Urteil des Monats: Februar 2017
  
"Stillstandskosten - Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle"

Wann liegt eigentlich eine Eigentumsverletzung vor?

Wenn "die Sachsubstanz beeinträchtigt" ist. Klar.

In unserem aktuellen Urteil des Monats machte der Kläger jedoch geltend, dass er in seinen Eigentümer- bzw. Besitzerrechten an einem Binnenschiff und anderen Gerätschaften wie Pontons, Schwimmbagger und Schuten verletzt worden war, obwohl sie allesamt unversehrt waren. Der BGH gab ihm dem Grunde nach Recht, und bejahte einen Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

§ 823 Abs. 1 BGB:

"1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet."

Die Beklagten waren Schiffsführer bzw. Eigentümer des Tankmotorschiffs P, das aufgrund eines missglückten Ankermanövers mit seiner Ankerkette die einzige Zufahrt zu jenem Hafen versperrte, in dem die Gerätschaften und das Binnenschiff des Klägers lagen. Fraglich war, ob dem Kläger für diese eintägige Nutzungsentziehung ein Schadensersatzanspruch zuzuerkennen war.

Der BGH grenzte hierfür zwei Fallkonstellationen voneinander ab:

1. Ist die Verwendung einer Sache lediglich eingeschränkt, sodass lediglich einzelne Verwendungsmöglichkeiten vorübergehend nicht realisiert werden können, ist eine Eigentumsverletzung und damit ein Schadensersatzanspruch zu verneinen. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Fahrzeug lediglich eine konkrete Fahrt nicht durchführen kann, seine Bewegungsmöglichkeit jedoch grundsätzlich gegeben ist. Ein anderes Beispiel stellt nach dem BGH die vorübergehende Unbefahrbarkeit einer bestimmten Strecke dar.

2. Anders sähe es hingegen aus, wenn die Benutzung der Sache infolge der Einwirkung objektiv ausgeschlossen wäre. Um beim ersten obigen Beispiel zu bleiben: Verliert ein Fahrzeug vorübergehend komplett seine Funktion als Transportmittel, ist von einer Eigentumsverletzung nach Ansicht des BGH auszugehen. Im Gegensatz zu den Beispielen unter 1. ist hierfür stets erforderlich, dass "die Verwendungsfähigkeit der Sache vorübergehend praktisch aufgehoben" ist.

Des zusätzlichen Überschreitens einer "Erheblichkeitsschwelle" bedarf es in diesen Fällen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dann nicht. Ist die Sache ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen, dann ist die Nutzung beeinträchtigt, und somit eine Eigentums- bzw. Besitzverletzung gegeben, der Schadensersatzanspruch besteht also.

Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen, da eine eintägige Nutzungsentziehung die "Erheblichkeitsschwelle" nicht überschreite. Eine eintägige Unpassierbarkeit einer Wasserstraße sei durchaus sozialüblich und daher hinzunehmen. Ab welchem Zeitraum diese "Erheblichkeitsschwelle" überschritten sei, mochte das Berufungsgericht nicht konkret festlegen. Der BGH sah dies bekanntlich etwas anders. Allerdings verwies er die Sache lediglich an das Berufungsgericht zurück, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat sich nunmehr u.a. mit der Behauptung der Beklagten auseinanderzusetzen, die Gerätschaften des Klägers seien zu keinem Zeitpunkt eingeschlossen gewesen, sondern sie hätten den Hafen jederzeit verlassen können.


Das hier besprochene Urteil ist in unserer Urteilsdatenbank mit folgenden Angaben zu finden:

Aktenzeichen:   VI ZR 403/14
Datum:   21.06.2016
Link zur Urteilsdatenbank:   BGH, Urteil vom 21.06.2016, AZ: VI ZR 403/14




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