Bedingungsseitige Behandlung der Feuchte / Schadenverhütung

Vortrag von Herrn Kapt. Mothes, R+V-Versicherung


Nach mehr als 2 Tagen mit Fachvorträgen zum Thema Feuchte und Warentransport dürfte der letzte Zweifel an dem bekannten Satz beseitigt worden sein:

War naß, ist vergammelt – vermutlich ein Transportschaden oder vielleicht doch nicht?

Daß es so einfach nicht ist, liegt nicht nur an der großen Anzahl betroffener Waren und deren Transportmöglichkeiten mit der Folge unterschiedlicher Transportbelastungen oder aus Schadensicht: den verschiedensten Schadenursachen.

Tatsächlich beginnt die Wichtigkeit dieser Veranstaltung mit der Klarstellung von Begriffen und dem Deutlichwerden von einfachen, physikalischen Vorgängen, die zu chemischen oder physikalischen Veränderungen oder beidem fuhren.

Bleiben wir bei den Wortlauten und Begriffen. Im Volksmund wird "Feuchte" herkömmlich mit "flüssig" oder "naß" in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich umschreibt aber "Feuchte" nur Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen, hier schadenrelevant entweder als Guts- oder Luftfeuchte. Dies mag den meisten irgendwie im Hinterkopf klar gewesen sein. Weit weniger aber war vermutlich klar, daß "Feuchte- und Warenschaden" nicht nur Verderb und Fäulnis oder Korrosion bedeuten.

Zur Klärung von Fachbegriffen gehören auch Behauptungen, wie sie in der Fachliteratur der Transportversicherer immer wieder auftauchen, ohne in Frage gestellt zu werden. Soweit dies bisher in dieser Veranstaltung nicht erfolgte, erlauben Sie mir einige wesentliche Klarstellungen als beispielhaft:
  1. Die Behauptung, salopp gesagt, Containerschweiß sei eine typische Erscheinung von Tropenpassagen per Schiff oder,

  2. um beim Containertransport zu bleiben, die in aller Munde wiederkehrende Behauptung, im oberen Containerbereich seien Temperaturen von ca. 80° C oder mehr möglich.

Tatsächlich ist Containerschweiß eine alltägliche Problematik bei jeder Umgebungstemperatur oberhalb des Gefrierpunktes von Wasser, also vor allem auch außerhalb der Tropen oder Subtropen und eine Erscheinung, die sich nicht nur auf den Containertransport beschränkt, sondern sich auch, teils mit drastischen Folgen, in Kleinstbehältern auswirkt.

Zum Thema Tropen: Die R+V konnte gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst in einem Versuch im Januar 1995 im Hamburger Hafen nachweisen, daß Containerschweiß auch während der frostfreien Winterperiode in unseren Breiten vorkommt. In dem auch Ihnen sicher bekannten Test "wanderten" ca. 13 Liter Wasser aus Holzpaletten zum Containerdach und tropften von dort aus ab.

Zu Nässeschäden in Kleinstbehältern: Wir kennen Nässeschäden an Waren innerhalb von Verkaufsverpackungen, ohne daß dies an der Transportverpackung erkennbar wird. In einem Schadenfall mußte hölzernes Kinderspielzeug wegen Pilzbefall vernichtet werden, ein indirekter Feuchteschaden also. Der Schaden war erst nach Öffnen der eierkartongroßen Wellpappeschachteln erkennbar, diese waren äußerlich völlig unversehrt.

Zum zweiten Thema der hohen Temperaturen innerhalb eines Containers wurde durch die Meßreihen des Deutschen Wetterdienstes klar gemacht, wie wichtig die Abgrenzung einzelner Begriffe ist. So ist eine am Containerdach gemessene Strahlungswärme eben nicht die Lufttemperatur unterhalb des Containerdaches. Die Behauptung, unterhalb des Containerdaches seien Temperaturen von bis zu 80° C möglich, ist nirgends nachgewiesen. Diese 80° C wurden zwar gemessen, aber als Strahlungswärme direkt am Containerdach, und nicht innerhalb der Containerluft. Ein wesentlicher Unterschied also.

Ergänzend hierzu möchte ich aus der Broschüre "Ladungsschäden durch Wetter + Klima" von Puls zitieren, der einerseits auf gemessene Temperaturen an Flugzeug-Tragflächen von bis zu 102°C verweist, andererseits die höchste bisher gemessene Lufttemperatur überhaupt bei ca. 60°C benennt.

Allein diese zwei Beispiele zeigen, wie leichtfertig bestimmte Behauptungen in die Fachliteratur eingehen können und dort über Jahre bleiben, weil die Autoren einander nur zitieren, statt mit vorhandenen Fachinstitutionen zusammenzuarbeiten.


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Zur Schadenrelevanz:

Die beiden bekanntesten und wichtigsten Schadenbilder wurden sicher vorgestellt. Das ist
  1. das Thema "Schaden durch Verderb als Folge von Einwirkungen von Nässe von außen oder durch Veränderungen der Eigenfeuchteverteilung bei hygroskopischen Gütern" und

  2. das breite Erscheinungsbild von Korrosion bei Metallen und metallischen Produkten.

Themen also, die wir alltäglich und herkömmlich in die Kategorie "Nässeschaden" einreihen und kennen. Hierzu gehören nicht nur die Schäden am transportierten oder lagernden Gut selbst, sondern auch die durch Feuchte verursachte Beschädigung an Verpackungen bzw. Packmitteln, wodurch wiederum Schäden an der Ware entstehen können (Stichworte: Nasse Bretter bei Kistenverpackung, zu feuchte Pappe bei Schachteln, degenerierende Polstermittel, wenn naß geworden).

Bei der Frage nach der optimalen Gestaltung eines betroffenen Transport-Versicherungs-Vertrages müssen wir uns vor allem die hier vorgestellten Möglichkeiten der nachträglichen Ermittlung von Schadenursachen und die vorhandenen wissenschaftlichen Methoden erinnern.

Erst diese Ergebnisse ermöglichen es uns, die Frage zu beantworten, die Thema dieser Veranstaltung sind, nämlich
  1. inwieweit kann der VN überhaupt bei dem Transport eines bestimmten Gutes mit einem ebenso bestimmten Transportmittel seiner eigenen Schadenverhütungspflicht nachkommen?

    Dies geht hin bis zum Inhalt des § 33 ADS, wonach der VN das Ereignis, das die Leistungspflicht des Versicherers auslöst, also den Versicherungsfall, nicht herbeiführen darf.

    So muß eigentlich im einzelnen provokant gefragt werden: hat z.B. der VN einen Schaden beim Transport von Obst oder Gemüse in Wellpappeschachteln selbst herbeigeführt, wenn bewußt ringsum geschlossene Schachteln, statt solcher mit Belüftungsöffnungen für den Transport ausgewählt wurden, oder weil beim Transport von Maschinen zwar eine verschweißte Folie ausreichender Stärke als Umhüllung benutzt, jedoch keine oder zu wenig Trockenmittel zur Verwendung kamen?

  2. Welche Möglichkeiten hat der Transportversicherer im Hinblick auf die Relevanz dieser sog. Nässeschäden zusätzlich zu der bedingungsmäßigen Behandlung des Risikos, die ja nur die Leistungspflicht des Versicherers ein- bzw. abgrenzen kann?

Damit sind wir beim Thema Schadenverhütung und der grundsätzlichen Problematik der Behandlung von Schadenverhütung durch den Transportversicherer.

Am Markt sind zwei unterschiedliche Meinungen vertreten. Die einen verweisen auf die bekannten Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, und hierzu gehört die Schadenverhütungspflicht, die der Versicherer aus ganz grundsätzlichen Gründen dort belassen sollte. (Manchmal hört man auch, die schadenverhütende Tätigkeit eines Versicherers sei kontraproduktiv im Hinblick auf angestrebte Umsatzsteigerungen, dies aber wollen wir hier außer acht lassen). Andere TR-Versicherer, und hierzu gehört auch die R+V Versicherung, haben eigene organisatorische und personelle Einrichtungen geschaffen, um dem Versicherungsnehmer vor allem informativ und qualifiziert Assistenz zur sachlichen Bewältigung des Gesamtthemas der Schadenverhütung zur Verfügung zu stellen. (Die Schadenverhütungspflicht des VN bleibt hierdurch unberührt).

Dies aber kann der einzelne Versicherer nur in dem Umfang und nach der Zielgabe des jeweils individuell vereinbarten Versicherungsvertrages sinnvoll durchführen. 

Wie Sie sicher gehört haben, ist "Feuchte" ein alltägliches Phänomen mit hoher Schadenrelevanz. Wegen der Vielzahl von möglichen Schäden aus unterschiedlichsten Ursachen einschließlich der hohen "Chance" des Totalschadens (Stichwort: Schadenhöhe) und des oftmals zur Schadenentwicklung erforderlichen Einwirkens anderer Parameter, wie Ware/Temperatur, Druck/Gewicht, Sauerstoffgehalt usw., scheint es ein schwieriges Unterfangen zu sein, allgemeingültige Deckungsklauseln für Schäden durch Feuchte zu formulieren.

Es wundert deshalb nicht, daß wir zwei grundverschiedene Deckungskonzepte am Markt finden:

  1. ADS Gü 1973 i.d.F. v. 1984 mit den wesentlichen Ausschlußklauseln, wonach der Versicherer keinen Ersatz leistet, u.a. für Schäden, verursacht durch

    – 1.4.1.2 inneren Verderb oder die natürliche Beschaffenheit der Güter, sowie

    – 1.4.1.4 normale Luftfeuchtigkeit oder gewöhnliche Temperaturschwankungen,

    jeweils entscheidend, ob "Einwirkungen unvorhergesehen und von außen" vorliegen.

    Die alltägliche Streitpraxis mit einer Vielzahl von Entscheidungen zu jeweils anderen, stets aber individuellen Transport- und/oder Schadenereignissen kann schon deshalb nicht überraschen, da die Schadenursachen, wie während der letzten Tage gehört, vielfältigen Einflüssen unterliegen, die obendrein of genug von Sachverständigen unterschiedlichster Qualität ebenso unterschiedlich bewertet werden.

  2. Als Alternative steht dann die von manchen angeprangerte Maklerklausel zur Verfügung, wonach grob gesagt,

    Schäden infolge normaler Luftfeuchtigkeit oder gewöhnlicher Temperaturschwankungen, gleichviel aus welcher Ursache … mitversichert sind.

    Bei pauschaler Anwendung der letztgenannten Klausel bedarf es keiner weiteren Erläuterungen für den schwierigen Nachweis im Schadenfall für die Abgrenzung von Liefermangel oder Obliegenheiten des VN zum versicherten Transportschaden.

    Angesichts der Vielzahl der hier vorgestellten Schadenarten erscheint diese Klausel fast wie ein Blankoscheck dafür, auf normale und bekannte schadenverhütende Maßnahmen seitens des Lieferanten bzw. Absenders völlig zu verzichten.

    Als drastisches Beispiel sei darauf verwiesen, daß jedes Metall irgendwann korrodiert, also rostet, wenn Feuchte darauf einwirkt. Da ein Transport in absolut trockener Umgebungsluft kaum vorstellbar ist, könnte dieser normale Rostvorgang bei normaler Luftfeuchtigkeit und/oder gewöhnlichen Temperaturschwankungen plötzlich zum versicherten Ereignis werden, wenn keine weiteren Einschränkungen gelten.

Doch so einfach ist es auch nicht. Bei der Auswahl der Bedingungen gibt es mehr Lösungen, als zwischen schwarz und weiß, also ADS Gü oder "Maklerklausel" zu unterscheiden. Tatsächlich kann dieses oder jenes für einen konkreten Transport optimal zutreffen, was jeweils zu untersuchen ist.

So kann heute ein individuelles Risiko "Schaden durch Feuchte" völlig anders sein, als vor einigen Jahren, weil z.B. sich die Transporttechnik völlig veränderte. Hierzu sei nur auf die Kakaotransporte verwiesen:

Im März 1996 lieferte das MS "BICKERSGRACHT" die erste Partie Kakao in bulk in Amsterdam ab. Eine Transportart, die sich durchzusetzen scheint. Seither entstand eine völlig neue Risikosituation für den Seetransport von Kakao.

Folge: Das über Jahrhunderte gesammelte Fachwissen für den Transport gesackter Kakaobohnen ist nur noch beschränkt anwendbar. Folglich gilt dies für die entsprechende Transportversicherung auch.

Dies eine Beispiel soll zeigen, daß neue Transporttechniken andere Versicherungsbedingungen implizieren können – auch mit der möglichen Folge, daß neue Deckungskonzepte erforderlich sein können.

Fazit: der einzelne Transportversicherer kann seine eigenen Tätigkeiten zur Schadenverhütung nur und ausschließlich an den jeweils konkret maßgeblichen Versicherungsbedingungen orientieren, nämlich

beim Zutreffen der ADS Gü-Regelung den sich aus den Sachzwängen des jeweiligen Vertrages ergebenden zusätzlichen Informationsbedarf für den VN zur Verfügung zu stellen, oder
bei der zitierten, allumfassenden sog. Maklerklausel Tätigkeiten aktivieren, die eigentlich Aufgabe des VN sind, obwohl diese dem Versicherer ja Geld kosten, wenn er sie selbst vornimmt. So gesehen, wäre schadenverhütende Tätigkeit des Versicherers sicher kontraproduktiv, zumal neben höheren Kosten meist auch noch der Druck in Richtung geringerer Prämie vorhanden ist, oder
andere individuelle Deckungskonzepte und entsprechend angebrachte SV-Tätigkeiten entwickeln.

Wie auch immer, in allen Fällen wird ein Sachverstand benötigt. Und es muß auch einmal gefragt werden, wie umfangreich dieser Sachverstand bei jeder einzelnen Gesellschaft erforderlich ist.

Sicher muß der Transportversicherer nicht unbedingt wissen, wann der Taupunkt bei einer bestimmten Lufttemperatur erreicht ist oder wieviele Trockenmittelportionen eines bestimmten Produktes in ein Packstück mit soundsogroßem Luftvolumen eingehängt werden müssen. Diese Angaben kann er abrufen. Er muß nur wissen, daß und ggf. welche Schadenrelevanz beim Transport auch im Hinblick auf "Feuchte" gegeben ist, und wo er die erforderlichen Sachinformationen abrufen kann. Das gilt auch dann noch, wenn der Versicherer eigenes Personal zur Verfügung hat, denn bekanntlich gibt es keine Alleskönner. Ich meine, die Nutzung von Institutionen, wie BFSV, Deutscher Wetterdienst, Wissenschaftler an Universitäten, ausgewählte sachverständige Personen und Labore zur individuellen Schadenverhütung bei bestimmten Transporten kann sicher nicht nur beim Thema "Schäden durch Feuchte" intensiviert werden.

Zum Stichwort "Sachverständige" sei auch eine persönliche Bemerkung erlaubt: In all meinen Berufsjahren konnte ich mit Erstaunen beobachten, wie groß das Mißverhältnis von Erwartung zu Ergebnis sein kann, wenn Sachverständigen die Lösung eines Problems überlassen wird. Oft genug ergab sich, daß trotz eines großen Firmennamens höchst eigenartige Gutachten auf den Tisch kamen, wobei ich das Thema der wirtschaftlichen Abhängigkeit der sog. unabhängigen Sachverständigen nur andeuten möchte. Ich kann mich nur darüber wundern, wer sich auf diesem Gebiet alles tummelt und vor allem, erfolgreich tummeln kann.

Aus meiner Erfahrung muß mich ein Sachverständiger in Person überzeugen – in der jeweiligen Sache. Nach einigen Jahrzehnten sind das leider nur ganz wenige geworden.

Zurück zum Containertransport:

Für das Verständnis und die Behandlung von Nässeschäden für den containerisierten Transport steht eine klärende Rechtsnorm zur Verfügung, nämlich

Anhang 1 (Seite 16) der sog. Container-Pack-Richtlinien vom 19.11.91. (Diese bezieht sich zwar nur auf den Transport von Gefahrgut, aber rein sachlich: auch Nichtgefahrgüter können unter Einwirken von Containerschweiß rosten oder verderben).

Dort ist genau das abgedruckt, was ein Transport-Versicherer im Hinblick auf dieses Risiko wissen sollte.


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Sonstiges

Neben der Vielzahl von Schadenerscheinungen durch zu hohe Feuchte muß auch an andere Schadenmöglichkeiten erinnert werden:

Hierzu zähle ich u.a.

Transportschäden durch zu niedrige Feuchte, also das sog. Austrocknen hygroskopischer Güter.

Beispiel: Austrocknen von Früchten oder Gemüse beim Containertransport – ein Schadenereignis, das hinsichtlich der Ursächlichkeit oft eine schwierige, beweissichere Begutachtung erforderlich macht, da zwar die Transporttemperatur, nicht aber die Transportfeuchte innerhalb des Containers gemessen und aufgezeichnet wird. (Anders also, als bei der Lagerung z.B. im Obstlager. Dort kann in der Regel der Feuchteverlauf ständig beobachtetet, reguliert und auch rekonstruiert werden).

Klare Transport- bzw. Lagerverträge sind hier als Schadenverhütungsgrundlage zu nennen, da die innere Beschaffenheit der Güter in der Regel nur für den Auftraggeber überschaubar ist (Zitat Helm, Sped. Recht, 2. Auflage) und das Schadenrisiko durch natürliche Veränderung in den Risikobereich des Auftraggebers gehört, zumal wenn es durch den Transport erhöht wird. Solche Schäden können durch eine eindeutige Vereinbarung über den erforderlichen Luftwechsel, der Ventilation also, unter Berücksichtigung der jeweiligen Temperaturen verhindert oder gering gehalten werden.

Zu nennen sind auch Schäden durch Veränderung der Substanz oder Substanzverluste wegen Einwirkens von Feuchte. Hierzu zähle ich beispielhaft die Wanderung von Feuchte innerhalb eines Gutes, wie es uns besonders beim Transport von Düngemitteln bekannt ist.

Die Kombination von zu hoher Ladetemperatur und zu hoher Eigenfeuchte kann dazu führen, daß während des Seetransportes im unteren/inneren Bereich innerhalb des Laderaumes eine Verblockung bis hin zur Festigkeit von Felsgestein entsteht, da die Feuchte vom Kern her nach außen und damit auch nach oben wandert, so daß an den Seiten und besonders im oberen Bereich des Laderaumes starke Nässeerscheinungen bis hin zu metertiefem Matsch entstehen können.

U.a. kann dies auch nicht durch übermäßige Mengen des sog. Antibackmittels (Anti-Caking) vermieden werden.

Für den Transport solcher Massengüter sollten, neben den hoffentlich eindeutig formulierten Kaufvertragsbedingungen im Hinblick auf Temperatur und Feuchte, unabhängige Sachverständige vor und während der Beladung eingeschaltet werden, notfalls auch zusätzlich zu dem Sachverständigen des Lieferanten. (Nebenbei: Wie unabhängig ist eigentlich ein Sachverständiger, der jahraus/jahrein bei derselben Düngemittelfabrik im Auftrage desselben Lieferanten die Beladungen überwacht?)

Wie drastisch Nässe bei Schüttgütern Schäden verursachen kann, sei am Beispiel von Eisenschwamm erinnert: Der Inhalt einer Tasse Wasser kann zu punktueller Erhitzung des Gutes führen, so daß lokal schlagartig ein Brandherd im geschütteten Haufen entstehen kann. Verladungen bei Regen können zum Totalverlust von Schiff und Ladung fuhren. Beispiele hierzu sind bekannt. Die Kosten für einen eigenen Sachverständigen während der Beladung sind im Verhältnis zum Risiko geradezu minimal.

Zum Schadenthema "Feuchte" gehört im weitläufigen Sinne wohl auch

die Problematik von Schwund/Loss in weight und die Frage nach "gewöhnlicher Gewichtsdifferenz" bei Schüttgutladungen, wie z.B. Erze oder Kohle bei Verladungen im Winter. Erfolgt die Anfuhr zum Hafen durch offene Waggons oder über unabgedeckte Laufbänder, so befindet sich oft Schnee und Eis sowohl auf der Oberfläche, als auch innerhalb der Ladung. Das Produkt ist naß. Während der Seereise wird dann das aufgetaute und abfließende Wasser über die Bilge gesammelt und außenbords gepumpt. Gewichtsdifferenzen von 1% oder mehr zwischen Lade- und Löschgewicht sind keine Seltenheit. Für den Transportversicherer im Schadenfall eine schwierige Regulierungssituation, denn beim Erz- oder Kohletransport wird ja kaum von "gewöhnlichen Gewichtsdifferenzen durch Schwund während der Reise", nämlich durch Austrocknen, wie bei Getreide, Kaffee oder Gummi, ausgegangen werden können.

Auch hier wäre der Einsatz von beauftragten Dritten ein Schritt zur Schadenverhütung. Allerdings kommen wir dann auf die Frage der Machbarkeit aus Kosten-/Nutzensicht, so daß wohl eher eine bedingungsseitige Berücksichtigung angebracht ist, vergleichbar der Behandlung des Themas der "gewöhnlichen Gewichtsdifferenz durch Schwund".

Als sonstige Schäden im Zusammenhang mit "Feuchte" sei auch das Risiko des Gefrierens genannt.

Feuchteschäden bei Wasser im 3. Aggregatzustand, z.B bei Textiltransporten mit der Transsibirischen Eisenbahn oder bei Containertransporten über Land, wie USA/Kanada und über See während der Winterperiode, wenn An-Deck-Stau vorliegt.

Derartige Schäden, wie die bekannten stehenden Damenkleider am Bügel, tiefgefroren, wären im Grunde in der ADS Gü als Folge "gewöhnlicher Temperaturschwankungen" als "nicht ersatzpflichtige Schäden" nach 1.4.1.4 als nicht ersatzpflichtig zu behandeln, gehören jedoch zum heutigen Thema, da Temperatur allein kein Gefrieren bewirken kann: Feuchte gehört dazu.

Hierzu sei auch an die besonderen klimatischen Anforderungen an Waren bei allen Containertransporten über See erinnert: Frostgefährdete Waren müßten von der Sache her nicht an Deck, sondern im geschützten Unter-Deck-Bereich gefahren werden. Heutige Containerschiffe transportieren ca. 50 % der Container an bzw. unter Deck, sog. Open Top Containerschiffe sogar mehr als 90 % im offenen Bereich. – Auch im Winter also ein interessantes Thema im Hinblick auf "Feuchte" und "Gefrieren".

Dies stellt uns im Hinblick auf Schadenverhütung vor völlig neue Fragen, nämlich den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die dem VN wirklich zur Verfügung stehen.

In der See-Containerfahrt behält sich der Verfrachter nach den Konnossementsbedingungen grundsätzlich das Recht vor, den Stauplatz nach eigenen, nämlich seinen eigenen wirtschaftlichen Kriterien auszuwählen. Selten genug kann die einzige wirklich greifende Maßnahme der Unter-Deck-Verschiffung vom VN vertraglich abgesichert ergriffen werden, zumal auch ein Umstau innerhalb des gleichen Schiffes oder auch ein Umladen auf ein anderes Schiff dem Reeder zugestanden werden muß.

Im Hinblick auf das Schadenthema des Containerschweißes und Grenzen der Schadenverhütung muß dann auch die Frage nach den wirklich bedarfsorientierten Versicherungsbedingungen gestellt werden. Heißt auch: Wie modern ist eigentlich die klassische ADS-Gü-Regelung im Hinblick auf Feuchte- und Containerschweißschäden?

Wie umfangreich das Thema "Feuchte und Transport" ist, möchte ich noch an folgenden Stichworten deutlich machen:

Im erweiterten Sinne gehört hierzu auch die mögliche Gefährdung des Transportmittels durch zu hohen anfänglichen Feuchtigkeitsgehalt oder Aufnahme von Feuchte während des Transportes durch die Ware.


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Stichworte

Transport von Konzentraten und Gefahr des Kenterns eines Schiffes durch nässebedingte Gewichtsverlagerung innerhalb der Laderäume.

Selbstentzündung von zu nasser Ware, verursacht durch chemische Reaktion oder Druck (letzteres kennt jeder Landwirt von der Heuernte).

Stabilitätsverlust des Seeschiffes bei mangelhaft abgedeckter Holzdecksladung durch Aufnahme von See- oder Regenwasser – im Winter mit der Folge von Eisbildung -, hierdurch Gefährdung der Kentersicherheit des Schiffes.

Gleiche Gefährdung bei RoRo-Verladungen im Winter, wenn Schnee und Eis auf LKW oder Mafiladungen ein höheres Ladungsgewicht verursachen, als von der Schiffsleitung kalkuliert.

Gefrorener Dreck am Containerboden kann die Bilgebrunnen im Schiffsladeraum verstopfen. Interessant bei Open-Top-Containerschiffen, da dort ein einwandfrei funktionierendes Pumpensystem die Voraussetzung zur kontinuierlichen Erhaltung der aufrechten Schwimmlage des Schiffes ist.


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Schlußbemerkungen

Diese Veranstaltung hat das Ziel, vor allem klarzumachen, wie umfangreich das Thema Feuchte und ihre Auswirkungen auf den Warentransport ist. Ganz sicher nicht kann die Veranstaltung zum Ziel haben, daß wir am Ende alle nach Hause gehen und glauben, zu wissen, wie das mit der Physik und Chemie bei Feuchteschäden so vor sich geht.

Eine solche Veranstaltung kann nur sensibilisieren, Themen und Hintergründe aufzeigen, damit der Versicherer rechtzeitig das erforderliche Fachwissen bei den richtigen Fachleuten abrufen kann. Schadenverhütung kann sich immer nur auf einen Einzelfall beziehen, nämlich in Bezug zu einem individuellen Versicherungsvertrag.

Jeder Versicherer wird dies nur jeweils auf die in seinem Hause üblichen Vertragsbedingungen abstimmen können.

Sicher ist: Betroffen ist eine Vielzahl von Waren bei unterschiedlichsten Transportbedingungen.

Bei der Deckung von Einzelrisiken können die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes jeweils individuell passend formuliert werden. Durchgreifende Schadenverhütung kann so zum Bestandteil des Vertrages werden.

Bei der Allgefahrendeckung allerdings kann sich der Versicherer im nachhinein nur schwer auf bestimmte, evtl. nicht erfüllte Obliegenheiten berufen, wenn sie nicht eindeutig und vorab so vereinbart wurden – ein schwieriges Unterfangen, wenn ein Kunde beispielsweise mit einer Vielzahl von Produkten aus weltweiten Produktionsstätten handelt.

Gerade hier besteht ein Bedarf nach Schadenverhütung für den Versicherer, nämlich mindestens als Informationsangebot an den VN.

Ich kann aus meiner jetzt 10jährigen Praxis bei R+V bestätigen, daß viele Kunden ein Gesprächsangebot zur Schadenverhütung annehmen, um gemeinsam auch wirtschaftlich vertretbare Lösungen zu finden.

Dieses Serviceangebot kann aber nur von Personen optimal erfüllt werden, die von Schadenereignissen zumindest Kenntnis haben und so ihr Wissen ständig auf dem laufenden halten können. Schadenverhütung ohne Schadenkenntnis ist auf die Dauer nicht möglich.

Bei besonderen Themen, wie das heutige, muß oft genug der Rat potentieller Fachinstitute eingeholt werden.

Gerade bei Warenschäden durch Feuchte hat sich die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst und dem BFSV-Institut in Hamburg bewährt, aber auch die mit wissenschaftlichen Einrichtungen an Universitäten, wie z.B. bakteriologische Bereiche oder die Institute für angewandte Botanik (daß die Industrie gerne Hilfe anbietet, braucht sicher nicht besonders erwähnt zu werden).

"Hilfe zur Schadenverhütung" von außen gibt es also für den Transportversicherer genug, sie muß nur genutzt werden.

Ich bedanke mich für Ihre Geduld beim Zuhören zu den Bemerkungen dieser umfangreichen Materie.


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