Urteil BGH I ZR 55/98 vom 15.06.2000
  
Gericht:   Bundesgerichtshof
Aktenzeichen:   I ZR 55/98
Datum:   15.06.2000
Vorinstanzliches Gericht:   OLG Düsseldorf
Fundstelle:   VersR 2001, 216
    VersR 2001, 216
Quelle(extern):   Link zur BGH Entscheidung
Land :   Deutschland

Einordnung in die Urteilsdatenbank
Normenregister:  CMR-> CMR Art. 17 Abs. 4, Art. 18 Abs. 2
Haftungskategorie:   Straße-International->Übernahme/Ablieferung
Stichworte:   CMR, Moskau


Tatbestand
Die Kl. nahm das bekl. Speditionsunternehmen auf Zahlung von Schadensersatz für in Verlust geratenes Transportgut und Rückzahlung von Frachtkosten in Anspruch.
Am 16.6.1994 erteilte die Kl. der Bekl. zu fixen Kosten (5600 DM) den Auftrag, die Beförderung von 24 Europaletten Kaugummi von M. (Deutschland) nach Moskau zu besorgen. Die Kl. hatte die Ware zuvor laut einer Rechnung vom 14.6.1994 zu einem Preis von 102 060 DM an die niederländische Fa. S. verkauft. Als Empfängerin des Transportguts war im CMR-Frachtbrief die A. Ltd. in Moskau eingetragen. Die Bekl gab den Transportauftrag an die E. AG weiter, die ihrerseits ein slowakisches Transportunternehmen einschaltete, das schließlich die Fa. R. mit der Durchführung der Beförderung betraute. Deren Fahrer T. übernahm die Ware am 17.6.1994 in M.
Die Kl. behauptete, die Ware sei bei der Empfängerin nicht angekommen. Sie habe den Fahrer der Unterfrachtführerin bei Übernahme des Transportguts angewiesen, er solle sich nach Ankunft in Moskau unter einer auf einem mitgegebenen Zettel notierten Telefonnummer entweder bei der Empfängerfirma oder unter der ebenfalls notierten privaten Telefonnummer bei deren Direktor melden, die ihm genaue Anweisungen erteilen würden. Hieran habe sich der Fahrer nicht gehalten. Der auf dem CMR-Frachtbrief als Empfangsquittung aufgebrachte Stempel sei gefälscht und stamme ebenso wenig wie die dazugehörige Unterschrift von einem Mitarbeiter der Empfängerin. Es habe auch keine Abfertigung des Lkw beim russischen Zoll stattgefunden. Zur Schadenshöhe behauptete die Kl., dass der in der Rechnung vom 14.6.1994 ausgewiesene Betrag von 102 060 DM dem tatsächlichen Warenwert entsprochen habe. Die Kl. beantragte, die Bekl. zur Zahlung von 107 660 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Bekl. trat dem Schadensersatzverlangen nach Grund und Höhe entgegen. Sie behauptete, die Ware sei ordnungsgemäß abgeliefert worden. Der Fahrer sei am Ankunftstag gegen 16.00 Uhr direkt zu der im CMR-Frachtbrief angegebenen Empfängerin gefahren, um sich in deren Büro zu melden. Er sei von zwei Mitarbeitern der Empfängerin, die sich durch Dokumente und Ausweise als solche ausgewiesen hätten, gebeten worden, auf einem bewachten Parkplatz zu übernachten, da die Verzollung der Ware erst am nächsten Morgen habe erfolgen können. Am nächsten Morgen hätten dieselben Mitarbeiter der Empfängerin den Fahrer abgeholt und ihn zum Zollamt begleitet. Anschließend hätten sie sich mit den Frachtunterlagen um die Verzollung der Ware gekümmert, die dabei auch überprüft worden sei. Sodann sei der Fahrer mit seinen Begleitern zum Lager der Empfängerin gefahren, wo die Entladung des Lkw vorgenommen worden sei. Bei dieser Gelegenheit sei auch der Frachtbrief quittiert worden.
Hinsichtlich der geltend gemachten Schadenshöhe behauptete die Bekl., die in der Rechnung vom 14.6.1994 ausgewiesenen Preise entsprächen nicht dem in Deutschland zu erzielenden Marktpreis. Sie seien bezogen auf die einzelnen Kaugummimarken um 30 % überhöht. Im Übrigen bestreite sie, die Bekl., dass die Kl. Zahlung gemäß der in Rede stehenden Lieferrechnung erhalten habe.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg gehabt.
Die Revision der Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit in Höhe von 102 060 DM nebst Zinsen zu ihrem Nachteil erkannt worden war.
Begründung
1. Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren in Übereinstimmung mit dem LG nach Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 4 i. V. m. Art. 3 CMR entsprochen. Die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR hat es verneint. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die Bekl. habe die Ablieferung des Transportguts bei dem rechtmäßigen Empfänger nicht bewiesen. Der konkrete Verbleib der Ware sei vielmehr ungeklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stamme die Empfangsquittung mit Stempel und Unterschrift auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief nicht von einem Mitarbeiter der Empfängerfirma. Es handele sich hierbei nach den glaubhaften Bekundungen des Generaldirektors der Empfängerin vielmehr um eine Fälschung.
Die Bekl. könne sich nicht auf die Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen, da nicht festgestellt werden könne, dass der Verlust der Ware vor Ablieferung durch ein Verschulden der Kl. verursacht worden sei. Die beweispflichtige Bekl. habe nicht nachweisen können, dass der Fahrer tatsächlich ohne Telefonnummern als Kontaktmöglichkeit zur Abwicklung der Auslieferung unterwegs gewesen sei. Überdies habe die Bekl. bei unterstellten fehlenden Telefonnummern - nicht nachweisen können, dass dieser Umstand für den Verlust des Transportguts ursächlich gewesen sei, da sie ihre Darlegungen zur Transportabwicklung nach Ankunft in Moskau nicht bewiesen haben. Aus demselben Grund könne auch nicht festgestellt werden, dass der Verlust des Transportguts für den Fahrer unabwendbar gewesen sei.
Den der Erwerberin der Ware aufgrund des Abhandenkommens des Guts entstandenen Schaden könne die Kl. als Vertragspartnerin der Bekl. mit Zustimmung der Geschädigten im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen. Die Höhe des zu ersetzenden Schadens ergebe sich aus der Lieferrechnung der Kl. vom 14.6.1994 mit 102.060.- DM, da der tatsächlich erzielte Verkaufspreis in der Regel den Marktpreis darstelle. Die Behauptung der Bekl., die Kl. habe überhöhte Preise in Rechnung gestellt, sei demgegenüber unsubstanziiert. Daneben stehe der Kl. gem. Art. 23 Abs. 4 QMR ein eigener Anspruch auf Erstattung der bereits gezahlten Frachtkosten zu.
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich eines Betrags von 102.060.- DM zum Nachteil der Bekl. erkannt hat. Sie führen in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Bekl. zumindest als Fixkostenspediteurin i. S. d. § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30.6.1998 gültigen Fassung) anzusehen ist und als solche der Haftung nach der CMR unterliegt (vgl. BGH vom 17.4.1997 - 1 ZR 131/95 - VersR 1998, 82 = TranspR 1998, 25 26; vom 13.11.1997 - 1 ZR 157/95 - VersR 1998, 872 = TranspR 1998, 250; Herber/Piper; CMR Art. 1 Rdn. 28ff. m. w. N.).
Nach Art. 17 Abs. i. V. m. Art. 3 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz u. a. für den während seiner Obhutszeit eingetretenen Verlust des Transportguts. Er ist von dieser Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR dann befreit, wenn der Schaden durch ein Verschulden des Verfügungsberechtigten oder durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für den Frachtführer selbst als auch für seine Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit i. 5. v. Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (vgl. BGH vom 8.10.1998 - 1 ZR 164/96 - VersR 1999, 469 = TranspR 1999, 59 [61]).
2. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Bekl. nach Art. 17 Abs. 1 CMR bejaht, weil sie nicht bewiesen habe, dass das von der Unterfrachtführerin (unstreitig) bei der Absenderin in M. übernommene Gut bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin in Moskau abgeliefert worden sei. Es hat angenommen, dass Stempel und Unterschrift auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief zum Nachweis der Ablieferung ungeeignet seien, weil es sich hierbei um Fälschungen handele. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass es grundsätzlich Sache des Frachtführers ist, die Ablieferung des Guts zu beweisen (vgl. Herber/Piper aaO Art. 17 Rdn. 168; Koller; Transportrecht 4. Aufl. Art. 17 CMR Rdn. 12; jeweils m.
w. N.). Es hat seine Annahme, dass die ordnungsgemäße Ablieferung des Guts bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin nicht bewiesen sei, vor allem darauf gestützt, dass der auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief aufgebrachte Stempel der Empfängerin gefälscht sei. Zu dieser Feststellung ist das Berufungsgericht aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Stempels und der Aussage des Zeugen K. gelangt.
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sich der Zeuge K. nicht zu der Frage geäußert habe, ob die Unterschrift auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief von einem Mitarbeiter der bestimmungsgemäßen Empfängerin A. Ltd. stammen könne; auf den Stempel komme es - worauf die Kl. selbst hingewiesen habe - nicht an. Hiermit vermag die Revision nicht durchzudringen.
Der objektive Beweiswert der Aussage des Zeugen K. wird nicht deshalb gemindert, weil er sich nicht ausdrücklich dazu geäußert hat, ob die zum Stempel gehörende Unterschrift von einem Mitarbeiter der Empfängerfirma stammt. Der Zeuge hat auf die Frage, ob das auf dem Firmenstempel befindliche Handzeichen von einem Mitarbeiter der Empfängerin stamme, geantwortet, der Stempel sei gefälscht. Diese Antwort hat das Berufungsgericht, das sich die Ausführungen des LG zu Eigen gemacht hat, im Rahmen seiner eigenen tatrichterlichen Würdigung zugleich als Verneinung der an den Zeugen gerichteten Frage gewertet.
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es lag aus Sicht des Berufungsgerichts nahe, dass der Zeuge mit seinem Hinweis auf die Fälschung des Stempels zugleich auch in Abrede stellen wollte, dass die Unterschrift von einem Mitarbeiter der bestimmungsgemäßen Empfängerin stamme. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge die an ihn gerichtete Frage nicht richtig aufgenommen haben könnte, sind nicht ersichtlich.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den Zeugen K. gem. § 398 ZPO erneut vernehmen müssen.
aa) Es steht grundsätzlich im Ermessen des Rechtsmittelgerichts, ob es einen in erster Instanz gehörten Zeugen erneut vernimmt (§ 398 Abs. 1 ZPO). Zwar kann das Ermessen im Einzelfall gebunden sein, so etwa dann, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will und es hierfür auf den persönlichen Eindruck ankommt, den der Zeuge hinterlässt (vgl. BGH vom 10.3.1998 VI ZR 30/97- NJW 1998, 2222 = VersR 1998,1261 L; vom 16.7.1998 - 1 ZR 32/96 - VersR 1999, 994 = GRUR 1999, 367 [368] = WRP 1999, 208 [Vieraugengespräch]).
Auch dann, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen oder anders würdigen will als die Vorinstanz, kann eine erneute Vernehmung des Zeugen erforderlich sein (vgl. BGH vom 19.2.1998 - 1 ZR 20/96 - NJW-RR 1998,1601 [1602] m. w. N.). Schließlich ist anerkannt, dass eine Beweisaufnahme dann zu wiederholen ist, wenn die erste Instanz von einer Würdigung der Aussage eines von ihr vernommenen Zeugen ganz abgesehen oder diese in einer völlig ungenügenden Weise vorgenommen hat (vgl. BGHZ 53, 245 [257]; BGH vom 28.10. 1987 - 1 ZR 164/85 - BGHR ZPO § 398 Abs. 1 - Ermessen 6; vom 16.12.1999 - III ZR 295/98 - VersR 2000, 227 [228]). Derartige Fallgestaltungen liegen hier jedoch nicht vor.
bb) Die Revision meint, eine Verpflichtung zur erneuten Vernehmung des Zeugen K. habe sich daraus ergeben, dass seine Aussage im Widerspruch zum Klagevorbringen und zum Wortlaut des am 6.7. 1994 abgefassten Telefaxschreibens stehe. Während der Zeuge bekundet habe, er habe erst am 7. 7.1994 wegen des Ausbleibens der Ladung Kontakt mit der Kl. aufgenommen und sei erst Mitte Juli 1994 in den Besitz einer Fotokopie des Frachtbriefs gelangt, trage die Kl. vor, sie habe durch ein Telefaxschreiben der Empfängerin bereits am 6.7. 1994 vom Verlust der Ware erfahren.
Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Denn die Rüge, das Berufungsgericht habe durch Übernahme eines erstinstanzlichen Beweisergebnisses gegen § 286 ZPO verstoßen, weil es eine im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme nicht wiederholt habe, kann grundsätzlich nur dann erfolgreich erhoben werden, wenn diese Rüge bereits im Berufungsrechtszug erhoben wurde (vgl. BGHZ 133, 36 [39] = VersR 1996,1279 f.). Die Partei muss nämlich dem Berufungsgericht den Rechtsstreit so unterbreiten, dass dieses erkennen kann, aus welchen Gründen das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird (vgl. BGHZ 35,103 [106 f.]; 133, 36 [39] = VersR 1996,1279 [1280]). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt......
c) Eine erneute Vernehmung des Zeugen T. war ebenfalls nicht geboten, da das Berufungsgericht von der Beweiswürdigung des LG nicht abgewichen, sondern dieser ausdrücklich beigetreten ist ......
3. Die Revision wendet sich des Weiteren ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Bekl. könne sich nicht auf eine Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen, weil sie nicht habe nachweisen können, dass der Verlust der Ware vor Ablieferung durch ein Verschulden der Kl. verursacht worden sei.
Es kann offen bleiben, ob - wie von der Bekl. geltend gemacht - der Kl. deshalb ein Verschulden anzulasten ist, weil es sich bei der von ihr im Frachtbrief angegebenen Adresse lediglich um eine Postanschrift der Empfängerin gehandelt habe, unter der das Gut nicht habe abgeliefert werden können. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob dem Fahrer die Weisung erteilt worden ist, er sollte sich nach seiner Ankunft in Moskau bei der Empfängerin oder deren Direktor telefonisch melden, und ob ihm hierfür entsprechende Telefonnummern mitgeteilt worden sind. Denn die gem. Art. 18 Abs. 1 CMR beweisbelastete Bekl. hat nicht bewiesen, dass die von ihr behaupteten Sorgfaltsverstöße der Kl. für den Eintritt des Schadens ursächlich waren.
aa) Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang angenommen, die Bekl. habe ihre Darlegungen zum Transportablauf, wonach der Fahrer die reine Postanschrift der Empfängerin in Moskau angefahren habe und dass er dort von unbekannten Personen in Empfang genommen worden sei, nicht bewiesen. Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen T. sei in Bezug auf eine Bestätigung des Bekl.-Vortrags nicht überzeugend, da der Zeuge offenbar keine tatsächliche Erinnerung mehr an den konkret in Rede stehenden Transport gehabt habe. An der erst zuletzt erklärten Bestätigung der Darstellung der Bekl. über die Art und Weise der Ablieferung gebe es daher, wie auch das LG zutreffend ausgeführt habe, erhebliche Zweifel.
bb) Diese tatrichterliche Würdigung wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Ihr kann nicht darin beigetreten werden, dass das LG keine abschließende Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen T. vorgenommen und dessen Bestätigung des Vortrags der Bekl. als wahr unterstellt habe. Das LG hat die Zuverlässigkeit des Zeugen T. deutlich in Zweifel gezogen. Da das Berufungsgericht der Beweiswürdigung des LG ausdrücklich gefolgt ist, brauchte es den Zeugen nicht gem. § 398 ZPO erneut zu vernehmen. Danach kann das Vorbringen der Bekl. zum Transportablauf entgegen der Auffassung der Revision nicht als wahr unterstellt werden.
Steht somit nicht fest, dass der streitgegenständliche Transport in Moskau den von der Bekl. behaupteten Verlauf genommen hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die angeblichen Sorgfaltsverstöße der Kl. für den Verlust des Guts ursächlich waren.
Auf die Beweiserleichterung nach Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Art. 17 Abs. 4 e CMR kann sich die Bekl. entgegen der Ansicht der Revision schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil von dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift nur Kennzeichnungen erfasst werden, die unmittelbar auf den Frachtstücken angebracht sind. Darum geht es hier indes nicht. Zudem setzt die Anwendbarkeit der Beweisvermutung des Art. 18 Abs. 2 5.1 CMR voraus, dass der Frachtführer die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verlust und den in Art. 17 Abs. 4 CMR bezeichneten besonderen Gefahren konkret aufzeigt oder dieser aus einer der Gefahren lebenserfahrungsgemäß folgt (vgl. Herber/Piper aaO Art. 18 Rdn. 11). Daran fehlt es im Streitfall ebenfalls.
cc) Aus dem nicht erbrachten Nachweis des Ursachenzusammenhangs folgt zugleich, dass der Bekl. keine Schadensersatzansprüche aus Art. 7 Abs. 1 a CMR zustehen, die der Klageforderung im Wege des Dolo-petit-Einwands (§ 242 BGB) entgegengesetzt werden könnten. Denn der Schadensersatzanspruch aus Art. 7 Abs. 1 CMR erfordert, dass die zu ersetzenden Schäden durch die unvollständigen Angaben im Frachtbrief verursacht worden sind. Diesen Nachweis hat die beweisbelastete Bekl. (vgl. Teutsch in Thume, CMR Art. 7 Rdn. 6) gerade nicht erbracht.
4. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Umfang des Schadensersatzanspruchs der Kl. nicht gem. Art. 17 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 CMR zu begrenzen. Eine Haftungsverteilung setzt den vom Frachtführer zu erbringenden Nachweis voraus, dass der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, für die er nicht haftet (vgl. Thume/Seltmann in Thume aaO Art. 18 Rdn. 89 ff.). Diesen Nachweis hat die Bekl. - wie bereits dargelegt - indes nicht erbracht.
5. Da die Bekl. verpflichtet ist, für den streitgegenständlichen Verlust gem. Art. 17 Abs. ii. V. m. Art. 3 CMR Schadensersatz zu leisten, muss sie nach Art. 23 Abs. 4 CMR die von der Kl. erhaltenen Frachtkosten in Höhe von 5.600.- DM zurückerstatten. In diesem Umfang ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
6. Erfolg haben dagegen die von der Revision gegen die Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs erhobenen Rügen.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Höhe des nach Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR zu ersetzenden Schadens ergebe sich aus der vorgelegten Lieferrechnung der Kl. vom 14.6.1994. Der darin ausgewiesene Rechnungsbetrag von 102.060.- DM stelle den Marktpreis dar. Die dagegen gerichtete Behauptung der Bekl., die Preise seien überhöht, sei nicht hinreichend substanziiert.
b) Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an ein wirksames Bestreiten überspannt hat. Im Grundsatz hängt die Substanziierungslast des Bestreitenden davon ab, wie eingehend die darlegungspflichtige Gegenpartei vorgetragen hat (st. Rspr.; vgl. BGH vom 12.10.1989- IX ZR 184/88 - WM 1989,1779; vom 8.12.1992 - VI ZR 24/92 - VersR 1993, 367 = WM 1993, 461; vom 3.2.1999- VIII ZR 14/98 - VersR 2000, 511 [513] = NJW 1999,1404 [1405]). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Kl. ein einfaches Bestreiten des Bekl. (vgl. BGH vom 23.3.1993 - VI ZR 176/92 -VersR 1993, 759 = NJW 1993,1782; vom 11.7.1995 - X ZR 42/93 - NJW 1995, 3311).
Eine darüber hinausgehende Substanziierungslast trifft die nicht darlegungsbelastete Partei im Regelfall nur dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgeblichen Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH vom 11.6.1990 - II ZR 159/89 - VersR 1990, 1254 = WM 1990, 1844; vom 17.10.1996 - IX ZR 293/95 - WM 1996, 2253; VersR 2000, 511 [513] = NJW 1999,1404 [1405 f.]). Die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Bestreiten liegen im Streitfall nicht vor.
Die Bekl. hat als Speditionsunternehmen gegenüber der für die Schadenshöhe darlegungspflichtigen Kl. hinsichtlich des Marktpreises von Kaugummi keinen lnformationsvorsprung. Die Kl. ist als Importeurin und Großhändlerin von Süßwaren vielmehr auch ohne Mithilfe der Bekl. zum sachgerechten Vortrag über das im Rahmen des Art. 23 Abs. 2 CMR maßgebliche Preisniveau der in Verlust geratenen Ware in der Lage. Unter diesen Umständen durfte sich die Bekl. prozuessual zulässig darauf beschränken, die Angaben der Kl. zum Wert der Ladung durch einfaches Bestreiten in Abrede zu stellen.
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Bekl. die Schadenshöhe prozessual rechtsmissbräuchlich, gewissermaßen ,,ins Blaue hinein" bestritten hat. Diese Grenze des zulässigen Vortrags wird erst dann überschritten, wenn die Behauptungen willkürlich, ohne greifbare Anhaltspunkte aufgestellt werden (vgl. BGH vom 17.9.1998 - III ZR 174/97 -NJW-RR 1999, 361 m. w. N.). Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der wechselseitige Sachvortrag wie im vorliegenden Fall gleichermaßen plausibel ist. Auch der Sachvortrag der Kl. zur Schadenshöhe besteht bei wertender Betrachtung aus einer einfachen Tatsachenbehauptung, deren Plausibilität sie nicht durch objektivierbare Angaben zur Preisgestaltung auf dem Süßwarenmarkt erläutert hat.


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