Schadenbeispiele aus der Praxis – Beispiel USA




Zunächst ein Beispiel aus den USA:

Ein deutsche Spediteur erhielt den Auftrag, den Transport für 3 Transformatoren mit einer Masse von je ca. 180 t ab Werk West-Europa zum Zielort in North Carolina durchzuführen.

Für die Haftung galten die Einkaufsbedingungen des Auftraggebers. Danach war der Spediteur "principal carrier" und für die Ausführung der Transporte verantwortlich.

Die Transformatoren wurden in Teilverschiffungen von Antwerpen nach Portsmouth, Virginia, auf Basis eines Ocean-B/L verladen. Ab Portsmouth erfolgte der Weitertransport im Rahmen eines gesonderten Transportauftrages per Eisenbahn.

In Portsmouth wurde die Umladung, das Absetzen sowie die Ladungssicherung auf dem Low bed Rail Car durch einen Surveyor überwacht und dokumentiert. Alles ging gut.

Die Trafos wurden als Maßnahme zur Schadenverhütung durch zusätzlich angebrachte Hinweise markiert:


Frei übersetzt:
Hochwertiges Transportgut – Es darf nicht über Ablaufhügel abgerollt werden. Die Beförderung darf nur im an die Lok angekoppelten Zustand durchgeführt werden.

Daran wurde sich auch gehalten. Dennoch kam es zu einer schweren Havarie:



Auf einem Güterbahnhofsgelände in Greenville, South Carolina, ist der Waggon bei Rangierarbeiten entgleist und umgestürzt.

Die Bahn hat sich strikt an die Anweisungen, den Waggon nicht abzukoppeln, gehalten. Während des Rangierens befuhr sie ein marodes Außengleis. Dieses ist unter der Last des Transports weggesackt.

Der Havariekommissar (Surveyor) hat in seinem Bericht das Gleis als "weak track" bezeichnet. Die Schwellen ließen sich zwischen Daumen und Zeigfinger zerbröseln, die Gleisnägel mit der Hand herausziehen.

Der Transformator erlitt einen Totalschaden, wenn man von einem Restwert von ca. 20.000 USD absieht. Er wurde an Ort und Stelle verschrottet.


Die Folgen:

Die verantwortliche Bahn verwies auf ihre tariflich mit 100.000 USD beschränkte Haftung.

Der Spediteur wurde in vollem Umfange haftbar gehalten: Nach Haftung gem. Handelsgesetzbuch mit 8,33 SZR per kg. Das sind

180.000 x 8,33 SZR (ca. 9 EUR) = ca. 1,62 Mio. EUR.

Der Verkehrshaftungsversicherer wäre mit etwa 1,5 Mio. EUR short.

Gegen die Bahn lief ein Regress auf Basis außervertraglicher Schadenersatzansprüche als (hier parallel) Betreiber der mangelhaften Schienentrasse. Sie ist ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen.


Erkenntnisse:

US-Bahnen haften derzeit gemäß ihrer Tarife maximal zwischen 25.000 USD und 50.000 USD je Rail Car.

Das sog. "Carmack Amendment" sieht eine Haftung eines US-Landfrachtführers bis zur Höhe des Warenwertes vor. Dieses gilt für innerstaatliche Landtransporte auf Straßen und Schienen in den USA. Diese Haftung kann jedoch beschränkt werden, wenn der Frachtführer unterschiedliche Frachtangebote mit einer unterschiedlichen Haftung zur Auswahl bietet.

Die US-Bahnen bieten, um den gesetzlichen Erfordernissen zu genügen, neben der tariflich beschränkten Haftung, eine sog. "Carmack Liability" gegen Frachtzuschläge zwischen 250 bis 800%! Diese Zuschläge würden demnach die Kosten in unwirtschaftliche Dimensionen erhöhen und werden – wie dies auch im vorliegenden Fall nicht geschehen ist – deshalb nicht abgeschlossen.


Ergebnis:

Trotz Klage gelang es der Bahn nach einem mehrjährigen Rechtsstreit, sich erfolgreich auf Ihre Haftungsbeschränkung von 100.000 USD zu berufen.

Anwalts- u. Gerichtskosten haben das Provenue (Schadenrückerstattung) mehr als aufgezehrt. Den Versicherern des Spediteurs gelang es durch einen Vergleich, den eigentlichen Güterschaden mit 950.000 EUR zu erledigen.



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