Besichtigungsbericht der Segelmacherei
Beilken in Lemwerder

Zusammengefasst von Uwe-Peter Schieder




Inhaltsverzeichnis






Schnürboden

Der Schnürboden ist eine große Holzarbeitsfläche, auf der die Segel und Segelteile ausgebreitet und befestigt werden können.



Der immense Platzbedarf liegt in der Natur der Sache, da hier erstens mehrere Segel gleichzeitig bearbeitet werden, aber auch Einzelsegel mit mehreren hundert Quadratmeter Fläche. An der Peripherie des Schnürbodens befinden sich alle Arbeitsbereiche, die für den Segelbau erforderlich sind. So werden auf einem Laserplotter die Zuschnitte gefertigt, in Klebe- und mehreren Nähstationen werden von der Lattentasche bis hin zum Großsegel oder Spinnaker alle Segel genäht oder geklebt. Auf einem speziellen Einheitsklassentisch werden die Segel für Serienschiffe gebaut, und in einem letzten Bereich bekommt auch das modernste High-Tech-Segel mit jahrhundertealter Handwerksarbeit seinen letzten Schliff.

In einem separaten Rollenlager sind unzählige verschiedene Segeltuchqualitäten vom Spinnaker bis zum Schwerwettersegel eines Großseglers gelagert:



Segeltuch für die "Alexander von Humboldt":





Der Zuschnitt

Segel bestehen zum Teil aus weit über hundert Einzelteilen. Da die Segeltücher in definierten Breiten zur Verfügung stehen, müssen die Einzelteile mit möglichst wenig Verschnitt aus diesen Bahnen heraus- bzw. zugeschnitten werden. Ein Computerprogramm unterstützt den Segelmacher hierbei. Der Zuschnitt wird am Bildschirm optimiert, so dass möglichst wenig Verschnitt anfällt und diese Daten werden an den Plotter weitergegeben.



Der Plotter besteht aus einem großen Tisch, auf dem die Segeltücher ausgebreitet werden. Damit sich die Segeltücher während des Zuschnitts nicht verschieben können werden diese durch unzählig viele kleine Öffnungen im Tisch durch einen leichten Unterdruck angesaugt. Die optimierten Zuschnittsdaten werden vom Rechner an den Plotter übergeben und der "schneidet" mit einem Laserstrahl die vorgegebenen Teile exakt aus.



Nach dem Zuschnitt werden die Einzelteile des Segels in Gruppen zusammengefasst und bezeichnet. In dem folgenden Bild sind in Bündel und in Rollen zusammengefasste Kevlar-Segel-Einzelteile zu sehen:



Kevlar ist ein hochfestes Material, welches in mehrere Kunststoff- Folienschichten einlaminiert wird. Die Festigkeit eines Segels hängt u. a. von der Art und Qualität des Gewebes ab. Das vorliegende Gewebe zeigt Kett- und Schussfäden, die wie bei "normalem" Gewebe üblich im 90°-Winkel zueinander angeordnet sind. Zusätzlich wurden in das Gewebe Fäden im 45°-Winkel eingearbeitet, welche die Diagonalsteifigkeit des Materials deutlich verbessern. Bei niedrigen Eigengewichten wird so eine hohe Festigkeit erzielt.



Der Segelbauplan zeigt, aus wie vielen Einzelteilen z. B. ein Kevlarsegel besteht. Je optimaler das Gewebe des Segeltuches an den Kraftfluss im Segel angeglichen wird, desto höher die Festigkeit des Segels selbst. Da jedes Segeltuch eine "Hauptfestigkeitsrichtung" aufweist, in der das Tuch besonders stabil ist, kann durch die Berücksichtigung dieser Festigkeitseigenschaften im Segelschnitt die Stabilität eines Segels deutlich verbessert werden.

Die fächerartigen Segelteile die außerhalb des eigentlichen Hauptsegels gezeichneten wurden, sind die Verstärkungen der Segelecken an denen die Kraft in das Rigg eingeleitet wird. Die Einzelteile dieses Kevlarsegels werden nicht mehr zusammengenäht, sondern "zusammengeklebt". Hierzu werden Klebestreifen zwischen die Nahtstellen, die sich überlappen müssen, geklebt und mit einem "Ultraschallhammer" wird ausreichend Energie erzeugt, so dass die Segelteile miteinander verschweißt werden.



Auf dem Schnürboden werden die Einzelteile exakt zusammengesetzt, mit dem erwähnten Klebeband versehen, um danach mit dem "Ultraschallhammer" verschweißt zu werden. Die Arbeit auf dem Schnürboden erfordert äußerste Präzision, denn jede Abweichung vom Bauplan des Segels würde Verwerfungen oder Beulen zur Folge haben, die die Qualität des Segels beeinträchtigen.



Zur Aussteifung des Segelflächen werden Segellatten benötigt. Um diese Latten auf- bzw. einbringen zu können, müssen Segellattentaschen wiederum auf das Kevlarsegel aufgenäht werden. Die folgende Abbildung zeigt die Vorbereitungsarbeiten für das Aufbringen einer Segellattentasche. An den Endpunkten der Segellatten muss der Druck verteilt werden. Hierzu werden Verstärkungen (siehe Stern auf dem Foto) aufgebracht. Erst danach wird die Tasche auf das Segel aufgenäht.



Der letzten Schliff und die Entscheidung über Haltbarkeit und Verwendbarkeit des Segels ist Handarbeit. Befestigungspunkte, an denen das Segel mit dem Rigg, dem Mast und dem Baum verbunden wird, sowie Reffpunkte müssen die gesamt Kraft, die auf das Segel wirkt, aufnehmen können. Dieses Handwerk erfordert Kraft, Geschick und Präzision, damit das Segel selbst auch hält, was das Tuch verspricht. Auf dem nächsten Bild wird ein Gatje (Loch) in ein Segel gestanzt:



Eine Verstärkung wird eingenäht:



Handarbeit am Liek des Segels:



Die nächsten Bilder zeigen verschiedene Befestigungspunkte am Segel. Die Details des Segels entscheiden über seine Haltbarkeit und Handhabbarkeit. Je aufwendiger die Befestigung am Segel selbst und am Mast, desto besser ist die Haltbarkeit und das Handling des Segels.




Dieses Bild zeigt einen Rutscher, der im Mast gleitet und mit starken Segeltuchbändern einfach mit dem Liek des Segels verbunden ist:



Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen weitaus aufwendigere Lösungen, bei denen genietete bzw. geschraubte Verbindungen mit dem Segel in einem Scharnier mit Rutschern, die sogar teilweise mit Rollen in einer Führungsbahn am Mast verbunden sind. Auch die Aufholer bzw. Fußpunktbefestigungen weisen unterschiedlichste Macharten auf, die ausschlaggebend für die Haltbarkeit und somit für die Qualität des Segels sind.






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Reparatur und Wartung


In der Segelmacherei Beilken werden nicht nur neue Segel gebaut, sondern auch gebrauchte Segel gewartet. Häufig lassen sich kleine Schäden ohne großen Aufwand reparieren und verlängern so die Haltbarkeit des Segels erheblich. Verschleißteile, wie Befestigungs- und Reffpunkte, Stellen die kontinuierlich am Rigg schamfielen (scheuern) müssen kontrolliert und ggf. nachgearbeitet oder ausgetauscht werden.

Dieses Bild zeigt ein Segel einer Serienyacht, welches zur Kontrolle ausgebreitet und aufgespannt wird:


Dieser Spinnaker ist gerissen und soll repariert werden:



Grundsätzlich lässt sich jeder Schaden an allen Segeln reparieren. Da aber Segel ein Gebrauchs- bzw. Verbrauchsgegenstand wie Reifen am Auto sind, ist eine Reparatur nicht immer sinnvoll. Je nach Qualität, Pflege und Beanspruchung sowie insbesondere die Einwirkungszeit und Dauer von Sonnenlicht/UVLicht sind Segel früher oder später ablagereif. Einfache und schwere Segeltuche können 6 bis 10 Jahre halten, High-Tech-Laminate, die z. B. in Regatten stark beansprucht werden, können schon nach sehr kurzer Zeit Alterungserscheinungen zeigen. Beim vorliegenden zur Reparatur angediente Spinnakertuch zeigen sich bereits beim Farbvergleich mit einem neuen Tuch erhebliche Alterungserscheinungen. Da das Gefüge und die Haltbarkeit eines neuen Tuches kaum noch mit dem eines gealterten vergleichbar ist, ist es fraglich, wie sinnvoll die Reparatur eines derart alten Spinnakers ist.




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