Urteil des Monats: August 2013
  
"Sattelanhänger –Transportmittel? Transportgut? Oder beides?"

Im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten ist die Anwendung transportrechtlicher Vorschriften zwischen den Parteien oftmals selbst in Bezug auf essentielle Rechtsfragen und -begriffe hoch streitig. Deshalb musste sich OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 24.02.10 mit der Frage auseinandersetzen, was eigentlich genau unter „Transportgut“ iSd § 407 Abs. 1 HGB zu verstehen ist.

Im Wesentlichen hatte das Gericht zu entscheiden, wie ein Sattelanhänger rechtlich zu qualifizieren ist, der dem Frachtführer vom Absender der Ware zur Durchführung des Transports übergeben wurde (im konkreten Fall hatte der Absender seinerseits den Anhänger von einem Dritten gemietet, aber dies dürfte rechtlich keine große Rolle spielen.). 

Nachdem der Frachtführer den vom Absender beladenen Anhänger übernommen hatte, wollte er auf einem Autobahnparkplatz die Zugmaschine austauschen. Das Ankoppeln misslang, so dass der Anhänger von der Kupplung rutschte und Schaden nahm.

Das Saarl. OLG hat die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt und den Frachtführer zum Ersatz des entstandenen Schadens verurteilt.

Das Gericht schloss sich der klägerischen Auffassung nicht an, wonach die Parteien keinen Fracht- sondern einen Lohnfuhrvertrag geschlossen hätten. Vorliegend habe der beauftragte Verkehrsunternehmer nämlich nicht Fahrer und Kraftfahrzeug –bloß- zur Verfügung gestellt, damit sein Auftraggeber den Transport „selbst“ durchführen könne. Gegenstand des Vertrages war die Durchführung des Transports durch den Auftragnehmer, unabhängig davon, dass diesem der Anhänger zur Verfügung gestellt wurde.

Fraglich, und insbesondere haftungsrechtlich relevant war daher, ob die Beschädigung des Anhängers nach frachtrechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist. Bejahendenfalls käme es auf ein Verschulden des Transportunternehmers bzw. des von ihm eingesetzten Fahrers nicht an, da er grundsätzlich für alle in seinem Gewahrsam entstandenen Schäden (in der Höhe begrenzt) zu haften hätte.

In diesem Zusammenhang fraglich war insbesondere, ob der Anhänger überhaupt (Transport-)Gut iSd § 425 Abs. 1 HGB ist, denn nur für die Beschädigung an eben jenem hat der Frachtführer zu haften.

Macht es also einen Unterschied, ob ein (unbeladener) Anhänger selbst Gegenstand des Transportes ist – etwa im Falle einer Überführungsfahrt oder aber bloßes Behältnis bzw. Transportmittel?

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch spräche sicherlich einiges dafür, einen Anhänger nicht unter den Begriff „Gut“ zu subsumieren. Schließlich ist er ja nicht der „wahre“ Gegenstand der Transport(-vertrages), sondern er dient lediglich seiner Durchführung. Drastisch ausgedrückt, kommt es dem Absender der Ware gar nicht darauf an, dass der Anhänger von A nach B transportiert wird – es ist ihm sogar letztlich egal. Unklar wäre überdies, wie eine beförderungssichere Ladung iSd § 412 Abs. 1 HGB im Falle eines Sattelanhängers auszusehen hätte. Vor diesem Hintergrund äußerst fraglich dürfte sein, dass beide Vertragsparteien in der Regel davon ausgehen, dass der Frachtführer für ein Transportmittel verschuldensunabhängig haften muss, das den Wert des eigentlichen Transportgutes eventuell um ein vielfaches überschreitet.

Anders das OLG im Anschluss an die wohl herrschende Lehrmeinung. Entscheidend sei, ob der Frachtführer ein Transportmittel eigenverantwortlich zur Herbeiführung der Beförderung einsetze (wie z.B. das KFZ und dessen Zubehör) oder aber –lediglich- vom Belade- an den Empfangsort transportiert werden sollen (Verpackung).

Der (beladene) Anhänger sei dem Frachtführer nun einmal anlässlich des konkreten Transportauftrags übergeben worden, folglich habe dieser für die Beschädigung nach allgemeinem Frachtrecht zu haften. 

Abschließend bemerkte das Gericht klarstellend, dass auch dann, wenn eine Haftung nach § 425 HGB abgelehnt werde, ein Anspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen „Schlechterfüllung der Obhutsverpflichtung“ gegeben sei, da dem Frachtführer im konkreten Fall Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei.

Bedauerlicherweise bleibt die Urteilsbegründung dünn zu der naheliegenden Frage, ob die beidseitige Interessenlage und die gegenseitig übernommenen Vertragspflichten nicht ohnehin dafür sprechen, für einen Anhänger eine am Leihvertrag gem. §§ 598 ff. BGB orientierte Haftungsregelung anzuwenden.


Das hier besprochene Urteil ist in unserer Urteilsdatenbank mit folgenden Angaben zu finden:

Aktenzeichen:   5 U 345/09
Datum:   24.02.2010
Link zur Urteilsdatenbank:   Urteil Saar. Oberlandesgericht vom 24.02.2010 - 5 U 345/09




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