf der für den Anspruchsteller günstigsten Haftungsstrecke eingetreten ist, so gilt das zweitgünstigste Haftungsregime usw. Weist der Frachtführer z. B. bei einem kombinierten Transport Straße/Schiene/See nach, daß der Schaden nicht während des Eisenbahntransportes eingetreten ist, ist somit die Schadenlokalität während der Straßen- oder der Seebeförderung offen. Hier kann sich der Geschädigte auf das Straßentransportrecht berufen, da dieses in aller Regel deutlich günstiger ist als die Haftung des Seebeförderers.

    Der Grundsatz der Zugrundelegung der strengsten Haftungsordnung beruht darauf, daß sich aufgrund der insgesamt durchgehenden Obhutshaftung nach Maßgabe der jeweils hintereinandergeschalteten Teilstreckenrechte nach allgemeinen Beweisregeln das Gebot ergibt, den Beförderer die Folgen der Beweislosigkeit tragen zu lassen, zumal dieser auch aufgrund des ihm vertragsgemäß obliegenden Organisations- und Pflichtenbereichs die Möglichkeit hat, durch entsprechende Auswahl seiner Vertragspartner für die einzelnen Teilstrecken mittelbar der Entstehung von Schäden vorzubeugen und im übrigen wesentlich näher am Beweis ist als der Geschädigte. Deshalb ist es gerechtfertigt, den Beförderer der für den Auftraggeber günstigsten Haftungsordnung zu unterwerfen, wenn der Schadenort unbekannt bleibt.


    3. Reklamation

    Hinsichtlich der Reklamationsvorschriften findet dasjenige Recht Anwendung, unter dessen Herrschaft beim Empfänger angeliefert wird. Es gilt somit das Recht der letzten Teilstrecke. Hierfür sprechen ausschließlich praktische Erwägungen. Bei einem kombinierten Verkehr Schiene/Straße wird in aller Regel immer per LKW angeliefert, da die wenigsten Empfänger über einen eigenen Bahnanschluß verfügen. Somit muß dann auch das zugrundeliegende Straßentransportrecht Anwendung finden. Etwas anderes macht auch keinen Sinn, da sich die Reklamationsfrist ohnehin an der Auslieferung oder dem vorgesehenen Auslieferungszeitpunkt orientieren muß. Dies ist immer die letzte Teilstrecke.


    4. Verjährung

    Bei bekanntem Schadenort gilt hier entsprechend der Network-Entscheidung das jeweilige einschlägige Haftungsregime. Bei unbekanntem Schadenort erscheint das Abstellen auf das letzte Teiltransportrecht nicht immer sachgemäß. Bei einem grenzüberschreitenden Schienentransport prägt die Beförderung per Bahn die Gesamtstrecke. Wird die Ware im Nahverkehr per LKW angeliefert, wäre es unangemessen, hier auf die kurze 6-monatige Verjährung nach AGNB zurückzugreifen. Die herrschende Meinung ist daher der Auffassung, dasjenige Verjährungsrecht der Strecke anzuwenden, das für den Verlader am günstigsten ist, wenn der Beförderer nicht beweisen kann, daß der Schaden auf dieser Strecke nicht eingetreten ist. Dies bedeutet in aller Regel dasjenige Teilstreckenrecht, bei dem noch keine Verjährung eingetreten ist bzw. kurzfristig einzutreten droht. Abzuheben ist hierbei zum einen auf das Ereignis, welches den Lauf der Verjährung in Gang setzt und zum anderen auf die Verjährungsdauer als solche. Zu berücksichtigen sind ferner auch unterschiedliche Regelungen, die die Verjährung hemmen oder gar unterbrechen können.


  3. Haftung bei Ausstellung eines FIATA-BL

    Seit geraumer Zeit behilft sich die verladende Wirtschaft bei kombinierten Transporten auch mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Prototyp ist hierbei das FBL Negotiable FIATA Multimodal Transport Bill of Lading (FBL) in der z. Zt. aktuellen Fassung von 1992. Dieses FBL hat der Internationale Spediteurverband unter Berücksichtigung der Regeln, die die Internationale Handelskammer Paris für Dokumente des multimodalen Transportes aufgestellt hat, entwickelt.

    Das FBL differenziert zwischen bekanntem und unbekanntem Schadenort. Gemäß Ziff. 8.6a des FBL kommt bei bekanntem Schadenort das jeweilige Teilstreckenrecht zur Geltung.

    Bei unbekanntem Schadenort besteht eine gespaltene Basishaftung, die davon abhängt, ob See- bzw. inländische Wasserstraßenbeförderungen vorgesehen sind oder nicht. Sollte neben einem kombinierten Transport Straße/Schiene keine See- oder Binnengewässerbeförderung vorgesehen sein, wird die Haftung auf 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR) je Kilogramm gemäß Ziff. 8.5 des FBL reduziert. Dies entspricht der Regelung gemäß Artikel 23 Abs. 3 der CMR. Bei Vereinbarung entsprechender See- bzw. Binnenwasserbeförderungen ermäßigt sich die Haftung weiter auf 666,67 SZR/Einheit oder 2 SZR/kg gemäß Ziff. 8.3 des FBL. Hier wird entsprechend die Haftung gemäß dem 2. Seerechtsänderungsgesetz nach § 660 Abs. 1 HGB zugrunde gelegt.

    Ziff. 7.1 des FBL enthält eine salvatorische Klausel, wonach zwingendes Recht generell Vorrang genießt.

    Zu beachten ist, daß die oben genannten Regelungen jedoch nur die Haftungshöhe betreffen, während hingegen das FBL hinsichtlich des Haftungsmaßstabes und der Haftungsausschlüsse eigene Regeln aufstellt, die in Richtung einer modifizierten Einheitshaftung tendieren. Auch bezüglich der Beweislastverteilung weicht das FBL von der deutschen Rechtsauffassung des "Network-Systems" ab: Die Beweislast trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die für ihn günstigen Normen beruft.

    Aus dem vorgenannten ergibt sich, daß, jedenfalls nach der gegenwärtigen deutschen BGH-Rechtsprechung, das FBL nicht in allen Punkten AGBG-konform und damit unwirksam ist. Bei unbekanntem Schadenort haftet gemäß der Rechtsprechung bei einer kombinierten See-/Landbeförderung der Beförderer, sofern in Deutschland ein Fernverkehrstransport stattgefunden hat, mit 80,- DM/kg nach KVO. Nach der derzeitigen Rechtsprechung kann sich der Beförderer AGB-mäßig hiervon nicht freizeichnen.


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B) Zukünftige Rechtslage
  1. Gesetzesentwurf der Sachverständigenkommission zur Reform des Transportrechtes (Stand: 17.10.1996)

    Im folgenden wird ausführlich auf den Entwurf der Sachverständigenkommission eingegangen, da der hierauf aufbauende zwischenzeitlich vorliegende Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums hiervon nur ganz unwesentlich (s. u.) abweicht.

    Im Rahmen der Gesamtreform des Deutschen Transportrechtes innerhalb des Handelsgesetzbuches hat erstmals der multimodale bzw. kombinierte Verkehr eine entsprechende gesetzliche Grundlage gefunden. Er ist im dritten Unterabschnitt in fünf übersichtlichen Vorschriften mittlerer Länge geregelt (§§ 451 – 451d HGB). Der Vertrag über die Güterbeförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln wird als Unterfall eines Frachtvertrages angesehen. In Anlehnung an das in Lehre und Rechtsprechung entwickelte Network-System soll für den Fall des bekannten Schadenortes das Recht derjenigen Teilstrecke Anwendung finden, auf der sich der Schaden bekanntermaßen ereignet hat. Für den Fall des unbekannten Schadenortes soll dagegen zukünftig nicht mehr das schärfste Recht der Teilstrecke und somit das günstigste Haftungsrecht zur Anwendung gelangen, sondern das neue einheitlich ausgestaltete Frachtrecht. Das bedeutet in aller Regel eine Haftung nach den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts: § 431 HGB sieht eine Höchsthaftung von 8,33 SZR/kg vor.

    Die Vorschriften stellen sich im einzelnen wie folgt dar:


    1. § 451 HGB – Grundsatz

    Die multimodale bzw. kombinierte Beförderung wird definiert als einheitlicher Frachtvertrag mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln. Wäre zwischen den Vertragsparteien über die jeweiligen Teilstrecken je ein gesonderter Vertrag abgeschlossen worden und wären zwei dieser Verträge verschiedenen Rechtsvorschriften unterworfen, so wird auf die Vorschriften des Ersten Unterabschnittes verwiesen, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften oder aus zwingenden internationalen Übereinkommen nichts anderes ergibt. Dies gilt auch für anteilige See- und Luftbeförderungen.

    Im Zusammenhang mit dem nachfolgenden § 451a HGB, der den Fall des bekannten Schadenortes regelt, bedeutet der Verweis auf die allgemeinen Vorschriften des Ersten Abschnittes, zumal in den nachfolgenden Vorschriften keine Sonderregelung zum unbekannten Schadenort aufgenommen worden ist, daß eben bei unbekanntem Schadenort nur noch die allgemeine Regelung zur Anwendung kommt, also 8,33 SZR/kg. Durch diese gesetzliche Neuregelung wird der BGH-Rechtsprechung, welche bisher für den Anspruchsteller günstig war, der Boden entzogen. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß durch die Gesamtreform des Transportrechtes nicht nur das in vielen Gesetzen zersplitterte Transportrecht kodifiziert, sondern auch eine einheitliche und annehmbare Haftungshöhe geschaffen werden soll. Bisher drohte auch bei kombinierten Transporten eine Bescheidung des Anspruchstellers auf die geringe Haftung gemäß ADSp (5,- DM/kg) bei Schäden in speditioneller Obhut, für die in Zukunft der Spediteur nach allgemeinem Frachtführerrecht gemäß §§ 460, 431 HGB haften wird. Insofern stellt die Neuregelung nicht unbedingt eine Verschlechterung dar, wenn man einmal von den Fällen absieht, in denen der Anspruchsteller nach der Network-Rechtsprechung des BGH auf die für ihn günstige Haftungsgrundlage nach EVO mit 100,- DM/kg zurückgreifen konnte, wenn ein solcher nationaler Bahntransport Teilstrecke der Gesamtbeförderung war.


    2. § 451a HGB – Bekannter Schadenort

    Bei bekanntem Schadenort kommt entsprechend der bisherigen Network-Auffassung das Haftungsrecht der jeweiligen Teilstrecke zur Anwendung, auf der der Schaden nachweislich eingetreten ist. Die Beweislast für den Eintritt des Ereignisses auf einer bestimmten Teilstrecke obliegt dem Anspruchsteller. Dies entspricht der gegenwärtigen Rechtslage, da Beweislasterleichterungen für den Geschädigten nur für den Fall des unbekannten Schadenortes bisher zu berücksichtigen waren.


    3. § 451 b HGB – Schadenanzeige/Verjährung

    § 451b Abs. 1 HGB – Schadenanzeige

    Hinsichtlich der Schadenanzeige verweist die Regelung auf die allgemeinen Vorschriften gemäß § 438 HGB, und zwar unabhängig davon, ob der Schadenort unbekannt, bekannt ist oder erst später bekannt wird. Grundsätzlich hat die Schadenanzeige danach bei Ablieferung des Gutes zu erfolgen, bei nicht erkennbaren Schäden muß sie innerhalb von 7 Tagen nach Ablieferung vorgenommen werden (vgl. § 438 Abs. 1 u. 2 HGB). Während nach der bisherigen Auffassung bei der Reklamation das Recht der letzten Teilstrecke gilt, ist dieser Punkt nunmehr obsolet, da es ohnehin nur noch ein einheitliches Frachtrecht gibt.


    § 451b Abs. 2 HGB – Verjährung

    Bei bekanntem Schadenort gilt ohnehin das jeweilige Teilstreckenrecht. Die Vorschrift stellt klar, daß auch bei bekanntem Schadenort die Verjährung frühestens nach Maßgabe des § 439 HGB eintritt. Dies bedeutet eine mindestens einjährige Verjährungsdauer beginnend mit der Ablieferung beim Empfänger.


    4. § 451c HGB – Umzugsvertrag

    Diese Vorschrift enthält Regelungen zum Umzugsvertrag und wird hier nicht näher kommentiert, da sie ausschließlich Privathaushalte und nicht gewerbliche Gütersendungen betrifft.


    5. § 451d HGB – Abweichende Vereinbarungen durch AGB

    Durch vorformulierte Vertragsbedingungen, also AGB, kann auch bei bekanntem Schadenort vereinbart werden, daß eine Haftung nach den Vorschriften des Ersten Unterabschnittes besteht, unabhängig von der jeweiligen Teilstrecke. Dies bedeutet dann eine Haftungshöhe von 8,33 SZR/kg.

    Weiterhin soll es zulässig sein, daß bei unbekanntem Schadenort und vorgesehener Seebeförderung anstelle der Haftung gemäß dem Ersten Unterabschnitt auch die beschränkte Haftung auf 666,67 SZR/Einheit oder 2 SZR/kg entsprechend § 660 Abs. 1 HGB möglich sein soll. Dadurch, daß auch für den Fall des unbekannten Schadenortes die niedrige Haftungssumme des Seehandelsrechtes durch AGB wirksam vereinbart werden kann, wird auch die Haftungsregelung des FBL, die nach der bisher geltenden deutschen Rechtsprechung nicht AGBG-konform war, ausdrücklich anerkannt.

    Im übrigen verweist § 451d HGB auf den Vorrang zwingender Bestimmungen eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen internationalen Übereinkommens. Gemeint sind hier die CMR, COTIF, Haager-Regeln und das Warschauer Abkommen.

Insgesamt stellt der Entwurf der Sachverständigenkommission zur Transportrechtsreform eine geeignete Einheitsregelung dar, die das bisherige nicht kodifizierte Recht auf ein tragfähiges Fundament stellt und bisherige Unsicherheiten oder Mängel beseitigt.

So erübrigt die Neuregelung Anwendungsprobleme, die in der Vergangenheit insbesondere dadurch entstehen konnten bei der Prüfung der Frage, was eigentlich das "günstigste" Haftungsrecht ist. Dies hat nämlich bisher vorausgesetzt, daß ggf. auch "exotische" Teilstreckenrechte in entfernten Kontinenten und Ländern berücksichtigt und miteinander verglichen werden mußten, welches zu einer sehr zeitaufwendigen und komplexen Prüfung führen konnte.
  1. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz

    Der entsprechende Entwurf datiert vom 24. Februar 1997 und basiert auf der Vorlage der Sachverständigenkommission (s. o.). Im Bereich der kombinierten Transporte ist der Gesetzesentwurf der Sachverständigenkommission bis auf eine einzige Änderung, die sich jedoch inhaltlich nicht auswirkt, vollständig übernommen worden. Es ist lediglich zu § 451d HGB die Sonderregelung gestrichen worden, wonach die AGB-mäßige Haftungsbeschränkung auf die Haftungssumme des Seehandelsrechts zulässig ist, wenn bei unbekanntem Schadenort auch eine Seegüterbeförderung vorgesehen ist. Gemäß der Begründung des Referentenentwurfes ist diese Sonderregelung deshalb obsolet, weil sich die Zulässigkeit AGB-mäßiger Haftungsvereinbarungen bereits aufgrund der allgemeinen Vorschriften des Ersten Unterabschnittes ergibt (vgl. § 448 HGB), ohne daß es noch einer Sonderregelung bei kombinierten Transporten bedarf. Die AGB-mäßige Zugrundelegung des Seehandelsrechts in Form des FBL ist daher auch nach diesem Referentenentwurf uneingeschränkt zulässig.

    Inhaltlich sind daher der Gesetzesvorschlag der Sachverständigenkommission und der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums in Bezug auf die Regelung zu kombinierten Transporten kongruent. Nachdem die Anhörung der beteiligten Wirtschaftskreise zum Referentenentwurf abgeschlossen ist, bleibt abzuwarten, welche Änderungen sich noch durch Entscheidung des Bundeskabinetts vor der Sommerpause und durch die Stellungnahme des Bundesrates im Herbst 1997 ergeben, bevor der Entwurf zum 1.07.1998 Gesetz werden kann. Mit wesentlichen Änderungen ist jedoch nicht zu rechnen.


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C) Fallbeispiele

Aufgrund des Referentenentwurfes in der zur Zeit vorliegenden und bekannten Fassung zeigen folgende Fallbeispiele die Unterschiede zwischen altem und neuem Recht:
  1. Kombinierter Transport Hamburg – München via Straße/Schiene

    Bei bekanntem Schadenort Straße, wenn sich der Schaden während des Fernverkehrstransportes ereignet hat, ergibt sich eine Haftung von 80,- DM/kg nach KVO. Das neue Einheitsrecht sieht hier nur noch eine Haftungshöhe von ca. 19,- DM/kg (8,33 SZR) vor.

    Noch größer wird der Differenzbetrag bei bekanntem Schadenort Schiene. Die Eisenbahnverkehrsordnung in der jetzt gültigen Fassung sieht eine Haftung bis zu 100,- DM/kg vor. Nach neuem Recht verbleibt es bei den rund ca. 19,- DM/kg.

    Auch bei kombinierten Transporten kann der Schaden nicht nur im Gewahrsam eines Frachtführers, sondern auch in speditioneller Obhut entstehen. Hier ist nach altem Recht die Haftungsbegrenzung 5,- DM/kg bzw. 4.750,- DM je Schadenfall nach ADSp. Nach dem neuen Recht besteht keine eingeschränkte speditionelle Haftung mehr, vielmehr haftet der Spediteur wie ein Frachtführer gemäß Einheitsrecht mit ca. 19,- DM/kg (8,33 SZR).

    Bei unbekanntem Schadenort kommt bisher nach der Network-Rechtsprechung des BGH das günstigste Haftungsregime zur Anwendung. Bei nationalem Transport Straße/Schiene ist dies immer das Beförderungsmittel Eisenbahn, also hier 100,- DM/kg. Nach neuem Recht gibt es keine Sonderregelung für den unbekannten Schadenort. Vielmehr wird auf die allgemeinen Ausführungen des Ersten Unterabschnittes verwiesen, somit kommt die allgemeine Frachtführerhaftung (ca. 19,- DM/kg) zur Anwendung.


  2. Kombinierter Transport Hamburg – Paris (Straße/grenzüberschreitend Schiene)

    Bei bekanntem Schadenort Schiene ist sowohl nach altem als auch nach neuem Recht die COTIF/CIM zwingend mit einer entsprechenden Haftung von 17 SZR/kg. Dies ergibt sich aus dem Vorrang zwingender internationaler Abkommen.

    Bei unbekanntem Schadenort findet nach gegenwärtigem Recht das günstigste Haftungsregime Anwendung. Dies wäre bei einem innerdeutschen Fernverkehrstransport, der vor der Bahnverladung stattgefunden hat, eine KVO-Haftung mit 80,- DM/kg. Nach neuem Recht finden die Vorschriften des Ersten Unterabschnittes Anwendung, d. h. also eine Haftung mit 8,33 SZR/kg. Ein Vorrang des internationalen Eisenbahnabkommens COTIF gibt es nicht, da der Schadenort ja gerade für den Anwendungsbereich dieses Abkommens nicht nachgewiesen ist.


  3. Kombinierter Transport Flensburg – Hamburg – Rotterdam – Houston (via Straße/ grenzüberschreitend Schiene/See)

    Bei bekanntem Schadenort Schiene kommt unter der Voraussetzung, daß ein grenzüberschreitender Bahntransport zwischen Hamburg und Rotterdam stattgefunden hat, nach altem Recht als zwingendes internationales Haftungsübereinkommen die COTIF mit dem Anhang CIM zur Anwendung mit der Folge, daß maximal 17 SZR/kg als Haftungsbetrag zur Verfügung stehen. Auch nach neuem Recht ergeben sich keine Änderungen, da zwingende internationale Übereinkommen vorrangig sind. Auch nach neuem Recht ist es ausgeschlossen, gemäß § 451d HGB bei bekanntem Schadenort durch Vereinbarung von AGB eine allgemeine Frachtführerhaftung nach dem Ersten Unterabschnitt vertraglich zugrundezulegen, da diese das Haftungsübereinkommen COTIF unterlaufen würde.

    Ist der Schadenort unbekannt, gilt nach altem Recht gemäß BGH-Rechtsprechung die günstigste Haftungsordnung. Bei einem den grenzüberschreitenden Bahnverkehr vorangeschalteten Fernverkehrtransport zwischen Flensburg und Hamburg ist das günstigste Haftungsregime die KVO mit 80,- DM/kg. Nach neuem Recht ist das allgemeine Frachtführerrecht gemäß Erstem Unterabschnitt einschlägig mit ca. 19,- DM/kg. Der Vorrang eines internationalen Abkommens besteht nicht, da der Schadenort hier unbekannt ist und insofern kein zwingendes Recht eingreifen kann. Denkbar ist aber auch, daß wegen der Seebeförderung Rotterdam – Houston das FBL durchgehend auf der Gesamtroute zugrundegelegt worden ist. Diese Haftungsregelung ist nach der Neufassung des HGB ausdrücklich AGBG-konform. Während der Entwurf der Sachverständigenkommission noch ausdrücklich eine Sonderregelung in § 451d HGB vorgesehen hat, wonach bei unbekanntem Schadenort und vereinbarter Seebeförderung die eingeschränkte Seerechtshaftung zugrunde gelegt werden kann, geht der Referentenentwurf unter Streichung dieser Sonderregelung ohnehin von der Zulässigkeit abweichender AGB-Vereinbarungen aufgrund des § 448 HGB im Ersten Unterabschnitt aus. Damit kann die Haftung bei entsprechender Vereinbarung des FBL auf 666,67 SZR/Einheit bzw. 2 SZR/kg haftungsmäßig reduziert werden.


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Zusammenfassung

Die Neukonzeption und Kodifizierung des zersplitterten Transportrechts war überfällig. Dies gilt insbesondere für den Bereich der kombinierten Transporte, der erstmals gesetzlich geregelt worden ist.

Zusätzlicher Handlungsbedarf ergab sich auch daraus, daß die weitere Containerisierung, die zunehmende Dezentralisierung von Produktionsstätten verbunden mit der Reduzierung von Fertigungstiefen sowie die verkehrspolitisch gewollte Verknüpfung logistischer Konzepte im Bereich Straße/Schiene zu einer deutlichen Zunahme von kombinierten Transporten im Bereich der Europäischen Union führen wird. Der Trend zu durchgehenden einheitlichen Frachtverträgen aufgrund verstärkter EDV-mäßiger Erstellung von Frachtbriefen bei gleichzeitiger Reduzierung der die Fracht begleitenden Transportdokumente verstärkt diese Entwicklung noch.

Die Neuregelung schafft Rechtssicherheit und führt zu einem interessengerechten Ausgleich zwischen Anspruchsteller und Beförderer. Die Network-Rechtsprechung des BGH bei bekanntem Schadenort wurde übernommen und gesetzlich verankert. Auch die bei unbekanntem Schadenort gesetzlich beabsichtigte Regelung stellt einen gelungenen Kompromiß dar, da dem Anspruchsteller mit der dann gültigen Frachtführerhaftung gemäß dem Ersten Unterabschnitt, die der CMR-Höchsthaftungsregelung entspricht, ein ausreichendes Haftungsniveau geboten wird.

Im Bereich der kombinierten Transporte ist aus heutiger Sicht nicht mit einschneidenden weiteren Änderungen im Gesetzgebungsverfahren bis zum Inkrafttreten am 1. Juli 1998 zu rechnen, so daß davon auszugehen ist, daß die gesetzliche Neuregelung dem jetzigen Referentenentwurf weitgehend entsprechen wird.


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