Urteil des Monats: Juni 2016
  
"Kleiner Schaden, große Wirkung? Schadenregulierung durch Makler"

Der "Ausgangsfall" unseres aktuellen Urteil des Monats: der Geschädigte gab Textilien zur Reinigung. Dort wurden die Textilien vernichtet bzw. beschädigt. Der Haftpflichtversicherer des Textilreinigungsunternehmens regulierte den Schaden in Höhe einer Zeitwertpauschale von Euro 59,50.

Was hat dieser Fall mit Transportversicherung zu tun?

Insbesondere die Transportversicherer haben mit Spannung auf die nunmehr endlich erfolgte Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BGH-Urteils gewartet.

Den oben dargestellten Ausgangsfall hatte nämlich eine Rechtsanwaltskammer zum Anlass genommen, den Versicherungsmakler, der im Auftrag des Haftpflichtversicherers die Schadenregulierung übernommen hatte, abzumahnen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufzufordern. Der BGH hatte daher grundsätzliche Erwägungen anzustellen, ob die Durchführung der Schadenregulierung durch den Versicherungsmakler im vorliegenden Fall zulässig war. Vorab: Sie war es nicht.

Der BGH stützte seine Entscheidung insbesondere auf § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG sowie auf § 4 RDG.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 RDG

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz RDG wäre die Rechtsdienstleistung des Versicherungsmaklers (Schadenregulierung) im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt,

"wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört."

Insbesondere war also zu erörtern, ob die Schadenregulierung nur als Nebenleistung des Versicherungsmaklers anzusehen war. Dies hat der BGH im Bereich der Textilhaftpflichtversicherung verneint.

Für die Einordnung dieser schadenregulierenden Tätigkeit zog der BGH die Begriffsbestimmung für den Versicherungsmakler gemäß § 59 Abs. 3 VVG heran:

"Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1."

Bereits an dieser Stelle strich der BGH heraus, dass der Versicherungsmakler, anders als beispielsweise der Handelsmakler oder der Immobilienmakler, nicht für beide Parteien tätig werden dürfe. Der Versicherungsmakler sei daher Sachvwalter des Versicherungsnehmers und stehe "in dessen Lager". Zu seinen Aufgaben gehöre:

  • Betreuung des Versicherungsvertrags nach Abschluss,
  • Ungefragte Überprüfung des Vertrags auf Anpassungsbedarf,
  • Entsprechender Hinweis an den VN,
  • Förderung des Zahlungsverkehrs,
  • Sachkundige Beratung des VN im Schadenfall,
  • Sachgerechte Schadensanzeige,
  • Interessenswahrnehmung des VN bei Schadenregulierung.

Im Bereich der Schadensregulierung sei eine Tätigkeit des Versicherungsmaklers für den Versicherungsnehmer somit § 5 Abs. 1 RDG erlaubte Nebenleistung, während eine schadensregulierende Tätigkeit für den Versicherer nicht mit dem gesetzlichen Leitbild des Versicherungsmaklers im Einklang stehe.

Es könne, so der BGH weiter, dahin stehen, ob die Schadenregulierung tatsächlich schon seit längerer Zeit unter Versicherungsmaklern "mehr oder weniger stark" verbreitet sei. Dies folge unter anderem daraus, dass die Interessen von Versicherungsnehmer und Versicherer nicht unbedingt gleichgerichtet seien. Der Versicherer sei regelmäßig daran interessiert, den von ihm zu zahlenden Betrag so niedrig wie möglich zu halten, während der Versicherungsnehmer an einer möglichst raschen und unproblematischen Schadensabwicklung interessiert sei.

Aufhorchen ließ der BGH mit folgender Erwägung:

"Nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint allerdings, dass sich in bestimmten Branchen das Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers dahingehend gewandelt hat oder künftig wandeln könnte, dass es eine schadensregulierende Tätigkeit des Maklers umfasst. (…)"

Ob ein solcher Wandel des Tätigkeitsfeldes in einzelnen Branchen (bzw. Sparten) zu einer anderen rechtlichen Beurteilung hätte führen können, erscheint indes fraglich, da der BGH der von einer Doppeltätigkeit ausgehenden Gefahr der Interessenkollision hohes Gewicht einzuräumen scheint.

Unausgesprochen bleibt nämlich, welche Auswirkungen ein dargestellter Wandel des Tätigkeitsbildes vor dem Hintergrund hätte, das eine solche Interessenkollision nach Ansicht des BGH nach wie vor gegeben sein dürfte.

§ 4 RDG

Während der BGH im Rahmen der Prüfung zu § 5 Abs. 1 RDG überprüft hatte inwiefern die Schadenregulierung durch den Versicherungsmakler erlaubt war, erörterte er anschließend, ob die Schadenregulierung gemäß § 4 RDG verboten seien könnte.

Gemäß § 4 RDG dürfen Rechtsdienstleistungen nicht erbracht werden,

"die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, (…), wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird."

Diese Regelung soll nach Ansicht des BGH insbesondere der bereits der mehrfach angesprochenen Interessenkollision entgegenwirken. In eine solche Interessenkollision begebe sich der Versicherungsvermittler nach Ansicht des BGH, wenn er vom Versicherer mit der Schadenregulierung beauftragt werde. Erneut wies der BGH darauf hin, dass der Versicherungsnehmer insbesondere an einer Vermeidung des Rechtsstreits und damit an "großzügiger" Schadenregulierung interessiert sei, der Versicherer hingegen, insbesondere ökonomische Interessen verfolge.

Unausgesprochen ließ der BGH hingegen, dass eine restriktive Schadenregulierung auch im Interesse des Versicherungsnehmers erfolgen könnte, dessen Versicherungspolice in diesem Fall einen günstigeren Schadenverlauf aufweist. Der BGH meinte hingegen, dass die Schadenregulierung des Versicherungsmaklers für den Versicherer unmittelbaren Einfluss auf seine Pflicht habe, den Versicherungsnehmer im Schadenfall zu unterstützen.

Insbesondere komme dem Versicherungsmakler keine "neutrale Mittlerfunktion" im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zu. Einerseits zeigte der BGH auf, dass Branchen- bzw. Spartenbesonderheiten durchaus dazu führen könnten, dass Versicherungsmakler typischerweise die Schadenregulierung übernähmen. Unbeantwortet blieb hingegen die Frage, ob in diesen Fällen auch eine Interessenkollision bestehe bzw. hinzunehmen wäre. Ebenso unerwähnt blieb eine Schadenregulierung durch Assekuradeure. Ob auch dies eine unzulässige Rechtsdienstleistung darstellen würde ist nicht geklärt. Allerdings dürfte zu berücksichtigen sein, dass Assekuradeure in der Regel - anders als Versicherungsmakler - nicht eindeutig dem Lager des Versicherungsnehmers zuzurechnen sind. Abzuwarten bleibt, ob weiterhin - jedenfalls spartenabhängig - eine Schadensregulierung durch Versicherungsmakler erfolgen kann bzw. wird oder ob ein geringer Schaden von knapp 60 Euro gravierende Auswirkungen auf die Schadenregulierungspraxis hat, indem die bisherige Praxis aufgegeben wird - sei es durch Auslagerung der Schadenregulierung an Dritte oder durch Regulierung durch die Versicherer selbst.

Link zur BGH Entscheidung



Das hier besprochene Urteil ist in unserer Urteilsdatenbank mit folgenden Angaben zu finden:

Aktenzeichen:   I ZR 107/14
Datum:   14.01.2016
Link zur Urteilsdatenbank:   BGH Urteil vom 14.01.2016, Aktenzeichen I ZR 107/14




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