5  Zusammenfassung, Ausblick und Zielsetzung
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5.1  Lastannahmen

Die durchgeführten Überlegungen und Untersuchungen zu den Lastannahmen haben gezeigt, dass es unzulässig ist, die bisher üblichen Werte von 0,8 g nach vorn und jeweils 0,5 g nach hinten und zu den Seiten unmittelbar als Fahrzeugbeschleunigungen in Form von Bremsverzögerung, Anfahrbeschleunigung oder Kurvenfliehkraft zu interpretieren. Insbesondere die direkte Bezugnahme auf Maximalkräfte, die durch die Fahrzeugreifen übertragen werden können, greift zu kurz. Die auf die Ladung wirkenden Kräfte werden durch Schräglagen der Ladefläche (Nick- und Wankwinkel) sowie durch tangentiale Trägheitskräfte aus überlagerten Nick- und Wankschwingungen bedeutend verstärkt. Gleichzeitig wird die für Reibung und Eigenstandfestigkeit wichtige Normalkraft verringert, die aber in konventionellen Sicherungsbilanzen stets mit dem vollen Gewicht der Ladung eingesetzt wird.

Diese Erkenntnisse können für die Lastannahmen nach vorn dazu führen, dass für eine Fahrzeugausstattung mit Reifen und Bremsanlagen, die 0,8 g Bremsverzögerung zu liefern imstande sind, eine Lastannahme für die Ladungssicherung von 1,0 g gefordert werden muss.

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5.2  Wankfaktor

In diesem Zuge wurde auch der in den VDI-Richtlinien 2700, Blatt 2 verankerte Wankfaktor von 0,2 g untersucht, der bisher als Zuschlag zur Querbeschleunigungsannahme von 0,5 g für die Kippsicherung von nicht eigenstandfesten Ladungseinheiten verwendet werden soll. Es ist zutreffend, dass ein solcher Zuschlag wegen der Rotationsträgheit von Ladungseinheiten erforderlich ist, da das hieraus abzuleitende Drehmoment nicht durch das rechenübliche Kippmoment aus Querkraft und Hebel zur Kippachse erfasst wird. Allerdings ist der Zuschlag von 0,2 g zu hoch gegriffen. Ein Zuschlag von 0,1 g, wie er im Entwurf der Norm DIN EN 12195-1 von 2009 enthalten ist, scheint völlig auszureichen. Weitergehend sollte ein entsprechender Zuschlag auch für Ladungseinheiten verwendet werden, die in Längsrichtung des Fahrzeugs kippgefährdet sind.

Wenn die Standsicherheit einer Ladungseinheit unter Einbeziehen des Zuschlags von 0,1 g durch die Eigenstandfestigkeit gesichert ist, braucht eine Kippbilanz nicht gerechnet zu werden. Es sollte aber durch weitere Untersuchungen noch geklärt werden, inwieweit in dieser Eigenstandsicherheitsprüfung das tatsächliche Rotationsträgheitsmoment der Ladungseinheit und die Abnahme der Normalkraft berücksichtigt werden sollten.

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5.3  Konventionelle Bilanz-Rechenverfahren

Die Analyse der konventionellen Rechenverfahren erstreckt sich auf Vergleich und Kommentierung folgender Quellen: VDI 2700, Blatt 2 vom November 2002, Entwurf DIN EN 12195-1 vom April 2004 und Entwurf DIN EN 12195-1 vom Januar 2009.

Es wurden einige Unzulänglichkeiten und auch Fehler gefunden. Im wesentlichen sind die untersuchten Verfahren darauf beschränkt, bei Direktsicherung die Höchstbelastbarkeit der Sicherungsmittel in die Bilanz einzusetzen, während bei der Reibungssicherung (Niederzurrung) die Vertikalkomponenten der nominellen Vorspannung der Zurrmittel verwendet werden. Unzulänglichkeiten bei der Direktsicherung bestehen darin, dass die zur Lastaufnahme der Sicherungsmittel notwendigen Ladungsbewegungen nicht in irgendeiner Form, nicht einmal als Warnung, in den Regelwerken erscheinen und auch die aus unterschiedlichem Lastaufnahmeverhalten parallel eingesetzter Sicherungsmittel sich ergebenden Sicherungsdefizite nicht erwähnt werden.

Auf Reibschluss basierende Horizontalkomponenten von Niederzurrungen werden mit wenigen Ausnahmen ignoriert. Im Entwurf DIN EN 12195-1 vom April 2004 werden sie bei der Kippsicherungsprüfung statisch eingebracht, um dem zwischenzeitlich als wichtig erachteten k-Faktor zu genügen. Dieser k-Faktor berücksichtigt den bekannten Umstand der Reibung eines Zurrmittels bei Umlenkung und damit der Einbuße an Vorspannung, wenn wie üblich nur auf einer Seite vorgespannt wird. Der k-Faktor ist jedoch aus nicht öffentlich bekannten Gründen im späteren Entwurf DIN EN 12195-1 vom Januar 2009 wieder aufgegeben und scheinbar durch einen halbherzigen Sicherheitsfaktor ersetzt worden.

Der k-Faktor ist als Ausdruck einer generellen Schwächung des Niederzurrungsprinzips bei einseitiger Spannvorrichtung unbedingt berechtigt und wichtig. Eine sinnvolle Deutung und Nutzung der zugrunde liegenden Ursachen fehlt in den genannten Quellen, weil man einfache Formeln haben wollte und daher nicht bereit war, die Gesetzmäßigkeiten von Kraft und Formänderung in Betracht zu ziehen.

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5.4  Ladungsbewegungen und Formänderung von Sicherungsmitteln

Die berechtigterweise als effektiv gepriesene Direktsicherung setzt unweigerlich Ladungsbewegung und/oder Ladungsverformung voraus. Tolerierbare Grenzen solcher Bewegungen oder Verformungen sind jedoch nirgends festgelegt. Trotzdem gibt es sie und eine Vereinbarung sollte getroffen werden. Es wäre dann aber konsequent, niedergezurrten Ladungseinheiten die gleichen Bewegungsspielräume zuzugestehen. Daraus könnte das Nutzungspotenzial der trotz allem mit Nachteilen behaftete Reibungssicherung erweitert werden.

Die Formänderung durch Kraftaufnahme von losen Sicherungsmitteln ist ohne Probleme mit ausreichender Zuverlässigkeit zu berechnen. Schwierigkeiten bereiten vergleichbare Daten für feste Ein- und Anbauten an Ladeflächen, wie Bordwände, Stirnwände und Rungen. Hier sind die Fahrzeughersteller gefragt.

Die Berücksichtigung der Ladungsbewegungen und Formänderungen von Sicherungsmitteln, die in mehreren Beispielen rechnerisch demonstriert worden ist, zeigt die bedenklichen Größenordnung der oben genannten Unzulänglichkeiten in den konventionellen Rechenverfahren, im positiven, wie auch im negativen Sinne.

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5.5  Rechenverfahren

Es kann nicht das Ziel sein, die herkömmlichen, verhältnismäßig einfachen und tabellierbaren Formeln zur Bemessung ausreichender Ladungssicherung durch kompliziertere Berechnungen zu ersetzen, zumindest nicht für den täglichen Umgang. Trotzdem müssen Konsequenzen gezogen werden. Dabei sollten alle Vorteile der erweiterten Betrachtungsweise genutzt werden. So ist schon jetzt zu erkennen, dass die Niederzurrung profitieren wird. Ihr Ruf wird aufgebessert und der Zurraufwand auf physikalisch begründbare Notwendigkeit beschränkt werden können. Mit welchen neuen Formeln und zugehörigen Randbedingungen dieses Ziel erreicht werden kann, ist noch offen.

Ähnliches kann für die Direktsicherung gelten, wenn bestimmte Gesetzmäßigkeiten besser als bisher zur Geltung gebracht werden. Allerdings wird hier die Homogenität von Sicherungsanordnungen, also einheitliches Lastaufnahmeverhalten und Begrenzung von Ladungsbewegung auch zu Einschränkungen führen können.

Analoge, neu zu entwickelnde Rechenansätze können sich auch dem Kompaktieren, also der Bündelung und Umreifung zuwenden und wirtschaftlich attraktive Sicherungskonzepte ermöglichen.

Am Ende müssen einfache, praxistaugliche und gerichtsfeste Regeln und Richtlinien stehen, die in ihrer Anwendung die zugrunde liegende Physik möglichst vollständig zur Geltung kommen lassen.


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