3  Erweiterte Betrachtungsweisen
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Eine erweiterte Betrachtungsweise sollte unbedingt die zu einer Direktsicherung gehörende Bewegung der Ladung ins Auge fassen, ohne die eine Formänderung der Sicherungsmittel und damit der notwendige Kraftaufbau nicht möglich ist. Kommt man auf diesem Wege zur Festlegung von "akzeptablen" Bewegungen der Ladung, so könnte man gleiche Bewegungen auch Anordnungen mit Reibungssicherung (Niederzurrungen) zugestehen. Daraus wiederum könnte eine Neubewertung dieses Sicherungsprinzips mit möglicherweise günstigeren Ergebnissen erwachsen.

3.1  Ladungsbewegungen

Ladungsbewegungen, die zu den notwendigen Formänderungen (meist Längenänderungen) von Ladungssicherungsmitteln führen, sind in erster Linie Rutschen oder leichtes Ankippen und vielfältige Formänderungen der Ladung selbst, die den beiden erstgenannten Bewegungsformen überlagert sein können. Rutschen ist generell irreversibel, während leichtes Ankippen nach dem Verschwinden des äußeren Kippmoments wieder zurückgeführt wird.

Die Formänderungen der Ladung können elastisch sein. Meist ist aber ein erheblicher plastischer Anteil dabei. Da extreme Belastungen im Straßenverkehr als Einzelereignisse auftreten, kann eine bleibende Verformung der Ladungsanordnung eher akzeptiert werden, weil eine Kontrolle und Nachbesserung der Sicherungsanordnung sofort und unter erträglichen Bedingungen möglich ist.

Zum Verständnis dieser Einschätzung wird auf den Seetransport verwiesen, wo extreme Belastungen mit dem Auftreten von Sturm und Seegang verbunden sind. Diese Bedingungen können längere Zeit anhalten, wodurch es zu einer unabsehbaren Aufeinanderfolge von Extrembelastungen kommen kann, und die Kontrolle und Nachbesserung der Ladungssicherung während dieser Zeit oft mit Lebensgefahr verbunden ist.

Die Bilder 13 und 14 zeigen die grundsätzlichen Ladungsbewegungen, wobei die in Bild 14 gezeigten Verformungen sicherlich noch um einige Fälle erweitert werden könnten.

Bild 13: Bewegungsformen starrer Ladungseinheiten

Bild 14: Bewegungsformen flexibler Ladungsanordnungen

Welche Bewegungen gesicherter Ladungen im Straßenverkehr toleriert werden können, ist bislang nicht in irgendwelchen Regelwerken, Richtlinien oder Leitfäden festgelegt bzw. empfohlen worden. Deshalb werden hier zunächst einige Einflussgrößen genannt, die bei derartigen Überlegungen eine Rolle spielen können.

Die Häufigkeit einer Belastung, unter welcher Ladung sich bewegt, könnte das tolerierbare Maß derart beeinflussen, dass man seltenen Ereignissen, wie Vollbremsungen oder extremen Fliehkräften, größere Bewegungen einräumt als sie im normalen Fahrbetrieb akzeptiert würden, da es nach extremen Ereignissen zumutbar ist, einen Rastplatz anzufahren und die Sicherungsanordnung zu kontrollieren.

Die Art der Bewegung entscheidet ebenfalls über das tolerierbare Maß. Versatz verschiebt den Schwerpunkt der Ladung und kann außerdem die Ladeflächenbegrenzung überschreiten. Verschub bei kompakten Ladungseinheiten hingegen kann im elastischen Verformungsbereich bleiben und ist daher weniger kritisch. Verschub bei gebündelten Einheiten ist hingegen quasi-plastisch und müsste daher ähnlich wie Versatz begrenzt werden. Ankippen einer Ladungseinheit sollte wegen der geringen Dämpfung des Kippvorgangs auf sehr kleine Winkel begrenzt bleiben.

Die Richtung der Bewegung ist von Einfluss. Bewegungen in Längsrichtung sind weniger kritisch als Bewegungen in Querrichtung, weil letztere die zulässige Breite des Fahrzeugs überschreiten und auch die Schwerpunktlage empfindlich verändern können.

Um einen Eindruck von der Größe bislang unwissentlich akzeptierter Ladungsbewegungen zu bekommen, ist es sinnvoll, Direktsicherungen zu analysieren, die nach konventioneller Bewertung als "gut" bezeichnet werden können. Das bedeutet aber noch nicht, dass die festgestellten Bewegungen damit allgemeingültig als tolerierbar empfohlen werden können.

Der rational begründete Weg zur Festlegung und Empfehlung von tolerierbaren Ladungsbewegungen dürfte letztlich über die Anwendung von numerischen Kriterien führen:

  • zulässiger Versatz/Verschub in Längsrichtung und in Querrichtung hinsichtlich Beladungsgeometrie und Schwerpunkt,
  • zulässiger Ankippwinkel hinsichtlich dynamischer Belastung der Sicherungsmittel,
  • allgemeine dynamische Überschreitung der Belastung der Sicherungsmittel.

Hierzu ist erforderlich, dass typische Belastungsfälle durchgerechnet werden. Um an dieser Stelle einen ersten Eindruck von der Größenordnung bislang akzeptierter Ladungsbewegung zu vermitteln, wird unter Vorgriff auf einiger Formeln aus dem nachfolgenden Kapitel 3.2 ein Beispiel einer üblichen Direktzurrung vorgestellt.

Eine Ladungseinheit mit den Abmessungen Breite = 2,1 m, Höhe = 2,5 m wird in Querrichtung zum Fahrzeug mit diagonal verlaufenden Spanngurten gesichert, die an den oberen Ladungsecken befestigt sind. Die geometrischen Komponenten der Gurte betragen X = 1,0 m, Y = 2,3 m, Z = 2,5 m und die belastete Länge L =  3,54 m. Die Gurte haben ein LC = 25 kN und eine Dehnung von 3,75% bei Erreichen von LC. Daraus ergibt sich die Federkonstante des Gurts zu:


Die Gurte sind mit 2,5 kN vorgespannt. Die hier nicht gezeigte Rutschbilanz geht vom Erreichen des LC aus. Die Längenänderung der Gurte beträgt dann zwangsläufig:


Um diese Längenänderung zu erreichen, muss die obere Ecke der Ladungseinheit um den Betrag ΔY entweder durch Versatz oder Verschub oder durch eine Kombination beider Bewegungen zur Seite ausweichen:


Die seitliche Bewegung von 0,18 m quer zum Fahrzeug bei extremer Belastung erscheint hinnehmbar und könnte unter Umständen, z.B. bei elastischem Verschub, auch noch größer akzeptiert werden.

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3.2  Formänderung und Kraftaufnahme von Sicherungsmitteln

Die Zerlegung der Wirkrichtung von Ladungssicherungsmitteln in kartesische Komponenten ist bereits in Kapitel 2 vorgestellt worden. Geometrisch werden jedem Ladungssicherungsmittel die Komponenten X, Y und Z zugeordnet mit dem pythagoreischen Bezug zur Länge L:

Ladungsbewegung bzw. Verformung wird durch bestimmte, kleine Änderungen ΔX, ΔY und ΔZ dieser Komponenten ausgedrückt. Die Längenänderung ΔL wird exakt berechnet mit:

Sind die einzelnen Änderungen klein gegenüber der Gesamtlänge L, so kann die Längenänderung ΔL in den meisten Fällen mit ausreichender Genauigkeit auch durch eine Näherungsgleichung bestimmt werden. Diese lautet:

Diese Näherungsgleichung sollte jedoch nicht verwendet werden, wenn beispielsweise die Komponente Y nahe Null ist, aber eine Ladungsverschiebung mit einem ΔY untersucht werden soll. Dieser Fall trifft insbesondere auf steile Niederzurrungen zu.

Zur Ermittlung der Kraftaufnahme von Ladungssicherungsmitteln infolge von Ladungsbewegung bzw. Ladungsverformung ist es sinnvoll, jedem Sicherungsmittel einen "persönlichen" Faktor zuzuordnen, welcher die Kraftänderung ΔF direkt aus der Formänderung ΔL zu berechnen gestattet. Dieser Faktor ist die in der technischen Mechanik gebräuchliche Federkonstante D. Es gilt die Beziehung:

Die Federkonstante enthält Querschnitt, E-Modul und Länge des Sicherungsmittels als Einflussgrößen nach der bekannten Hookeschen Beziehung:


ΔF = Kraftänderung im Sicherungsmittel [daN] oder [kN]

A = Querschnitt des Sicherungsmittels [cm2]

E = Elastizitätsmodul [daN/cm2] oder [kN/cm2]

L = belastete Länge des Sicherungsmittels [m]

ΔL = Längenänderung des Sicherungsmittels [m]

Die Federkonstante fehlt gewöhnlich in den Angaben der Sicherungsmittelhersteller. Zur Feststellung der Federkonstanten gibt es mehrere Wege je nach den Informationen, die über das Sicherungsmittel zur Verfügung stehen.

Eine häufige Herstellerinformation für Seile, Ketten und Gurte lautet: Die Dehnung des Materials beträgt P %, wenn das Material mit einer bestimmten Kraft F (meist wird hier LC genannt) belastet wird. Die Angabe der Kraft F entspricht der Kraftänderung ΔF ausgehend von der Nullbelastung, wenn ein näherungsweise lineares Last/Dehnungsverhalten vorausgesetzt wird, was im begrenzten Lastbereich zwischen Vorspannung F0 und zulässiger Belastung LC allgemein gegeben ist. Damit ist die Federkonstante:


Ist die Länge des Zurrmittels zunächst unbekannt, so kann für das Zurrmaterial eine normierte Federkonstante DN für die Einheitslänge von 1 m eingeführt werden, für die gilt:

Die Abschätzung der Federkonstanten von Druckübertragungsmitteln, z.B. Kantholz kann mit den drei Größen Querschnitt A, Elastizitätsmodul E und Länge L vorgenommen werden:

 

Für die Abschätzung der Federkonstanten von Stirnwänden und Rungen können diese als einseitig eingespannten Träger betrachtet werden. Die Federkonstante wird dann in Anlehnung an die Biegegleichung für Kragträger berechnet:


E = Elastizitätsmodul [daN/cm2] oder [kN/cm2]

I = Flächenträgheitsmoment in der Einspannstelle [cm4]

d = Hebellänge des eingespannten Trägers [m]

In der Praxis wird diese Lösung allerdings zu große Werte für D liefern, da die Einspannung der Bordwand oder Runge nicht absolut starr ist, sondern die tragende Unterkonstruktion sich ebenfalls verformt. Es ist daher ratsam, durch repräsentative Messungen einen Korrekturfaktor zu ermitteln oder die Federkonstante insgesamt experimentell zu bestimmen. Das gilt auch für Bordwände von Ladeflächen auf Lastkraftwagen, die unterschiedlich konstruiert sind und oft eine gewisse Stützung über ihre Länge durch die Dachkonstruktion erfahren. Eine einfache Formel lässt sich hier nicht mehr angeben.

Für parallel angeordnete Sicherungsmittel gilt: D = D1 + D2 + … + Dn

Für seriell angeordnete Sicherungsmittel gilt: 1/D = 1/D1 + 1/D2 + … + 1/Dn

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3.3  Horizontalkomponenten von Niederzurrungen

In fast allen konventionellen Rechenansätzen bleiben die Horizontalkomponenten einer schrägen Niederzurrung unbeachtet. Geht man von gleicher Vorspannung auf beiden Seiten aus, so heben sich diese Komponenten auf. Bei einseitiger Spannvorrichtung gibt es eine Resultierende, die jedoch zu einer Seite günstig, zur anderen Seite ungünstig wirkt. Rechnet man sicherheitshalber mit der ungünstigen Seite, so kommt es zu der Absonderlichkeit, die nicht der Wirklichkeit entspricht, wie in Kapitel 2.2.2 beschrieben worden ist.

Tatsächlich bewegen sich niedergezurrte Ladungen unter dem Einfluss äußerer Kräfte. Dadurch ändert sich die Geometrie der Niederzurrung mit mehreren Folgen:

  • Die Niederzurrung wird (geringfügig) verlängert mit einem (kleinen) Anstieg der Kräfte insgesamt.
  • Bei Querbewegung der Ladung passt sich die Kraftverteilung auf beiden Seiten der Niederzurrung an die durch die Reibung an den Umlenkungen vorgegebenen Kräfteverhältnisse an. Es entsteht zwangsläufig eine "günstige" Resultierende der Querkomponenten.
  • Bei Längsbewegung der Ladung (quergeführte Niederzurrung vorausgesetzt) entsteht ebenfalls eine "günstige" Horizontalkomponente der Zurrkraft auf beiden Seiten, die mit der Bewegung stetig anwächst und erst dann konstant bleibt, wenn der Gurt auf der Ladung rutscht.

Das kleinstmögliche Kräfteverhältnis zwischen den beiden Seiten einer quergeführten Niederzurrung, und damit die größtmögliche sichernd wirkende Querkomponente, kann mit ausreichender Zuverlässigkeit durch die bekannte Euler’sche Beziehung berechnet werden.

  


F und F0 = Kräfte auf beiden Seite der Niederzurrung [daN] oder [kN]

e = Euler’sche Konstante (2,718281828)

μ = Reibbeiwert an der Umlenkung

γ = Winkel der Umlenkung (Richtungsänderung) der Niederzurrung [rad]

Die Größe der sichernd wirkenden Querkomponente einer Niederzurrung hängt allerdings entscheidend vom vertikalen Laschwinkel α ab. Bei μ = 0,25 ist die Querkomponente bei beidseitigem α = 45° am größten. Der insgesamt optimale vertikale Laschwinkel α liegt allerdings stets bei deutlich größeren Werten, da die Hauptwirkung einer Niederzurrung von der reibungserhöhenden Vertikalkomponente abhängt, die bekanntlich mit dem Sinus des Laschwinkels α zunimmt.

Bei einer rein vertikalen Niederzurrung gibt es keine Querkomponente. Erst mit Erreichen eines nennenswerten Versatzes oder Verschubs ergeben sich in einem solchen Fall günstige Querkomponenten auf beiden Seiten, deren Größe allerdings nicht durch die Reibung zwischen Zurrmittel und Ladung begrenzt wird. Es handelt sich hierbei um einen Grenzfall der Direktsicherung, also um ein anderes Wirkprinzip als bei der Querkomponente aus Euler’scher Reibung.

Bild 15: Querkomponenten einer quergeführten Niederzurrung

Die Querkomponente der Niederzurrung in Bild 15 links beträgt F0 × (1 – eμ×2×α) × cosα. Die Querkomponente der Niederzurrung in Bild 15 rechts beträgt F0 × (1 + eμ×π) &times cosγ. Um die Größenordnungen deutlich zu machen, wird ein Beispiel mit plausiblen Werten gegeben mit: F0 = 2 kN, μ = 0,25, &alpha = 75°, γ = 85°.

Querkomponente in Bild 15 links = 0,25 kN; Querkomponente in Bild 15 rechts = 0,13 kN.

Beide Werte berücksichtigen nicht die mögliche Verlängerung des Zurrgurts durch die Veränderung der geometrischen Verhältnisse. Dies erfordert mehr Rechenaufwand, der hier nicht dargestellt wird.

Bild 16: Sicherungswirkung in Querrichtung einer Niederzurrung mit α = 80°

In Bild 16 werden für ein Beispiel einer Niederzurrung mit α = 80° die Sicherungswirkung nach konventioneller Beurteilung und die erweiterte Sicherungswirkung unter Berücksichtigung der Querkomponente und der Kraftzunahme durch Änderung der Geometrie infolge von Versatz oder Verschub gegenübergestellt.

Bis zur Querbewegung von etwa 1,9 cm unterscheiden sich die Wirkungen je nach Belastungsrichtung. Bei Belastung hin zur vorgespannten Seite ergeben sich zunächst kleinere Werte. Ab 1,9 cm rutscht der Gurt und es wird die größtmögliche Querkomponente wirksam, die sich aus der Euler’schen Reibung zwischen Gurt und Ladung ergibt. Bei Belastung zur Gegenseite rutscht der Gurt von Beginn an und liefert dabei die größtmögliche Querkomponente. Damit wird deutlich, dass die übliche einseitige Spannvorrichtung zwar die Sicherung insgesamt beeinträchtigt, der k-Faktor also unbedingt berechtigt ist, aber keine folgenreiche Asymmetrie in der Sicherungswirkung nach sich zieht.

Der weitere Anstieg ist auf die zunehmende Dehnung des Gurts zurückzuführen. Schon bei 15 cm Querbewegung wird in diesem Beispiel gut die doppelte Sicherungswirkung gegenüber der konventionellen Bewertung erreicht.

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3.4  Semi-dynamischer Rechenansatz

Die Berücksichtigung von Ladungsbewegung und Formänderung der Ladungssicherungsmittel macht andere Rechenansätze als die konventionell verwendeten erforderlich, da die Eingangsgrößen für einfache Gleich­gewichtsbetrachtungen zunächst unbekannt sind. Sie ergeben sich erst im Verlauf eines längeren Rechenprozesses. Es kann zwischen einem semi-dynamischen und einem volldynamischen Ansatz unterschieden werden.

Die Bezeichnung semi-dynamisch soll hier zum Ausdruck bringen, dass zwar Ladungsbewegungen in Betracht gezogen werden, diese aber nur zur Ermittlung der unterschiedlichen Lastaufnahmen der Sicherungsmittel bis zum Gleichgewicht mit der äußeren Kraft verwendet werden. Die weiteren dynamischen Effekte durch die in Bewegung geratene Ladung werden ignoriert und weiterhin durch die Sicherheitsmarge zwischen LC und Bruchlast abgedeckt.

3.4.1  Iteratives Verfahren

Bei einem iterativen Rechenverfahren wird die Ladung unter der Einwirkung einer äußeren Kraft schrittweise in einer vorbestimmten Art bewegt (Versatz, Kippen, Verschub). Für jeden Schritt wird aus dieser Bewegung die Formänderung der beteiligte Ladungssicherungsmittel und deren Lastaufnahme ermittelt. Die Lastaufnahme wird zur anfänglichen Vorspannung addiert und als Sicherungskraft in die kartesischen Komponenten zerlegt.

Diese Komponenten gehen in die Sicherungsbilanzen gegen horizontalen Versatz/Verschub und gegen Kippen ein. Gegen Versatz/Verschub wirken horizontale Komponenten direkt und vertikale Komponenten über den Reibungsbeiwert, während gegen das Kippen die horizontalen und die vertikalen Komponenten mit den zugehörigen Hebeln zur Kippachse in Rechnung gesetzt werden. Besteht die Sicherungsanordnung aus Niederzurrungen, so ist unter Berücksichtigung der Euler’schen Reibung an den Kanten sinngemäß zu verfahren.

Der Rechenvorgang wird abgebrochen, wenn das Gleichgewicht mit der äußeren Kraft bzw. mit dem äußeren Moment erreicht ist. Dann kann festgestellt werden, welche Belastungen die einzelnen Sicherungsmittel aufgenommen haben und wie groß die Ladungsbewegung oder Ladungsverformung geworden ist. Aus beiden Informationen kann die Eignung bzw. Zulässigkeit der betrachteten Ladungssicherungsanordnung beurteilt werden. Außerdem können die Ergebnisse auf mögliche Verbesserungen und Steigerungen der Effizienz einer Sicherungsanordnung hinweisen.

Wenn gesicherte Erfahrungen über dynamische Zusatzlasten vorliegen, kann der iterative Rechenvorgang auch ein wenig später als beim Erreichen des statischen Gleichgewichts abgebrochen werden. Das Maß dieses Zuschlags könnte etwa proportional zur bis zum Gleichgewicht aufgetretenen Ladungsbewegung gewählt werden. Damit wäre ein pragmatischer Schritt in Richtung auf einen dynamischen Rechenansatz möglich.

Es versteht sich von selbst, dass dieser Rechenprozess nur mit einem programmierten Rechner durchgeführt werden kann und damit nicht für die Bemessung oder Überprüfung einer Ladungssicherungsanordnung vor Ort in Frage kommt, wohl aber für individuelle Planung von kritischen Transporten oder für die Konzeption von typisierten Sicherungsanordnungen mit langfristiger Anwendung.


3.4.2  Selektive Verfahren

Eine selektive Herangehensweise für Direktsicherung geht von dem Ladungssicherungsmittel in der betrachteten Anordnung aus, welches zweifelsfrei als erstes seine zulässige Belastung erreicht. Diese Belastung wird über die Längenänderung des selektierten Ladungssicherungsmittels in eine Ladungsbewegung/Ladungsverformung umgerechnet. Aus dieser werden die Längenänderungen und Lastaufnahmen aller weiteren Ladungssicherungsmittel bestimmt und einer Bilanz zugeführt.

Die Bilanz liefert die Information darüber, ob die Sicherungsanordnung ausreichend ist oder nachgebessert werden muss. Sie lässt auch erkennen, welche Sicherungsmittel möglicherweise nur unzureichend zur Sicherung beitragen.

Für Reibungssicherung, also Niederzurrung, sollte der selektive Ansatz dahingehend modifiziert werden, dass man die Rechnung mit der maximal zu tolerierenden Ladungsbewegung beginnt und daraus die Längenänderungen, Kräfte und geometrischen Komponenten der Zurrmittel bestimmt und den Rutsch- und Kippbilanzen zuführt.

Diese selektiven Verfahren sind mit weniger Rechenaufwand verbunden und können in den meisten Fällen auch von Hand gerechnet werden. Sie eignen sich damit auch für die Schulung von Personal. Was man selbst gerechnet hat, überzeugt mehr als das ohnmächtige Entgegennehmen eines Computerresultats.

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3.5  Volldynamischer Rechenansatz

Ein volldynamischer Rechenansatz sollte nicht nur die unterschiedlichen Lastaufnahmen der Sicherungsmittel bis zum Gleichgewicht mit der äußeren Kraft ermitteln, sondern auch die zusätzlichen Kräfte erfassen, die erforderlich sind, um eine in Bewegung/Verformung geratene Ladungseinheit wieder zum Stillstand zu bringen. Ein solcher Ansatz ist praktisch nur mit Hilfe einer Simulation zu verwirklichen, die den begrenzten Zeitraum der kritischen Fahrsituation darstellt. Dadurch können auch die in Kapitel 1 dargestellten Effekte von Schwellphasen sowie Nick- und Wankschwingungen berücksichtigt werden.

Eine wesentliche Information aus typischen, gerechneten Fällen ist die Größe der genannten zusätzlichen Kräfte und deren Abhängigkeit von den beteiligten Parametern, wie Reibungsbeiwerte und Elastizität von Ladungssicherungsmitteln. Die Auswertung solcher Informationen sollte zur Festlegung von pauschalen Zuschlägen sowie zur Formulierung von Empfehlungen für die Auslegung von Sicherungsanordnungen führen.


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