6.4 Ladeflächenbegrenzungen und fahrzeuggebundene Sicherungseinrichtungen


6.4.6.1 Zurrpunkte




Der Begriff „Vielzwecklastwagen“ wurde bereits in Kapitel 6.1 genannt, aber nicht weiter definiert. Es sind Lastkraftwagen, die dazu bestimmt sind, Güter auf einem offenen Aufbau wie Pritsche, Kipper usw. oder in einem geschlossenen Aufbau, z.B. Kasten, Koffer oder ähnlichem zu transportieren.


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.58: Vielzwecklastkraftwagen mit Pritsche und getrenntem Aufbau [W. Strauch]

Dieses Pritschenfahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t fällt unter die Regelungen der DIN EN 12.640.


Anzahl und Mindestbelastbarkeit nach DIN 75.410


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.59: Vielzwecklastkraftwagen mit geschlossenem Aufbau sind Kastenwagen [W. Strauch]

Dieses Fahrzeug fällt unter die DIN 75.410-3 vom Oktober 2004 „Ladungssicherung in Kastenwagen“ die für derartige Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis einschließlich 7,5 t gilt. Unter Kastenwagen versteht die Norm Vielzwecklastkraftwagen nach DIN 70.010, bei denen Führerhaus und Laderaum vom Aufbau her eine Einheit bilden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Fahrzeuge als Pkw oder Lkw zugelassen sind.

Auch Kastenwagen müssen im Laderaum mit Zurrpunkten ausgestattet sein. Diese dürfen sich im Boden und/oder in den Seitenwänden befinden, dann allerdings in Bodennähe und höchstens 150 mm über der Ladefläche. Die Zurrpunkte sollten gleichmäßig über die Ladefläche verteilt sein und sich paarweise gegenüber liegen. Je nach der Ausführung in Ring-, Oval- oder Ösenform sind Vorgaben für die nutzbare Öffnung in der Norm enthalten. Bei Gewindeanschlüssen müssen entsprechende Verbindungselemente verfügbar sein.

Bei Ladeflächenlängen bis einschließlich 1.300 mm Länge müssen mindestens vier Zurrpunkte vorhanden sein, und zwar je zwei an jeder Längsseite. In Längsrichtung soll der Abstand zwischen zwei benachbarten Zurrpunkten maximal 700 mm betragen, d.h. kleiner dürfen die Abstände sein. Ausnahmen sind nach Norm dennoch gestattet, und zwar bis zu einem Grenzwert von 1.200 mm. Vorn und hinten darf der Abstand zur Begrenzung der Ladeflächen maximal 250 mm betragen und zu den Seiten maximal 150 mm.

Die Mindestanzahl an Zurrpunkten ist zum einen von der zulässigen Gesamtmasse der Fahrzeuge, deren Nutzlast und den in der Norm festgelegten Nennfestigkeiten (LC) der Zurrpunkte abhängig, zum anderen von der Ladelänge und den Zurrpunktabständen. Durch zwei Rechnungen werden die jeweiligen Zahlen ermittelt. Das Ergebnis der 1. Rechnung ist zur nächsthöheren geraden Ganzzahl aufzurunden, das der 2. Rechnung auf die nächsthöhere Ganzzahl. Die größere Anzahl der ermittelten Zurrpunkte ist zu installieren.

Tabelle 2 : 1. Rechnung nach Vorgaben der DIN 75410-3
Zulässige Gesamtmasse LC Anzahl n der Zurrpunkte
bis 2 t 400 daN $ n = \frac{1,5 \cdot Nutzlast\ P [daN]}{ 400 [DaN]} $
über 2 t bis 5 t 500 daN $ n = \frac{1,5 \cdot Nutzlast\ P [daN]}{ 500 [DaN]} $
> 12 t 20 kN = 2000 daN $ n = \frac{1,5 \cdot Nutzlast\ P [daN]}{ 800 [DaN]} $


Beispiel: Wie viel Zurrpunkte benötigt ein Fahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, einer Eigenmasse von 2,25 t und einer Ladelänge von 2,6 m?

Nebenrechnung: Nutzlast = 3,5 t – 2,25 t = 1,25 t,

Nebenrechnung: Nutzgewicht = 1250 kg · 9,81 m/s2 = 12262,5 N : 10 N/daN = 1226,25 daN

1. Rechnung gemäß Tabelle 2:

$$ Anzahl\ der\ Zurrpunkte\ n = \frac{1,5 \cdot Nutzlast P [daN]}{ 500 [daN]} = \frac{1,5 \cdot 1226,25 daN}{500 daN} $$
$$ Anzahl\ der\ Zurrpunkte\ n = 3,68\ Zurrpunkte $$

Aufgerundet zur nächsthöheren geraden Ganzzahl = 4 (Zurrpunkte)


Bei der 2. Rechnung wird die Anzahl der Zurrpunkte je Seite, also der Zurrpunktpaare, über die Ladelänge und die genannten Mindestabstände nach vorn und hinten bestimmt, wobei ein festgelegtes Rastermaß von 800 mm als Nenner für die Formel festgelegt ist.

$$ \text{Anzahl der Zurrpunkte pro Seite} = \frac{ \text{Laderaumlänge} – \text{Mindestabstände vorn+hinten}}{\text{Rastermaß}}\ + \ 1 $$

2. Rechnung:

$$ Zurrpunktpaare = \frac{2600[mm]- 2 \cdot 250 [mm]}{800 [mm]} + 1 = \frac{2100 mm}{800 mm} + 1 = 2,625\ Zurrpunktpaar $$

Aufgerundet auf die nächste ganze Zahl = 3 (drei Zurrpunktpaare sind 6 Zurrpunkte)

Eine Kennzeichnung der Zurrpunkte ist in der Norm nicht erwähnt, wird aber angeraten.

Der vollständige Titel der DIN 75410-1 vom Juli 2003 lautet: „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen – Teil 1: Zurrpunkte an Nutzfahrzeugen zur Güterbeförderung mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t – Mindestanforderungen“.

Die Norm legt Mindestanforderungen für Zurrpunkte an Lastkraftwagen und Anhängern mit Pritschenaufbauten und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 3,5 t fest, die zur Güterbeförderung bestimmt sind, z.B. für ein derartiges Fahrzeug:


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.60: Pritschenfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t [W. Strauch]

Bauart, Winkel, Prüfung, Anordnung u. ä. entsprechen den bereits für die DIN EN 12.640 gemachten Angaben. So dürfen die Querabstände zur Ladeflächenbegrenzung nicht größer als 250 mm sein. Die Längsabstände zu den Ladeflächenbegrenzungen nach vorn und hinten dürfen 500 mm nicht übersteigen. Allerdings ist der geforderte Längsabstand zwischen zwei benachbarten Zurrpunkten mit „≥ gleich oder größer“ 1.200 mm angegeben. Das ist ungewöhnlich und darf als Druckfehler aufgefasst werden. Gemeint ist sicher „≤ gleich oder kleiner“ als 1.200 mm. Sonst würde es mit den anderen Normen kollidieren.

Die zulässige Zurrkraft der Zurrpunkte ist einheitlich auf 400 daN festgelegt.

Einerseits richtet sich die Anzahl der Zurrpunkte und Anordnung der Zurrpunkte nach der effektiven Ladeflächenlänge und ist so festgeschrieben:

  • Vier Zurrpunkte, also zwei auf jeder Längsseite bei Fahrzeugen einer effektiven Länge der Ladefläche von bis zu 2 200 mm;
  • sechs Zurrpunkte, also drei auf jeder Längsseite bei Fahrzeugen einer effektiven Länge der Ladefläche von mehr als 2 200 mm.

Andererseits soll ein größter errechneter Wert angesetzt werden, der sich nach einem Längsabstand benachbarter Zurrpunkte von 1 200 mm richtet. Dem Rechenbeispiel in der Norm kann entnommen werden, dass mit der gleichen Formel wie in DIN EN 12.640 zu rechnen ist:

$$ Anzahl\ der\ Felder = \frac{Laderaumlänge – Abstände\ vorn\ und\ hinten}{Längsabstand\ benachbarter\ Zurrpunkte} $$
Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.61: Pritsche mit 3,80 m Ladelänge [W. Strauch]

Die Beispielrechnung für die Ladelänge des abgebildeten Fahrzeugs von 3,80 m ergibt:

$$ Anzahl\ der\ Felder = \frac{3800[mm] – 500 – 500 [mm]}{1200 [mm]} = \frac{2800 mm}{1200 mm} = 2,33 Felder $$

Gerundet wird auf drei Felder, das ergibt vier Zurrpunkte pro Seite, also insgesamt acht.

 
Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.62: Drei Felder mit insgesamt acht Zurrpunkten [W. Strauch]

Erfüllen die Fahrzeuge die Normbedingungen, sind sie mit blauen Hinweisschildern mit weißem Rand zu kennzeichnen, auf denen mit weißer Schrift „die zulässige Zugkraft“ der Zurrpunkte von 400 daN zusammen mit dem DIN-Zeichen oder der Bezeichnung DIN 75.410 angegeben ist. Die Schilder sollen dauerhaft sein und so angebracht werden, dass sie gut sichtbar und gut lesbar sind.

Da das zugehörige Schild in der Norm schwarz-weiß gedruckt abgebildet ist, finden sich in der Praxis unter Missachtung der vorgegebenen blauen Farbe und weißer Schrift auch derartige Kennzeichnungen:


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.63: In die Praxis übernommenes Schildmuster der Norm in schwarz-weiß [W. Strauch]


Abbildung - LSHB Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.64 [W. Strauch]

Abbildung 6.4.6.1.65 [W. Strauch]

Abbildung - LSHB

Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.66 [W. Strauch]

Abbildung 6.4.6.1.67 [W. Strauch]

Die Schilder entsprechen nicht in allen Fällen den Normvorgaben.


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.68: Zurrpunkt eines Kleinanhängers mit einem LC von 400 daN [W. Strauch]

Das Fahrzeug ist an den Seiten gemäß Abb. 66 gekennzeichnet. Derartige Zurrpunkte sind für Niederzurrungen geeignet, für Direktzurrungen sind sie ungünstig konstruiert.


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.69: Stärkere Zurrpunkte in den Ecken eines Kleinanhängers [W. Strauch]

Es ist nicht verboten, die Fahrzeuge zu einem speziellen Zweck „aufzurüsten“. Zum regelmäßigen Transport von Minibaggern ist es günstig, an jeder Ecke eines Kleinanhängers z.B. Ringe zu installieren, die eine Sicherung mit Schäkeln, Kettengliedern und Haken ermöglicht. Nach Faustregel sind die Ringe von 10 mm Stahldurchmesser mit 10 x 10 x10 = 1.000 daN belastbar. Auf diese Regel wird im weiteren Verlauf des Kapitels eingegangen.


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.70: Triangelförmige Zurrpunkte
(13,5 mm  ·  13,5 mm  ·  10 = 1822,5 daN) [W. Strauch]

Die Einzelkennzeichnung von Zurrpunkten ist nicht verboten, im Gegenteil: Es ist sehr zu empfehlen, insbesondere, wenn Zurrpunkte unterschiedlicher Belastbarkeit installiert sind.