Foto des Monats – Februar 2019
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Das trübe Winterwetter eignet sich hervorragend für das Studium der Ladungssicherung gegen die Physik und gegen Kriminelle. Daher bieten wir Ihnen diesen Monat zwei Kolumnen an.
Foto des Monats - Februar 2019 Foto des Monats - Februar 2019
Tatort Autobahnparkplatz Ladungssicherung mit Kuscheleffekt


Ladungssicherung mit Kuscheleffekt

Bei Verladern und bei Fahrern bemerken wir immer häufiger einen ganz besonderen Kuschelkurs gegenüber der Ladung. Im vorliegenden Fall wurden drei Stahlkonstruktionsteile auf einem Sattelkraftfahrzeug durch Niederzurrungen „gesichert“. Bei den Stahlbauteilen handelt es sich um neue Teile, frisch lackiert ohne jeglichen Makel. Offensichtlich wurde dem Fahrer vom Verlader eingebläut, auf gar keinen Fall einen Fleck, einen Kratzer oder irgendeine Spur des Ladungssicherungsmaterials auf den Stahlbauteilen zu hinterlassen. Soweit wir erfahren haben, sollen diese Stahlbauteile im Kohlebergbau unter Tage eingesetzt werden. Da ist es natürlich von herausragender Bedeutung, dass diese Stahlbauteile schneeweiß und ohne den kleinsten Kratzer sind.


Foto des Monats - Februar 2019

Abbildung 1  [Wolfgang Jaspers]

Gesagt, getan. Nach entsprechender Standpauke hat der Fahrer die Ladung gesichert und an jeder Stelle, an der auch nur eine Berührung durch einen Gurt möglich gewesen wäre blaue Schaumstoff-„Kantenschützer“ verwandt. Ein ganz hervorragendes Bild, denn das Blau der Kantenschützer passt exzellent zu dem Schneeweiß der Stahlbauteile. Ein gewisses Verständnis rührt sich auch in unserer Ladungssicherungsseele, denn die Gurte sehen durchweg schon so aus, als ob sie schon häufiger gebraucht wurden.


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Abbildung 2  [Wolfgang Jaspers]

Die Abbildung 2 zeigt die Stirnwand des verunfallten Fahrzeugs. Die Stützen der Stirnwand sind nach vorne gebogen und aus der eigentlichen Stirnwand herausgerissen. Es handelte sich um eine Bremsung in einer Autobahnabfahrt mit wahrscheinlich 20 oder 30 km/h. Diese Bremsung muss ein wenig heftiger ausgefallen sein. Der Grund für die Bremsung ist uns nicht bekannt. Die Ladung die wie beschrieben aus den drei Strahlkonstruktionen à 6,5 t bestand, rutschte gemeinschaftlich nach vorne. Alle Stahlteile rutschten ungefähr 1 m vielleicht ein wenig mehr. Dem vorderen Stahlteil stellte sich todesmutig die Stirnwand entgegen, was ihr nicht sonderlich bekam. Wie beschrieben wurde sie nach vorne ausgebeult. Danach standen die Stützen der Stirnwand in Fahrtrichtung nach vorne gebogen ab. Nachdem der Fahrer die verrutschte Ladung in Augenschein genommen hatte, beschloss er, die Ladung doch noch zum Kunden zu bringen, denn der Weg war nicht mehr weit. Leider missglückte dieser Plan, denn die nach vorne verbogenen Stützen trennten bei der nächsten Lenkung die Pressluftleitung zum Auflieger ab, und damit war der Auflieger voll gebremst, und die Reise war zu Ende.


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Abbildung 3  [Wolfgang Jaspers]

Alle drei Stahlbauteile waren, wie beschrieben, nach vorne gerutscht. Nur das erste Teil hatte Berührung zur Stirnwand, die anderen Bauteile haben sich gegenseitig nicht berührt. Auf der Abb. 3 ist eine recht lange „Schleifspur zusehen. In der ersten Hälfte ist sie noch blau (von dem Kuschelschaumstoff), danach ist nur noch leichter Farbabrieb am Bauteil zu sehen. Auf der Abbildung 3 ist rechts im Bild vorne. Dort sind genau über der Bohrung zwei stärkere Eindrücke in Farbe zu erkennen. Das war wahrscheinlich die Stelle, an der der schwarze Kantengleiter durch die Bremsung plötzlich sehr stark beansprucht wurde. Auf seiner „Rutschreise“ musste der Gurt über den markierten Anschlagpunkt rutschen. Dort sieht man gut einseitige Abriebspuren. Beim Überrutschen des Anschlagpunktes wurde der Gurt leicht angehoben und der Kantengleiter „abgestreift“. Mit dem Kantengleiter ist auch gleich der blaue Schaumstoff mit abgestreift worden. Von dort aus ging das Rutschen weiter nach hinten und endete abrupt an dem größeren Stahlteil das nach oben herausschaut. Dort ist dieser Gurt zerrissen, wie alle 6 Gurte die als Niederzurrungen über diese Stahlteile gespannt waren. Die auf den Bildern zu sehenden Niederzurrungen wurden nach dem Unfall angebracht, um die letzten Kilometer zum Kunden noch fahren zu können.


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Abbildung 4  [Wolfgang Jaspers]

Es ist schon erstaunlich mit welcher Akribie alle Berührungspunkte dieser tonnenschweren Stahlteilen in ihrer adretten weißen Farbe geschützt wurden. Die Ladung wurde auf ihrem Auflieger quasi eingekuschelt platziert. Wer unsere „Vorliebe“ zu quadratischen Unterlegern kennt, wartet jetzt schon auf die sehr kritischen Anmerkungen hierzu. Wir wollen die Leser nicht enttäuschen, bitten aber noch um etwas Geduld.


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Abbildung 5  [Wolfgang Jaspers]

Unschwer zu erkennen ist, dass die Gurte jäh abgerissen sind. Zugegeben, sie waren nicht mehr in dem allerbesten Zustand und weisen an manch einer Stelle schon Beschädigungen auf, die ein Ablegen gerechtfertigt hätten. Aber da diese Gurte alle als Niederzurrungen ausgeführt waren, hätten auch nicht die stärksten und die neuesten ihrer Gattung den Belastungen, die wir gleich beschreiben wollen standhalten können.


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Abbildung 6  [Wolfgang Jaspers]

Nur um das Bild zu vervollständigen zeigen wir einen Spitzhaken der lustlos ohne Gurt im Fahrzeugrahmen hängt. An Ladungssicherungspunkten hat es auf diesen Fahrzeug nicht gemangelt, es gab viele im Fahrzeugrahmen selbst und auch auf der Ladefläche gab es offensichtlich reichlich Ladungssicherungspunkte.


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Abbildung 7  [Wolfgang Jaspers]

Das ganze Elend dieser Sicherungskatastrophe, so finden wir zumindest, zeigt die Abbildung 7. Die Ladung ist schlicht um einen guten Meter weitergerutscht bzw. gerollt, dabei waren ihr die quadratischen Hölzer als willkommene Rollenunterlage gerne behilflich, und das Kuschelmaterial hat sich standesgemäß zerlegt. Teilweise ist es durch die Reibung geschmolzen, teilweise wurde es zerrieben oder einfach nur abgerissen. Die Gurte sind alle so lange mitgerutscht, bis sie an einem Widerstand gescheitert bzw. zerrissen sind. Einen größeren Sicherungs-Blödsinn kann man sich gar nicht vorstellen.

Kardinalfehler:

  • Die Stahlteile wurden alle auf Vierkantbalken geladen. Diese unterstützen das Rollen, weil ihre Geometrie dem Kreis sehr nahe kommt. Daran kann die Tatsache, dass es sich hier offensichtlich um imprägniertes Holz handelt, auch nichts ändern.
  • Der Fahrer und in diesem Atemzug ist natürlich auch der verantwortliche Verlader zu nennen, haben versucht 6,5 t mit 2 Niederzurrungen zu sichern.
  • Reibungserhöhende Materialien – Fehlanzeige. Aber dafür wurde ja jede Menge blauer Schaumstoff eingesetzt, der die Reibung ganz bestimmt nicht erhöht sonders das Verrollen und verrutschen eher noch begünstigt hat.
  • Nach dem erfolgten Unfall hat der Fahrer, offensichtlich aus der Not heraus erneut versucht seine Ladung für den Rest der Reise niederzuzurren, er hat in seiner bescheidenen Situation den gleichen Fehler wiederholt, was ihm kaum zu verdenken ist.

Immerhin wird er seinem Arbeitgeber mitteilen müssen, dass sein Fahrzeug erheblichen Reparaturbedarf hat und dass die Ladung trotz der blauen Schaumstoff – Unterlagen nicht ganz ohne Macken beim Kunden angekommen ist.

Ladungssicherung:

Zuerst würden wir die Reibung erhöhen und das aufgrund der relativ hohen Masse mit durchvulkanisierten Schwerlastmatten. Die quadratischen Unterleger würden selbstverständlich durch bohlenformatige Unterleger ersetzt. Braucht man die vorgegebene Höhe der Vierkantbalken (ca. 10 cm), gibt es immer noch die Möglichkeiten 2 Vierkantbalken mehrfach wirkungsvoll zusammen zu Bolzen, damit die „Rollerei“ unterbunden wird. Natürlich muss auf und unter den Vierkantbalken RH Material ausgelegt werden.

Liegen alle Stahlteile jetzt auf RH Material, sind nach vorne noch 1.300 daN pro Stahlbauteil an Sicherungskraft erforderlich. Zu den Seiten würde die Reibung ausreichen, vorausgesetzt es werden 2 Mindestsicherungen als Niederzurrungen angebracht, um sicherzustellen dass die gute Reibung auch fortlaufend wirken kann. Um die Ladung nach vorne ausreichend zu sichern, bieten sich hervorragend Direktsicherungen durch die großen Bohrungen an den hinteren Enden der Stahlteile an. Es versteht sich von selbst dass die Gurte vor den scharfen Kanten der Stahlteile geschützt werden müssen. Hierfür gibt es Gurtschläuche, PU Schienen in die die Gurte eingelegt werden können, oder sonstige gute Ideen die die Ladungssicherungsindustrie für derartige Fälle bereithält.

Sollen alle Stahlteile tatsächlich vollkommen makellos beim Kunden ankommen, wird die Sache schon etwas schwieriger. Uns sind keine farblosen RH Materialien bekannt, da Direktzurrungen erst dann wirken können, wenn die Ladung ein kleines Stückchen rutscht, besteht natürlich die Gefahr von leichten Verfärbungen. Natürlich nur im Falle einer stärkeren Bremsbeschleunigung (> 0,6g; wegen der guten Reibung). Sollen die Gurte mit den Gurtschonern keinen direkten Kontakt zur Ladung bekommen, haben wir schon Lösungen mit Teppichbodenresten gesehen. Diese sind aber bitte nur dort einzusetzen, wo es nicht auf die gute Reibung ankommt, also nur bei den Umlenkstellen von Direktzurrungen.

Ihre Ladungssicherungskolumnisten




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